Bisherige Ergebnisse der Studie fasste Frau Buschmeyer so zusammen:
Wer vorher mehr Care-Arbeit gemacht hat, macht das meist auch während der Pandemie (mit Ausnahmen)
Für Getrennt- bzw. Alleinerziehende ist die Pandemie dann besonders
herausfordernd, wenn sie kein/wenig Unterstützung durch Ex-Partner*in
oder ein größeres Netzwerk haben
Gefühl der Entschleunigung ist in der zweiten Welle der Verdichtung gewichen
Vorstellungen von Mütterlichkeit und Väterlichkeit beeinflussen die Übernahme von Care-Arbeit oder deren Auslagerung
Väterliches Engagement hat sich in der Corona-Pandemie folgendermaßen entwickelt:
Insgesamt haben (die befragten) Väter einen großen Anteil an der Care-Arbeit übernommen und ihr Engagement in der Krise erhöht
Wo Väter vorher eher abwesend waren à Mehr Engagement möglich
Wo die Väter vorher mit viel Engagement in der Familienarbeit dabei waren à In der Pandemie beibehalten
Je mehr die Väter sich einbringen (möchten) in die Care-Arbeit, desto größer die Zerrissenheit
Je größer das Netzwerk aus Betreuungspersonen, desto einfacher ist die Vereinbarkeit individuell gelöst
Wenn andere den Großteil der Betreuungsarbeit leisten, können Väter durch die neue Flexibilität mehr „unterstützen“
In der zweiten Welle hat das Engagement teilweise wieder abgenommen, die Erwerbsarbeit wird (wieder) zentraler angesehen
Auch wenn es einfacher ist, die Care-Arbeit anderen zu überlassen:
Mehr Engagement von mehr Personen ist für alle eine Erleichterung!
Handlungsempfehlungen, damit das Positive bleibt
Anerkennen, dass Sorgearbeit Arbeit ist und genauso fordert wie Erwerbsarbeit
Dienstreisen und viele Überstunden (Abendtermine) reduzieren (à Positive Aspekte der Digitalisierung nutzen)
Vorteile des Homeoffice auch für Sorgearbeit nutzen (Wäsche wäscht nebenbei, Kinder können schnell abgeholt werden etc.)
Zeit mit der Familie einplanen und gestalten (Regelmäßige gemeinsame Mahlzeiten etc.)
Absprachen unter den Eltern einfordern und beibehalten
(Priorisierung der Erwerbsarbeit vielleicht nicht nur unter finanziellen
Gesichtspunkten)
Freizeittermine (der Kinder) reduzieren
Das Netzwerk möglicher Unterstützer*innen bei der Kinderbetreuung ausbauen
Dies fasst die Aussage eines Studienteilnehmers gut zusammen:
„Na ja, vielleicht reichen drei Abendtermine ja auch und die anderen
zwei Tage setzt du dich mal in den Garten und guckst den Blumen beim
Wachsen zu. Könnte ja so für die eigene Psychohygiene auch mal ganz
hilfreich sein. Also so nochmal zu gucken, was ist eigentlich wirklich
wichtig und was brauche ich eigentlich für mich?“
Ihr aktuelles Buch hat die Bestsellerautorin Nicola Schmidt
gemeinsam mit ihrem Partner Klaus Althoff geschrieben und ist mit dem
Untertitel ‚Dein Weg zum Kind‘ versehen. Damit stapeln die beiden tief, erstens
beschreiben sie eine Vielzahl von Wegen und Möglichkeiten zum Vatersein und
zweitens beinhalten diese Pfade auch die gemeinsamen Schritte zum Eltern und
Familie werden, in welcher Konstellation auch immer, aber mit der Aussicht auf
eine gleichberechtigte und partnerschaftliche Aufteilung von bezahlten und
unbezahlten Aufgaben und Arbeiten.
Dass dieser Weg schon lange vor der Geburt anfängt,
schreiben die beiden schon im zweiten Absatz des Vorworts: ‚Wie gut sich alle
Beteiligten … schon vor der Geburt vorstellen können, eine Familie zu sein,
sagt viel darüber aus, wie es später sein wird. Es gilt also, die wichtigen
Informationen rechtzeitig zu haben, die Weichen frühzeitig zu stellen und
‚kluge‘ Entscheidungen zu treffen.
Und dafür liefern Schmidt und Althoff auf den folgenden 235
Seiten eine wahre Fülle an Ideen, Wissen, Anregungen und Erfahrungen in einem
inhaltlich und grafisch sehr ansprechenden Format.
Das Buch behandelt in drei Kapiteln Schwangerschaft, Geburt
und Wochenbett wobei die ersten 9 Monate in sieben Abschnitte aufgeteilt sind.
