Migrationssensible
Väterarbeit ist wichtig für die Zukunft unserer Gesellschaft. In
Großstädten wie Köln oder Frankfurt haben weit mehr als 50 Prozent der
schulpflichtigen Kinder einen sogenannten Migrationshintergrund. Die
Väter dieser Kinder können einen bedeutsamen Beitrag zu ihrem guten
Aufwachsen und Bildungserfolg leisten.
Väter mit Migrationsgeschichte sind jedoch in öffentlichen Debatten
und im Alltagsleben häufig Vorurteilen, negativen Zuschreibungen und
Verallgemeinerungen ausgesetzt. Die Vielfalt ihres Lebensalltags und
ihre Potenziale, insbesondere im Hinblick auf Vaterschaft, werden
genauso wenig wahrgenommen wie ihre individuellen Ressourcen und
Anpassungsleistungen. Eher selten werden sie in Angeboten adressiert
oder mitgedacht.
Ihre Perspektiven und Potentiale können zum Wohl ihrer Kinder viel
stärker einbezogen und genutzt werden. Vor diesem Hintergrund haben sich
das Hessische Ministerium für Soziales und Integration und der Verband
binationaler Familien und Partnerschaften im Rahmen eines
Integrationsvertrages unter anderem das Ziel gesetzt, gemeinsam einen
Beitrag zur Entwicklung einer migrationssensiblen, diversitätsbewussten
Väterarbeit in Hessen zu leisten.
In Hessen hat sich 2020 der Fachkreis migrationssensibler Väterarbeit
in Hessen (MISEV) gegründet und führt regelmäßig Austauschtreffen und
Workshops durch. Die Arbeit des Fachkreises orientiert sich an den
Aufgabenfeldern und Bedarfen der Teilnehmenden, ermöglicht gegenseitige
Unterstützung und bezieht Erkenntnisse aktueller Väterforschung mit ein.
Als erster Schritt wurde 2019 eine hessenweite Befragung von
Einrichtungen und Expert*innen der Väterarbeit durchgeführt, um einen
Einblick in bereits bestehende Angebote der Väterarbeit, deren
Herausforderungen und Erfolgsfaktoren zu gewinnen.
Bei dem Werkstattgespräch am 5. Mai wird Alexander Stathopoulos vom
Verband binatinaler Familien in Frankfurt über die Erfahrungen des
Arbeitskreises berichten und wir werden gemeinsam überlegen, wie wir
diese für die Väterarbeit in NRW nutzen können.
Hier können Sie sich zu dem Online Werkstattgespräch anmelden:
Vor einigen Wochen hat eine Fachzeitschrift nach meiner Einschätzung zur Vaterschaftsfreistellung gefragt. Frau Spiegel ist zwar inzwischen nicht mehr Familienministerin, aber ihre Nachfolgerin Lisa Paus hat angekündigt, an deren Inititiativen anzuknüpfen und das Thema steht für mich weiterhin oben auf der Agenda
Wie finden Sie den Vorschlag von Frau Spiegel?
Frau Spiegel greift mit ihrem Vorschlag eine Forderung auf, die wir
und andere Väterverbände schon lange erhoben haben. Die zwei Wochen
Vaterschaftsfreistellung finden sich zudem mit unterschiedlichen
Bezeichnungen in den Wahlprogrammen der drei Ampelparteien und sind auch
Gegenstand der EU Vereinbarkeitsrichtlinie, die bis zum Herbst 2022 in
geltendes Recht umgesetzt werden muss.
Inhaltlich geht es in der Zeit unmittelbar nach der Geburt darum,
sich als Familie neu aufzustellen, aus dem Paar ist eine Triade
geworden. Zu sehen, dass es die ‚geborene Mutter‘ nicht gibt und Mann es
genauso gut kann, wenn er es einfach tut. Sich dabei als Vater wirksam
zu erleben,. die Reaktionen des neugeborenen Kindes wahrzunehmen, es zu
begleiten und eine sichere Beziehung und Bindung zu ihm aufzubauen.
Dafür ist die 14tägige Lohnfortzahlung eine Investition, die sich ein
Leben lang auszahlt.
In dem Vorschlag stecken aber noch weitere Potenziale. In einer
Untersuchung, die das Beratungsunternehmen EY 2016 bei mehr als 21.000
Kund*innen in 91 Ländern durchgeführt hat, zeigte sich nämlich, dass in
Unternehmen, die Beschäftigten eine bezahlte Freistellung nach der
Geburt gewährten, der Anteil von Frauen in Führungspositionen deutlich
höher war.
Wo könnte es Herausforderungen oder Stolpersteine bei der Umsetzung geben?
Da diese Regelung von allen drei Ampelparteien gleichermaßen gewollt
ist, dürfte es an dieser Stelle keine Stolpersteine geben. Eine
Herausforderung ist sicherlich die Finanzierung. Wenn diese jedoch
analog zum Mutterschaftsgeld organisiert, also in einem Umlageverfahren
durch alle Arbeitgebenden finanziert wird, sehe ich an dieser Stelle
keine großen finanziellen Belastungen auf die durch Corona strapazierte
Staatskasse und einzelne Arbeitgebende zukommen.
Zufriedene Väter sind ein Gewinn für jeden Betrieb und die Kompetenzen
die sie durch ihr Engagement in Familie erwerben, gleichen die Kosten
für die Umlage sehr schnell wieder aus.
Sind zwei Wochen bezahlter Urlaub für das zweite Elternteil genug, um eine Bindung zum Neugeborenen aufzubauen?
Die zwei Wochen bezahlte Freistellung sind meines Erachtens kein
‚Urlaub‘ im landläufigen Sinn. Sie ermöglichen einen niedrigschwelligen
Einstieg ins Vatersein, nach der Geburt hat jeder neuer Vater die
Möglichkeit, seine Partnerin in der Zeit des Wochenbetts zu unterstützen
und eine Beziehung zu seinem Kind aufzubauen. Für eine sichere Bindung
sind zwei Wochen eine zu kurze Zeit, aber es geht um einen guten
Einstieg und die gesellschaftliche Zuschreibung ‚Mann du kannst ein
guter Vater sein und du bist bedeutsam für die Entwicklung deines
Kindes‘.
Wie viele Elterngeldmonate für Paare würden Sie sich
wünschen? Wie viel bezahlte Freistellung beider Elternteile ist Ihrer
Meinung nach nötig?
Bislang gibt es ja 14 Elterngeldmonate die nach dem Muster 12 plus 2
konstruiert sind und durch Regelungen wie ‚Elterngeld-Plus Monate‘ und
dem ‚Partnerschaftsbonus‘ auf bis zu 28 bezahlte Monate Elternzeit
ausgedehnt werden können. Die Regelungen sind ziemlich kompliziert, auch
wenn in der Corona Zeit schon einiges vereinfacht worden ist.
Ich würde mir wünschen, dass es für Väter und Mütter jeweils 8
reservierte Elterngeldmonate gibt und dass es weitere 8 bezahlte Monate
gibt, die flexibel bis zum Schuleintritt des Kindes eingesetzt werden
können. Damit würde ein klares Signal dafür gesetzt, dass Väter und
Mütter gleichermaßen für ihre Kinder verantwortlich sind und die damit
verbundenen Aufgaben und Arbeiten von Anfang an partnerschaftlich
aufgeteilt werden können.
Die weiteren acht Monate bieten den Eltern dann die Möglichkeit sich
nach Bedarf und flexibel Zeit für die Kinder zu nehmen, wenn sie
gebraucht wird. Neben dem Geld spielt die Zeit, die Väter und Mütter
einsetzen können eine große Rolle.
Dazu kommt noch die Infrastruktur, also zum Beispiel die qualitativ
hochwertigen Kinderbetreuungsangebote, die in ausreichender Zahl und mit
passenden Öffnungszeiten wohnungsnah zur Verfügung stehen.
Gibt es etwas anders, was Sie sich hinsichtlich der Elternzeit-/Elterngeldregelung wünschen würden?
Ja, ich wünsche mir, dass das Engagement von Vätern für ihre Familie
und insbesondere für ihre Beteiligung an der Erziehung ihrer Kinder
nicht als ‚Ergänzung‘ oder ‚Unterstützung‘ der Leistungen der Mütter
betrachtet werden sondern als genauso notwendig wie selbstverständlich.
Und zwar von Anfang an und nicht nach dem Motto ‚krabbeln lerne ich bei
Mama, laufen dann bei Papa‘.
Damit das Wirklichkeit werden kann, braucht es, quasi als notwendige
Bedingung, gute gesetzliche Regelungen zu Elterngeld und Elternzeit,
aber auch passende strukturelle Rahmenbedingungen wie
Arbeitszeitregelungen und Kinderbetreuungsangebote.
Damit es hinreicht, sind aber auch Haltungen erforderlich, die Vätern
von Anfang an, also schon lange vor der Geburt, Kompetenzen zuschreiben
und ihnen von Geburt an Möglichkeiten geben, diese zu erwerben und
weiterzuentwickeln.
In diesem komplexen Gebilde sind die zwei Wochen Vaterschaftsfreistellung ein ganz wichtiger Baustein.
Der Beitrag des
Vorsitzenden der LAG Väterarbeit in der aktuellen Ausgabe impu!se der
Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin
Niedersachsen e. V.
„Die WHO empfiehlt, die Beteiligung von Männern während der
Schwangerschaft, der Geburt und nach der Geburt zu fördern, um die
Selbstsorge von Frauen und die häuslichen Pflegepraktiken für Frauen und
Neugeborene zu verbessern. Neben dieser auf die Gesundheit von Mutter
und Kind bezogenen Perspektive gibt es weitere gute Gründe, dies zu tun.
Die Gesundheit der Väter, die Zuschreibung von väterlichen
Kompetenzen und ihre Beziehung zu dem ungeborenen Kind haben einen
großen Einfluss darauf, in welchem Maße sie sich an der Erziehung des
Kindes beteiligen und Ressourcen für seine gelingende Entwicklung zur
Verfügung stellen.
In der Phase vor und unmittelbar nach der Geburt werden zudem die
Weichen dafür gestellt, ob das gewünschte Lebenskonzept einer
partnerschaftlichen Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit
Wirklichkeit werden kann oder die Partnerschaftszufriedenheit darunter
leidet, dass sich Vater und Mutter in jeweils unterschiedlichen Sphären
voneinander entfremden. Viele Väter haben den Wunsch, die Entwicklung
ihrer Kinder von Anfang an mitgestalten und erleben zu können.
Ansprüche und Wirklichkeiten
Erfahrungen und Studienergebnisse zeigen, dass die gewählten
Lebensmodelle häufig nicht Ergebnis zielgerichteter Aushandlungsprozesse
sind, sondern Paare vor dem Hintergrund vermeintlich rationaler Gründe
nach der Geburt dort ‚hineingeschliddert‘ sind und Väter sich mehr oder
weniger freiwillig auf die traditionelle Rolle des Ernährers und
Assistenten in der Familie einlassen.
Obwohl also alles dafür spricht, werdende Väter rechtzeitig
einzubeziehen, sie als aktive Subjekte im Geburtsgeschehen zu betrachten
und auf die neue Rolle vorzubereiten, werden sie hierzulande immer noch
als ‚Beifahrer‘ betrachtet. In Großbritannien, wo bereits 2006 im
Nationalen Gesundheitssystem ein Paradigmenwechsel zugunsten von Vätern
stattgefunden hat, zeigen kürzlich veröffentlichte Befragungsergebnisse,
dass der empfohlene Wandel auch dort noch längst nicht überall
praktiziert wird.
92 Prozent der Väter nehmen an den Vorsorgeuntersuchungen teil, aber
61 Prozent berichten, dass ihre Rolle als Vater zu keinem Zeitpunkt
angesprochen worden ist.
Väter haben keinen formalen Status bei der Geburtsvorbereitung,
selbst ihr Name wird nicht erfasst. Lediglich 16 Prozent der Väter
werden während der Geburt nach ihrem Befinden gefragt.
Wenn ‚Väter‘ und ‚Mütter‘ statt ‚Eltern‘ adressiert werden und
deutlich gemacht wird, dass beide gefragt sind, steigt die Beteiligung
von Vätern bei der Nachsorge von ca. 20 Prozent auf bis zu 70 Prozent
Das Erlebnis der Geburt
Wie Väter auf die Geburt vorbereitet werden können und welche Rolle
die verschiedenen Professionen dabei spielen, ist lange bekannt. Der
entscheidende Faktor dabei ist die Haltung gegenüber der Rolle der Väter
sowie ihrer aktiven Einbeziehung.