Der siebte beschäftigt sich unter der Überschrift ‚Cool bleiben‘ mit
Terminüberschreitung und Übertragung. Innerhalb dieser Anordnung gibt es
verschiedene inhaltliche Blöcke, die sich in jedem Abschnitt wiederholen: ‚Das
sollten Väter vorher wissen‘, ‚Wissenschaftscheck‘, ‚Übungen‘ und ‚So sieht es
aus‘. In letzterem beschreiben Klaus und/ oder Nicola ihre Ansichten zu den
zuvor behandelten Themen und geben persönliche Erfahrungen weiter.
Neben diesen großen Blöcken gibt es kleinere Merkposten, die
sich direkt an die werdenden Väter richten bzw. Erfahrungen und Fragen von
Vätern wiedergeben: ‚Was hättest du gern vorher gewusst?‘, ‚You have a new
message‘ sind Impulse aus der Perspektive des ungeborenen Kindes. Eine ‚Not to
do Liste‘ fasst die Empfehlungen der Autor*innen prägnant zusammen sowie ‚Dein
Clan‘. In dieser Rubrik werden Ansprechpartner und Vertrauenspersonen für die
Väter und deren Bedeutung benannt.
Apropos ‚Clan‘, insbesondere Klaus Althoff betont an
verschiedenen Stellen seiner Statements immer wieder die Bedeutung einer
Vätergruppe in der sich Männer über ihre Anliegen, Ängste und Hoffnungen
austauschen können. Vor und auch nach der Geburt: ‚Was aber … ganz wichtig ist,
ist der Austausch mit anderen Vätern. Wir Männer reden oft so wenig – vor allem
wenig miteinander und über die Dinge, die uns schwerfallen und belasten.‘ Er
lädt die Männer deshalb dazu ein ‚Väterbanden‘ zu bilden.
Auch an anderen Stellen greift er auf seine Erfahrungen als
Personalentwickler zurück. Der Weg zum Vatersein ist ein Change Prozess. Beim
Eltern werden geht es, vor allem im Hinblick auf die Fragen, wer macht was, zu
welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang auch um einen Teambuildingprozess bei
dem Erfahrungen aus dem Projektmanagement genutzt werden können. Diese Begriffe
werden von beiden Autor*innen situationsbezogen und praxisnah mit Inhalten
gefüllt und im Managementtraining bewährte Methoden wie der Dialogspaziergang
auf den Alltag werdender Eltern übersetzt. Sie betonen immer wieder, wie
wichtig die Entwicklung eine geteilten Vorstellung von dem Leben zu Dritt für
eine gelingende Vater-, Mutter- und Elternschaft ist.
Neben pädagogischen und biologischen Themen werden aber auch
ganz praktische insbesondere für nicht verheiratete Väter bedeutsame Dinge
angesprochen: Es ist wichtig, rechtzeitig über eine Vaterschaftsanerkennung und
gemeinsame Sorge zu sprechen und die erforderlichen Schritte rechtzeitig in die
Wege zu leiten. Das gleiche gilt für Absprachen über Aufteilung der Elternzeit.
Entgegen der lange Zeit von der Familienpolitik propagierten 12 plus 2 Regelung
betonen Schmidt und Althoff die Bedeutung der frühen Elternzeit des Vaters und
treten auch für die ‚Vaterschaftsfreistellung unmittelbar nach der Geburt ein.
Im Kapitel Geburt weisen die beiden zum einen besonders auf
die Bedeutung einer Geburtsvorbereitung für Väter hin, diese senke das Risiko
für operative Geburtseingriffe. Wohl auch, weil Väter in der Lage sind, unter
der Geburt gegebenenfalls ihre Schutzfunktion für die Partnerin wahrzunehmen.
Zum anderen thematisieren sie das Risiko einer postpartalen Depression für
Väter. Die Zahlen aus den angelsächsischen Ländern weisen eine hohe Bandbreite
auf, wohl auch, weil Väter nicht durchgehend auf diese gesundheitliche
Belastung gescannt werden. In den deutschsprachigen Ländern wird dieses
Phänomen erst allmählich wahr- und ernst genommen. Die umfassende Behandlung
des Themas in diesem Band wird dazu sicherlich auch beitragen.
Auch wenn im letzten Abschnitt das Thema Fehlgeburt aus der
Perspektive der Väter, die mit dem Thema in der Regel alleingelassen werden,
thematisiert wird, eine ganz wichtige Botschaft steckt für mich einige Seiten
davor. Es ist die Sache mit der Performanzschere. ‚Es ist nämlich so, dass
viele Väter durchaus über die notwendigen Kompetenzen verfügen, um ihre Kinder
liebevoll zu versorgen. Das Problem ist aber oft, dass sie diese Kompetenzen
nur unzureichend nutzen. … Klafft die Performanzschere erst einmal auseinander,
ist es schwierig, sie wieder zu schließen und die väterlichen Kompetenzen im
Alltag einzusetzen.‘ Auch dass ist ein Appell, von Anfang an aktiv dabei zu
sein und durch gemeinsames Tun väterliche Kompetenzen zu entwickeln und
anzuwenden.