Angebote der Geburtsvorbereitung für Väter kommen auch werdenden
Müttern zugute. Studien zeigen, dass Väter, die ihre Rolle während der
Geburt kennen und verstehen, was dort geschieht, selbst besser vor
übermäßigem Stress geschützt sind und seltener Gefahr laufen, den Ablauf
der Geburt negativ zu beeinflussen. Das gilt insbesondere in den
Momenten, in denen es mal nicht nach Plan läuft.
Bei der Geburt selbst dabei sein zu können, ist für Männer die
einzigartige Möglichkeit, das Vaterwerden, das sich bislang als
‚Kopfgeburt‘ abgespielt hat, unmittelbar zu erleben und eine Beziehung
zu ihrem Kind aufbauen zu können. Dazu ein O-Ton: „Es war unglaublich,
atemberaubend, erstaunlich und erschreckend, die erste Person zu sein,
die meine Tochter sah, und Augenkontakt mit ihr herzustellen, als sie
herauskam. Ich habe ein Foto, etwa drei Minuten nach ihrer Geburt, auf
dem ich sie im Arm halte und wir uns gegenseitig anstarren, und es sieht
aus, als würde sie mir die Zunge herausstrecken.“
Väter müssen draußen bleiben
Corona wirkt wie ein Brennglas und hat auch in der Geburtshilfe
offengelegt, dass Väter dort noch nicht die Bedeutung haben, die ihnen
zusteht. Zehntausende Männer konnten wegen der Corona-Regeln in den
vergangenen Monaten die Geburt ihres Kindes nicht miterleben. In manchen
Kliniken dürfen Väter den gesamten Verlauf der Geburt begleiten, in
anderen ruft sie das Personal erst zur Endphase der Geburt in den
Kreißsaal – wenn die Presswehen beginnen oder der Muttermund um einige
Zentimeter geöffnet ist. Zum Teil dürfen Väter ihre Familie nur eine
Stunde am Tag auf Station besuchen, andernorts gibt es keine
Beschränkungen. Zu Vorsorgeterminen, zum Ultraschall dürfen Väter oft
ebenfalls nicht mitkommen.
„Ich durfte nur an einer Untersuchung teilnehmen. Meine Frau musste
zu allen anderen Untersuchungen und Konsultationen allein gehen. Ich
habe diese lebenswichtige Unterstützung für meine Frau und die
Entwicklung einer Bindung zu unserem kleinen Sohn völlig verpasst. Das
System ist durcheinandergeraten, und die emotionale Belastung, die wir
zahlen müssen, ist enorm …“ berichtet ein Vater.
Die Auswirkungen der Geburtserlebnisse auf die Vaterschaft
Studien zeigen, dass die Geburt und ihr Erleben für Väter und Mütter
einen wichtigen Ausgangspunkt für den Übergang zur Elternschaft
darstellen. Sie erleichtern oder erschweren den Prozess des
Vaterwerdens. Mütter mit einem negativen Geburtserlebnis geben häufiger
an, dass sie Probleme beim Stillen haben und ihre Wunden schlecht
heilen. Das Risiko, dass die Mütter und Väter nach der Geburt eine
Depression entwickeln steigt und auch die Eltern-Kind-Bindung war sechs
Monate nach Entbindung weniger sicher.
Da die Unterstützung von Vätern im Geburtsprozess positive
Auswirkungen auf die Frauen hat, muss sichergestellt werden, dass Väter
systematisch einbezogen werden und sich an Schwangerschaft, Geburt und
Kinderbetreuung beteiligen. So können sie ihre Partnerinnen
unterstützen, eine eigene Identität als Vater entwickeln und eine aktive
Rolle in der Versorgung der Säuglinge übernehmen.“
Rund 1,9 Millionen Frauen und Männer in Deutschland haben im
Jahr 2021 Elterngeld erhalten. Das waren rund 7.800 oder 0,4 % mehr als im
Jahr 2020. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, hat sich
die Zahl der Männer mit Elterngeldbezug im Vorjahresvergleich um 9.700 oder
2,1 % erhöht. Dagegen ging die Zahl der leistungsbeziehenden Frauen leicht
um 1.900 oder 0,1 % zurück. Dadurch stieg der Väteranteil im Jahr 2021 auf
25,3 % (2020: 24,8 %). Der kontinuierliche Anstieg des Väteranteils
hat sich damit fortgesetzt. Im Jahr 2015 hatte er noch bei 20,9 %
gelegen.
Der Väteranteil gibt den Anteil der männlichen Bezieher an
allen Elterngeldbezügen an. Er würde also genau 50 % betragen, wenn bei allen
Kindern sowohl der Vater als auch die Mutter gleichermaßen Elterngeld beziehen
würde.
Väteranteil in Sachsen am höchsten, in Bremen und im
Saarland am niedrigsten
Spitzenreiter im Bundesländervergleich mit einem Väteranteil
von 29,9 % im Jahr 2021 war – wie im Vorjahr – Sachsen, gefolgt von Berlin
(27,6 %), Bayern (27,5 %) und Baden-Württemberg (27,4 %). Am
niedrigsten lagen die Väteranteile 2021 – ebenfalls wie im Vorjahr – im
Saarland (20,1 %) sowie in Bremen (20,3 %).
Mehr als jede dritte Frau und jeder siebte Mann wählte
Elterngeld Plus
588.000 Bezieherinnen und Bezieher von Elterngeld planten im
Jahr 2021 die Inanspruchnahme von Elterngeld Plus, und zwar 36,9 % der
berechtigten Mütter und 15,4 % der Väter. Seit seiner Einführung wird das
Elterngeld Plus somit immer stärker nachgefragt. Zwar fällt das Elterngeld Plus
in der Regel monatlich niedriger aus als das sogenannte Basiselterngeld, wird
dafür aber länger gezahlt (bis zu 36 Bezugsmonate für beide Elternteile
zusammen im Vergleich zu 14 Monaten beim Basiselterngeld). Der prozentuale
Anteil der Empfängerinnen und Empfänger von Elterngeld, die bei ihrem
Elterngeldbezug zumindest anteilig auch Elterngeld Plus einplanten, betrug im
Jahr 2021 insgesamt 31,4 % (2020: 29,6 %).
Geplante Bezugsdauer bei Müttern leicht gestiegen, bei
Vätern unverändert
Die durchschnittliche Dauer des geplanten Elterngeldbezugs
lag bei den Frauen im Jahr 2021 bei 14,6 Monaten (2020: 14,5 Monate; 2019: 14,3
Monate). Die von Männern angestrebte Bezugsdauer war mit durchschnittlich 3,7
Monaten dagegen deutlich kürzer. Damit blieben die geplanten Bezugsdauern der
Väter in den vergangenen Jahren praktisch konstant (2017, 2019 und 2020: ebenfalls
3,7 Monate; 2018: 3,8 Monate).
… dies sagt Collien Ulmen-Fernandes deren zweiteilige Doku
zum Thema „Rabenväter oder Superdads“ auf ZDFneo und der Mediathek zu
sehen ist. Darin berichten unter anderem fünf Väter aus ihrem sehr
unterschiedlichen Alltag. Außerdem kommen Expert*innen zu Wort, um
einzuordnen, wo wir aktuell in der Väterforschung stehen und was sich
ändern sollte.
In dem Interview äußert Ulmen-Fernandes weiter: „Wenn man anfängt
sich mit diesem Thema zu beschäftigen, dann merkt man wie enorm wichtig
die Väterforschung ist. Ich selbst setze mich ja schon seit Jahren für
Gleichberechtigungsthemen ein und war, als die Redaktion das Thema
angefragt hat, nicht vor Begeisterung vom Stuhl gefallen. Ich hatte ja
das weibliche Pendant dazu schon gemacht. In der Recherche zum Thema und
in der Auseinandersetzung mit der Väterforschung habe ich dann gemerkt,
wie wichtig das Thema eigentlich ist“
Die Mitglieder der LAG haben diese Überzeugung ja schon lange und wir
hoffen, dass diese Dokumentation den Rückenwind für unsere Arbeit
verstärken wird.
Migrationssensible Väterarbeit
Ist das Schwerpunktthema der LAG im m März und April. Im Gespräch
mit Prof. Uslucan haben wir auf das Projekt ‚Interkulturelle
Väterarbeit in NRW (IVA)‘ zurückgeschaut und beleuchtet, was auch im
Hinblick auf die aktuelle Fluchtbewegung aus der Ukraine von Bedeutung
sein wird. „Ein Aspekt war auch die soziale Vernetzung. Dass sie erkannt
haben: ‚Es ist wichtig, auch mit andern Vätern ins Gespräch zu kommen‘,
weil ‚Es sind nicht nur meine Sorgen, sondern es sind Sorgen auch
anderer Väter.‘ Und durch diese Väterarbeit auch eine Art von
Vernetzung, was letztlich auch Solidarpotenziale aufbauen hilft und dazu
führt, dass man auch entlastet ist, weil man merkt, das ist nicht nur
etwas, was einen selbst betrifft.“
In dem Werkstattgespräch am 7. April wird Alexander Stathopoulos vom
Verband binationaler Familien in Frankfurt über Erfahrungen des
Arbeitskreises Migrationssensibler Väterarbeit (MiseV) in Hessen
berichten und Erfolgskriterien skizzieren.
Rückblick
Beim ersten Werkstattgespräch dieses Jahres ging es um die
Väterpolitik. Eine Zusammenfassung des Gesprächs und den Link zum
Download des Vortrags finden Sie hier.
Der 29. Februar ist der Equal Care Day. An diesem Tag, den es nur
alle vier Jahre gibt, wird auf die weitgehend unsichtbare Fürsorge
Arbeit aufmerksam gemacht. Die LAG Väterarbeit ist ja unter anderem
angetreten, Vätern mehr Engagement in Familie zu ermöglichen und das
heißt auch mehr Zeit für fürsorgliches Verhalten und die Übernahme von
Care Arbeiten.
Dazu haben wir auch den diesjährigen Equal Care Day genutzt. Im
Gespräch mit Nantke Garrelts hatte Hans-Georg Nelles am Gelegenheit im
Tagesspiegel die Position der LAG darzulegen. Einen Tag zuvor hat
Patricia Cammarata die Perspektive der Frauen dargelegt. Am 28. Februar
gab es noch einmal einen zusammenfassenden Beitrag.
Ausblick
Am 15. Mai finden in NRW die Landtagswahlen statt und auch auf
Landesebene gilt es Weichen für mehr väterliches Engagement zu stellen.
Dazu werden wir Ihre Erwartungen zusammenfassen, Fragen an die Parteien
stellen und mit verantwortlichen Politiker*innen ins Gespräch kommen.
Im Sommer wird die LAG ‚Väter und Kinder als Opfer von Gewalt‘
thematisieren. Dazu wird es ebenfalls ein Werkstattgespräch in Präsenz,
Interviews mit Expert*innen und verschiedene Fachbeiträge geben.
5. April 2022, 2. Online Member Meeting der LAG Väterarbeit
7. April 2022, 15:30 bis 17 Uhr, Online Werkstattgespräch ‚Migrationssensible Väterarbeit‘
Migrationssensible Väterarbeit ist wichtig für die Zukunft unserer
Gesellschaft. In Großstädten wie Köln oder Frankfurt haben weit mehr als
50 Prozent der schulpflichtigen Kinder einen sogenannten
Migrationshintergrund. Die Väter dieser Kinder können einen bedeutsamen
Beitrag zu ihrem guten Aufwachsen und Bildungserfolg leisten.
Bei dem Werkstattgespräch am 7. April wird Alexander Stathopoulos vom
Verband binationaler Familien in Frankfurt über die Erfahrungen des
Arbeitskreises berichten und wir werden gemeinsam überlegen, wie wir
diese für die Väterarbeit in NRW nutzen können.
Die Erwartungen an die Rolle des Vaters haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Galt es früher für den Vater als ausreichend, seine Familie finanziell zu versorgen und sich sonntags Zeit für sie zu nehmen, sind die Ansprüche heutzutage vielfältig: Geburtsvorbereitungskurs, Babyschwimmen, Spielplatzaufsicht, Hausaufgabenhilfe und Haushaltspflichten. Wie sehen Väter selbst ihre Rolle in der Familie? ZDFneo zeigt das zweiteilige Social Factual „Rabenväter oder Super Dads?“ mit Collien Ulmen-Fernandes
am Donnerstag, 24.
März 2022, ab 20.15 Uhr. Beide Teile stehen ab 10.00 Uhr in
der ZDFmediathek.
Moderatorin Collien
Ulmen-Fernandes besucht fünf Väter und ihre Familien in ihrer vertrauten
Umgebung: Einen Hausmann, der beim zweiten Kind den größten Teil der Elternzeit
übernimmt, einen Vater, der in zweiter Ehe erneut eine Familie gegründet hat
und neue Perspektiven für sich und seine Töchter entdeckt, zwei Väter, die sich
Kindererziehung und Haushalt teilen und einen Vater, der mit seiner Ehefrau und
zwei Kindern eine Familie hat, die in den meisten Bilderbüchern beschrieben
wird.
Die Rolle der Väter
hat Einfluss auf die Entwicklung der Söhne und der Töchter. In der
Vergangenheit wurde das von der Wissenschaft häufig unterschätzt. Heutzutage
zeigen Studien, dass Väter wesentlichen Einfluss auf die Berufs- und
Lebenspläne ihrer Töchter haben. Das Vaterbild ändert sich allmählich, aber
stetig. Und auch die Erwartungen der Väter selbst ändern sich. Zunehmend
entscheiden sie sich für eine Elternzeit, wenn auch selten für eine, die länger
als drei Monate dauert.
Väter sind heute auch
selbstverständlich bei der Geburt ihres Nachwuchses dabei, was noch in den
1970er-Jahren ein No-Go war, und sie bereiten sich gewissenhaft auf ihre Rolle
als werdende Väter vor. Das zeigt eine Väterschule, die Collien Ulmen-Fernandes
besucht. In einem Test beantworten Väter und Mütter die Frage, wer in der
Familie für was verantwortlich ist oder sich verantwortlich fühlt. Selbst für
Väter, die versuchen, die Aufgaben, die in ihrer Familie für Kinder und
Haushalt anfallen, angemessen zu teilen, sind die Ergebnisse
überraschend.
Interview mit Fabian Soethof, Autor des Buchs ‚Väter können das auch!
Der Titel deines am 21. März erscheinenden Buches lautet
‚Väter können das auch!‘ Was können Väter und was können sie unter
welchen Umständen lernen?
Außer mit der Brust zu stillen und Babys zu gebären – wobei auch das
nur auf biologische Männer zutrifft – können sie alles, was Frauen auch
können und sich schon viel zu lange viel zu oft allein darum kümmern:
Care-Arbeit, Mental-Load-Übernahme, in Elternzeit und Teilzeit gehen,
Karriere-„Rückschritte“ in Kauf nehmen, anwesend, aktiv und eine echte
Bezugsperson sein. Viele glauben nur, es nicht zu können oder zu dürfen.
Weil ihnen in ihrer Sozialisation seit Jahrzehnten nichts anderes
erzählt wird. Und weil sie oft nicht gelassen werden: von der
Gesellschaft, der Wirtschaft, der Politik – und von sich selbst.
‚Es ist Zeit, Familie endlich gleichberechtigt zu leben‘
steht ebenfalls auf der Titelseite. In der Ausgangslage schreibst du
dazu: ‚ich möchte mit dem Buch ein Plädoyer für eine ‚private,
gesellschaftliche und politische Veränderung von Familie, Arbeit,
Vereinbarkeit und Rollenbildern‘ bieten‘. Was sind die drei wichtigsten
Punkte deines Plädoyers und vor allem, wie sieht der Weg der Veränderung
aus?
Die drei wichtigsten Punkte auf dem Weg hin zu mehr Gleichberechtigung lauten vielleicht:
Privilegien, patriarchale Strukturen, Rollenbilder und
Ungerechtigkeiten erkennen: Nur wer weiß, wie vergleichsweise gut er
oder sie es hat, kann dafür sorgen, dass es anderen auch mal besser
geht.
Es gibt kein Wissens-, sondern ein Handlungsdefizit: Fast alles, was
in meinem Buch steht, ist seit Jahren bekannt. Theoretisch steht
Gleichberechtigung also nichts mehr im Wege – praktisch unter anderem
das, was ich auf die erste Frage hin antwortete.
Das Private ist politisch (und umgekehrt): Nur wer
Gleichberechtigung selbstverständlich in der Familie und von dort hinaus
vorlebt, kann zu einem Rollenwandel beitragen. Und nur, wer von Politik
und Wirtschaft dabei hinreichend unterstützt wird, kann sein
Privatleben ändern.
In dem Buch sprichst du auch eine Einladung an Väter aus, ihr
Verhalten und ihre Haltungen zu reflektieren. Was macht es für Väter
attraktiv, sich weniger der Erwerbs- und mehr der Carearbeit zuzuwenden?
Zuallererst ist es der Satz: Niemand wird auf dem Sterbebett bereuen,
zu wenig gearbeitet und seine Kinder nur am Wochenende gesehen zu
haben. Das sage ich wohlwissend, dass gerade geringverdienende
Einverdienerhaushalte oft auf jeden Cent angewiesen sind. Eine gute
Bindung zu seinen Kindern erscheint mir aber nicht nur für Väter
attraktiv. Kinder profitieren von mehreren engen und wichtigen
Bezugspersonen und „modernen“ Vorbildern. Und die Gesellschaft
profitiert von einem Rollenwandel: Frauen landen als (potentielle)
Mütter nicht länger auf dem beruflichen Abstellgleis. Väter tragen den
Financial Load nicht länger allein. Und die nächste Generation lernt,
dass auch Männer den Haushalt schmeißen und Frauen jeden Job machen
können, den sie wollen.
In dem Buch kommen eine Reihe Väterexpert*innen und
Feminist*innen zu Wort. Ein Paradigma aus der feministischen Sphäre
lautet ‚Don’t fix the women – fix the system‘. Auf die Väter bezogen
lautet die Frage also: Welche strukturellen Rahmenbedingungen im
‚System‘ müssen thematisiert und ggf. verändert werden?
Sprechen wir von Arbeitnehmer*innen, so müssen Männer eher gestern
als morgen für Arbeitgeber*innen das gleiche „Risiko“ darstellen, wegen
bevorstehendem Nachwuchs länger als nur zwei Wochen auszufallen. Damit
Frauen zumindest auf dem Arbeitsmarkt nicht länger derart benachteiligt
werden. Wir kommen u.a. durch längere Elternzeiten bei Vätern, mehr
Männer in Teilzeit und notfalls finanzielle Anreize dahin. Folgen davon
könnten eine Verkleinerung des Gender Care Gaps und des Gender Pay Gaps
sein, eine positive Kettenreaktion würde in Gang gesetzt. Erst dann wäre
auch keine Quote mehr nötig.
In dem Interview mit Uwe von dem Software Unternehmen SAP
sagt dieser: ‚Es gibt die X- oder Y- Strategie. Gehe ich davon aus, dass
alle Mitarbeiter*innen schlecht sind … oder davon, dass sie alle
eigenmotivierte Individuen sind, die ich nur bei Bedarf unterstützen
muss?‘ Könnte der Titel deines Buch dementsprechend auch ‚Väter wollen
das!‘ lauten?
Naja. Viele Väter wollen „das“ ja nicht, zumindest nicht wirklich.
Sonst würden nicht nur rund 30 Prozent aller Väter Elternzeit in
Anspruch nehmen, sondern mindestens 60 Prozent. Viele behaupten, dass
sie wollen, aber der Chef es ihnen schwer mache und die Familie ja auch
auf „sein“ Geld angewiesen sei, oft stecken nur eine
Anstrengungsvermeidung oder andere Prioritäten dahinter. Ein
Teufelskreis: Mit den Argumenten und der Aufteilung bleiben wir als
Familien und als Gesellschaft in puncto Gleichberechtigung noch lange da
stecken, wo wir jetzt stehen: auf scheinbar gutem Weg, aber noch längst
nicht so weit, wie wir sein könnten. Die Parität des neuen Kabinetts
und der Koalitionsvertrag gehen übrigens mit überraschend gutem Beispiel
voran. Darin lautet ein hehres Ziel: „Die Gleichstellung von Frauen und
Männern muss in diesem Jahrzehnt erreicht werden“. Mark their words!
Professor Uslucan im Interview zu den Wirkungen des Projekt ‚Interkulturelle Väterarbeit in NRW‘
Von 2014 bis 2016 wurde das Projekt ‚Interkulturelle Väterarbeit in NRW‘ gefördert. Was waren die Ergebnisse des Vorhabens?
Also wir haben ja das Projekt, was ja unter anderem vor allem von
Herrn Michael Tunç durchgeführt wurde, auch unter meiner Leitung. Wir
haben es an acht verschiedenen Regionen NRWs durchgeführt. Einmal haben
wir festgestellt, dass bestimmte, ich sage mal, Stereotype, Bilder,
Vorurteile über Männer beziehungsweise Väter mit Migrationshintergrund
grundlegend widerlegt werden konnten. So die Vorstellung, es ist
sozusagen, ja, so matriarchal organisiert, Erziehung ist weiblich,
weibliche oder beziehungsweise Arbeit der Frauen, Männer halten sich
zurück.
Also solche Bilder, vor allem auch über türkische Männer, türkische
Väter, herrschten ja lange vor. Und in diesem Projekt haben wir sehen
können, dass die Väter, die wir sozusagen auch angetroffen haben, die in
diesen Projekten, natürlich ist es eine Selektion, das ist/ das muss
man auch wissen. Wir haben natürlich die, die engagiert waren erreicht.
Aber zumindest die haben gezeigt beziehungsweise sich geäußert sowohl
in den direkten Gesprächen, aber auch in der Befragung, dass sie ein
hohes Maß an Engagement in der Erziehung zeigen, dass sie sozusagen auch
eine andere Form von Väterlichkeit auch leben wollen. Auch eine andere,
die sowohl von der Mehrheitsgesellschaft als auch vielleicht sozusagen
von der eigenen Kultur manchmal zugedacht wird, so im Sinne von, Väter
haben ja für das Außen, also sozusagen Geld verdienen und die
Außenwirklichkeit, und Mütter für das Innen, das Haus zuständig. Dass
sie einfach mit diesem Modell so nicht einverstanden sind, sondern auch
andere Rollen, auch andere Formen von Väterlichkeit leben wollen, sich
sehr stark engagieren wollen, auch in der Erziehung, Entwicklung ihrer
Kinder. Und letztlich dadurch auch an mehrheitsgesellschaftlichen
Trends, also jetzt in den letzten zehn, zwanzig Jahren an aktive
Väterlichkeit auch teilhaben wollen.
Wenn man das jetzt wissenschaftlich festhalten will, kann man sagen,
drei zentrale Ergebnisse waren für uns relevant. Eins ist unabhängig von
Migrationshintergrund. Das ist die pädagogisch-psychologische
Bedeutsamkeit von Vätern für die Entwicklung von Kindern, von allen
Kindern. Nicht nur von einheimischen, sondern auch von Kindern mit
Zuwanderungsgeschichte. Das ist immer dort, wo sozusagen
Vater-Kind-Konstellationen eng, einfühlsam zusammenarbeiten. Dass es
sowohl für das Selbstbewusstsein der Kinder wichtig ist, aber auch für
die Selbstwahrnehmung der Väter, also sozusagen
pädagogisch-psychologische.
Dann ein Punkt, der vielleicht, ich sage mal, schon auch ein Novum
ist für Migrantenfamilien, die wir im Vordergrund hatten,
familienpolitische Aspekte. Dass sozusagen dadurch auch in der
Partnerschaft sich ändert. Also sagen wir, ein stärkerer Zug zum
Egalitarismus, also eine andere Aufteilung der Erziehungsarbeit und
letztlich auch dadurch die Entlastung der Mütter beziehungsweise der
Frauen. Auch die Wahrnehmung der, ich sage mal, Frau, der Mutter als
Partnerin, nicht nur als Mutter. Und durch diese Aufteilung der Rolle
auch eine wechselseitige andere Wahrnehmung.
Und ein dritter Punkt, was ich eben gesagt habe,
integrationspolitisch, dass dadurch auch die Wahrnehmung der Väter mit
Zuwanderungsgeschichte eine andere ist. Ich will nur zwei Punkte
aufarbeiten, wo es die größten Differenzen gab.
Die größten Differenzen gab es bei der gewaltfreien Erziehung, also
die Relevanz der gewaltfreien Erziehung. Das ist sozusagen, durch die
Kurse habe ich erkannt, wie wichtig das ist. Und ein zweiter Aspekt, der
nicht minder wichtig ist, die Bedeutung der Schule, der Bildung, also
Schulerfolg, sich für den Schulerfolg zu interessieren, zu engagieren.
Ich bin selbst Bildungspsychologe und spätestens seit PISA wissen
wir, dass Schülerleistungen nicht nur Schülerleistungen sind, sondern
auch Elternleistungen sind, nicht nur Leistungen der Schule, sondern
auch die der Eltern. Das ist ungerecht, aber unabhängig davon haben die
von uns befragten Väter erkannt, es kommt auch auf mich an. Also es
kommt auch auf uns an, dass wir uns engagieren, dass wir uns einbringen,
dass wir fördern, dass wir den Kontakt zur Schule halten. Und letztlich
sozusagen, wie relevant Väterarbeit für den Schulerfolg der Kinder ist.
An den beiden Punkten gab es die größten Differenzen zwischen vorher
und nachher.
Ein weiterer Aspekt war auch die soziale Vernetzung. Dass sie erkannt
haben: „Es ist wichtig, auch mit andern Vätern ins Gespräch zu kommen“,
weil „Es sind nicht nur meine Sorgen, sondern es sind Sorgen auch
anderer Väter.“ Und durch diese Väterarbeit auch eine Art von
Vernetzung, was letztlich auch Solidarpotenziale aufbauen hilft und dazu
führt, dass man auch entlastet ist, weil man merkt, das ist nicht nur
etwas, was einen selbst betrifft.
Vor welchen Herausforderungen stehen diejenigen, die interkulturelle Väterarbeit machen heute und in Zukunft?
Wir haben seit 2015 natürlich einen starken Umbruch als
Migrationsgesellschaft, als Einwanderungsgesellschaft. Natürlich wäre es
wichtig hier, jetzt in einem Folgeprojekt beispielsweise, Kinder und
Väter mit Fluchthintergrund in ähnliche Projekte aufzunehmen. Wir haben
in unserem Projekt ja sehr stark türkische, spanische, griechische …
also die klassische Gastarbeitergeneration gehabt.
Das wäre etwas, was, glaube ich, wichtig ist jetzt nach fünf, sechs
Jahren, wo man sagen kann, gut, erste Einbindung in den Arbeitsmarkt,
Wohnungsmarkt ist mehr oder weniger einigermaßen gut erfolgt. Was jetzt
kommt sind eher so die, ich sage es mal, weichen Aspekte. Vielleicht zum
einen Traumabearbeitung, Fragen von Erziehung, aber auch Fragen von
Eltern-Kind-Beziehung, Vater-Kind-Beziehung.
Das wäre etwas, was vielleicht künftige Projekte stärker adressieren
müssten. Auch dort eine andere Form von Väterlichkeit. Und wenn wir
wissen, dass beispielsweise in dem ersten Projekt die Relevanz
gewaltfreier Erziehung so ein wichtiger Aspekt ist. Und ja, wir leben
jetzt seit zwei Wochen wieder in einer Welt voller Gewalt. Also wie
wichtig das ist, sei es gewaltfreie Kommunikation in der
Eltern-Kind-Beziehung, aber sei es auch die Rolle von Erziehung,
väterlicher Erziehung, stärker zu vermitteln. Da sehe ich einen großen
Bedarf in diesen Communities, arabischsprachige, möglicherweise künftig
auch russisch-ukrainische. Also wir haben jetzt auch mit neuen
Fluchtzuwanderungen zu rechnen. Genau solche Projekte auch in der neuen
Zuwanderergruppe zu adressieren, diese Gruppen einzubinden.
Welche nachhaltigen Wirkungen sind heute, 6 Jahre nach dem Ende der Förderung, noch zu sehen bzw. zu spüren.
Empirisch kann ich das jetzt nicht beantworten, weil wir jetzt keine
Befragung gemacht haben. Aber generell ist es so, immer dort, wo
Menschen sozusagen in die Kurse selbst einbezogen sind, selbst
mitmachen, selbst aktiv sind, so etwas ist immer nachhaltiger als nur,
ich sage mal, Belehrung, als nur jetzt mit den Vätern einen Kurs zu
machen, wo sie über richtige Erziehung belehrt werden.
Wie stark das nachhaltig ist, wie weit das sozusagen durchgeführt
wird, das hängt natürlich auch von sehr vielen andern Faktoren ab. Das
sind nicht nur Aspekte des Kurses, ne? Manchmal ist es ja auch eine
veränderte Wahrnehmung, dass plötzlich sozusagen auch die
Familienkonstellation besser ist, das Kinder dadurch leichter erziehbar
werden. Und wenn sie leichter erziehbar sind, sind Effekte oft besser zu
erreichen, als wenn man immer wieder mit, ja, Windmühlen, mit
Schwierigkeiten zu kämpfen hat.
Direkt empirisch kann ich Ihnen keine Zahl jetzt nennen, wie stark
die Effekte sind. Aber zumindest aus den Gesprächen mit den Vätern
wissen wir, dass das etwas war, wo sie sich zum ersten Mal auch gefragt
fühlen, adressiert fühlen und sagen: „Okay, also wir werden als
kompetent wahrgenommen.“ Und das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger
Aspekt, dass sie in ihrer Kompetenz und nicht nur defizitär gesehen
werden.
Vatersein ist was Schönes, und wenn sie über individuelle Erfahrungen
aus der eigenen Kindheit positive Aspekte zum eigenen Vater,
Väterlichkeit anders wahrnehmen können. Also wo wir wirklich Personen,
ich sage mal, so fast zwingen, positive Aspekte zu sehen, auch wenn sie
eine schwierige Kindheit hatten, dann aber merken: „Ja, stimmt, Mensch.
Also wie kann ich das, was ich selbst als Kind positiv erfahren habe von
meinem Vater, wie kann ich das meinem Kind weitergeben?“ Also diese Art
der Reflexion ist für Väter, die vielleicht jetzt nicht akademisch,
sozialwissenschaftlich-pädagogisch geschult sind, schon was Neues.
Und da glaube ich, dass das in der Tat was nachhaltig ist. Es ist
eine Perspektivübernahme, denk mal darüber nach, also entdecke das Kind
in dir selber. Und das ist ja so etwas, was sie sonst im eigenen Alltag
so nie konfrontiert werden mit diesen Fragen. Da, glaube ich, ist eine
starke Nachhaltigkeit. Für andere, die ohnehin jetzt pädagogisch
arbeiten, ist das vielleicht Teil des Tagesgeschäftes, sozusagen
Perspektivübernahme, Rollenübernahme, sich selbst aus der Situation des
Kindes zu sehen. Aber für genau diese Väter war das schon was Novum und
war das ein Novum und hat dazu gebracht, Dinge anders zu sehen, auch aus
der Perspektive des Kindes zu sehen, ne? Also wenn man mit einem Kind
spricht, vielleicht wirklich auch runterzugehen auf Augenhöhe, im
physischen Sinne auf Augenhöhe. Und da hat es für diese Väter schon sehr
viel gebracht.
Endbericht des Projekts „Praxisforschung für nachhaltige Entwicklung interkultureller Väterarbeit in NRW“ ZfTI-Väterprojekt-Evaluation
Migrationssensible Väterarbeit ist wichtig für die Zukunft
unserer Gesellschaft. In Großstädten wie Köln oder Frankfurt haben weit mehr
als 50 Prozent der schulpflichtigen Kinder einen sogenannten Migrationshintergrund.
Die Väter dieser Kinder können einen bedeutsamen Beitrag zu ihrem guten
Aufwachsen und Bildungserfolg leisten.
Väter mit Migrationsgeschichte sind jedoch in öffentlichen
Debatten und im Alltagsleben häufig Vorurteilen, negativen Zuschreibungen und
Verallgemeinerungen ausgesetzt. Die Vielfalt ihres Lebensalltags und ihre
Potenziale, insbesondere im Hinblick auf Vaterschaft, werden genauso wenig
wahrgenommen wie ihre individuellen Ressourcen und Anpassungsleistungen. Eher
selten werden sie in Angeboten adressiert oder mitgedacht.
Ihre Perspektiven und Potentiale können zum Wohl ihrer
Kinder viel stärker einbezogen und genutzt werden. Vor diesem Hintergrund haben
sich das Hessische Ministerium für Soziales und Integration und der Verband binationaler
Familien und Partnerschaften, iaf e.V. im Rahmen eines Integrationsvertrages
unter anderem das Ziel gesetzt, gemeinsam einen Beitrag zur Entwicklung einer
migrationssensiblen, diversitätsbewussten Väterarbeit in Hessen zu leisten.
In Hessen hat sich deswegen 2020 der Fachkreis
migrationssensibler Väterarbeit in Hessen (MISEV) gegründet und führt
regelmäßig Austauschtreffen und Workshops durch. Die Arbeit des Fachkreises
orientiert sich an den Aufgabenfeldern und Bedarfen der Teilnehmenden, ermöglicht
gegenseitige Unterstützung und bezieht Erkenntnisse aktueller Väterforschung
mit ein.
Als erster Schritt wurde 2019 eine hessenweite Befragung von
Einrichtungen und Expert*innen der Väterarbeit durchgeführt, um einen Einblick
in bereits bestehende Angebote der Väterarbeit, deren Herausforderungen und
Erfolgsfaktoren zu gewinnen.
Bei dem Werkstattgespräch am 7. April wird Alexander Stathopoulos vom Verband binatinaler Familien in Frankfurt über die Erfahrungen des Arbeitskreises berichten und wir werden gemeinsam überlegen, wie wir diese für die Väterarbeit in NRW nutzen können.
Hier können Sie sich zu der Veranstaltung anmelden:
Das Schwerpunktthema der aktuellen Hebammenzeitschrift (DHZ
3-2022) lautet ‚Elternwerden aus feministischer Sicht‘. Das es dabei auch auf ‚aktive
Vaterschaft von Anfang an‘ ankommt haben Karsten Kassner, Hans-Georg Nelles,
Holger Strenz und Carsten Vonnoh in ihrem Beitrag dargelegt.
Neben einer auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen
Geburtsvorbereitung und dem Austausch mit anderen Vätern spielen passende
gesellschaftliche Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle. Dazu heißt es im
Beitrag unter anderem:
Darüber hinaus setzen familienpolitische Regelungen – aber
auch betriebliche Kontexte – den Rahmen, in dem Männer ihre Vaterschaft gestalten
können. Mit dem Elterngeld ist seit 2007 ein Weg eingeschlagen worden, der eine
»leise Revolution« nach schwedischem Vorbild einleiten sollte. Seitdem ist
einiges in Bewegung geraten, die geltende Regelung mit zwei zusätzlichen Partnermonaten
und die seit Einführung unangetastete finanzielle Ausgestaltung sind jedoch
nicht ausreichend.
Viele Arbeitgeber:innen stehen beruflichen Auszeiten von
Männern aufgrund von Sorgeverantwortung weiterhin skeptisch gegenüber. Das
zeigt aktuell auch die Diskussion um die bezahlte Vaterschaftsfreistellung nach
Geburt, also die Möglichkeit für Väter und andere zweite Elternteile, 14 Tage
nach der Geburt bei vollem Gehalt die Partnerin im Wochenbett zu unterstützen
und selbst in die neue Rolle hineinzuwachsen.
Insofern ist es sehr zu begrüßen, dass es in Deutschland mit
der geplanten Einführung einer Vaterschaftsfreistellung perspektivisch eine
solche familien- und gleichstellungspolitische Leistung als gesetzlichen Anspruch
geben wird. Die Diskussionen um entsprechende Regelungen machen die
gesellschaftlichen Normen und Erwartungen an Väter und Mütter sichtbar, die es
Vätern erschweren, sich von Anfang an gleichberechtigt zu beteiligen.
Statt zu monieren, dass Väter in der Regel lediglich die
zwei zusätzlichen Partnermonate beim Elterngeld in Anspruch nehmen, bräuchte es
viele weitere mutige Schritte und strukturelle Rahmensetzungen, um Sorgearbeit gleichberechtigter
zwischen den Geschlechtern aufzuteilen. Beispielsweise eine deutliche
Ausweitung der Partnermonate beim Elterngeld und mehr monetäre Anreize, sich
das Elterngeld gleichmäßiger aufzuteilen, etwa durch die Einführung einer
Dynamisierung, wie im 9. Familienbericht der Bundesregierung vorgeschlagen
Darüber hinaus wäre die Einführung einer Familienarbeitszeit
ein wichtiger Schritt, um eine lebenslaufbezogene Arbeitszeitpolitik zu
etablieren, die für beide Eltern Arbeitszeitreduktion oder vollzeitnahe Teilzeit
für Phasen mit erhöhter Verantwortung für Sorgearbeit vorsieht
Darüber hinaus wäre die Einführung einer Familienarbeitszeit ein wichtiger Schritt, um eine lebenslaufbezogene Arbeitszeitpolitik zu etablieren, die für beide Eltern Arbeitszeitreduktion oder vollzeitnahe Teilzeit für Phasen mit erhöhter Verantwortung für Sorgearbeit vorsieht.