Das Buch von Nicola Schmidt und Klaus Althoff ist für mich
nach dem 2005 ebenfalls im Gräfe und Unzer Verlag erschienen ‚Das Papa
Handbuch‘ von Robert Richter und Eberhard Schäfer ein zweiter Meilenstein, der
den Weg der Väter zu ihren Kindern nicht nur beschreibt, sondern Väter
ermutigt, diesen Weg auch zu gehen und die Rolle im Leben ihrer Kinder zu spielen,
die diese brauchen.
Einem Bericht von Pew Research aus dem Jahr 2018 zufolge bleiben in den USA mehr Männer zu Hause, um sich um ihre Familien zu kümmern. In der Vergangenheit haben wirtschaftliche Abschwünge Männer aus dem Erwerbsleben gedrängt und sie in die Rolle des Hausmannes gedrängt. „Je nachdem, wie man es misst, waren auf dem Höhepunkt der Großen Rezession vielleicht zwei Millionen Männer Väter, die zu Hause blieben“, sagt Soziologieprofessor Scott Melzer. „Und wenn wir uns heute die Pandemie ansehen, haben wir eine weitere wirtschaftliche Katastrophe.“
Aber auch die Veränderungen bei der Erwerbsbeteiligung von
Frauen und der Aufstieg von Frauen im Bildungswesen haben die
Geschlechterrollen nachhaltig beeinflusst. Im Jahr 2020 stellten Frauen zum
ersten Mal mehr als die Hälfte der US-Arbeitskräfte. „Junge Frauen überholen
jetzt die jungen Männer bei den Hochschulabschlüssen und vielen
Graduiertenabschlüssen“, sagt Kim Parker, Direktorin der Abteilung für
soziale Trends am Pew Research Center.
Fünf Väter erzählen CNBC Make It, warum sie sich berufen fühlten, einen der anspruchsvollsten Jobs der Welt zu übernehmen.
Fifty-fifty‘ in der Kinderbetreuung – das wünscht sich mehr als die Hälfte aller Väter hierzulande. In Wirklichkeit teilt sich aber nur ein Viertel von ihnen die Betreuung mit der Mutter. Warum das auch 2021 noch so ist …
David Juncke hat an dem gerade erschienen Väterreport mitgewirkt. Bei der Fachtagung der LAG Väterarbeit am 16. November wird er zentrale Ergebnisse präsentieren.
Herr Juncke, welche Botschaft verknüpfen Sie mit dem aktuellen Väterreports?
Vielen Vätern ist es heute wichtig, Zeit mit der Familie zu verbringen und die Familien- und Erwerbsarbeit mit der Mutter partnerschaftlich zu teilen. Die Umsetzung dieser Wünsche wird jedoch zum einen durch äußere Rahmenbedingungen, zum anderen durch die Haltung der Väter selbst erschwert. Die Covid-19-Pandemie stellte Familien zusätzlich vor Herausforderungen, eröffnete jedoch gleichzeitig Chancen. Prognos untersuchte im Auftrag des Bundesfamilienministeriums die Wünsche der Väter von heute, deren Umsetzungsmöglichkeiten, Chancen und Hürden. Die neue Veröffentlichung ist ein Update und knüpft an die Väterreports vergangener Jahre an.
Was sind zentrale Ergebnisse des Väterreports Update 2021?
Während der Covid-19-Pandemie kümmerten sich viele Väter um die
Bildung und Betreuung ihrer Kinder. Die Erfahrungen, die Familien,
Politik und Wirtschaft in der Pandemie gemacht haben, können in Zukunft
zu einem Treiber dafür werden, dass mehr Eltern partnerschaftlich
Familie und Beruf vereinbaren können. Der Väterreport von Prognos
untersuchte in diesem Zusammenhang, was sich Väter in Familie und Beruf
wünschen und ob sie diese Wünsche inzwischen häufiger umsetzen. Welche
Rolle spielen dabei Arbeitgeber oder betriebliche Rahmenbedingungen? Und
welche Veränderungen und Chancen brachte die Covid-19-Pandemie mit
sich? Hierzu wertete Prognos aktuelle und repräsentative Befragungen und
amtliche Datensätze aus.
Betrachtet wurden die Väter aus verschiedenen Perspektiven: in ihrer
Rolle in der Familie, im Beruf und in Zusammenhang mit der
Covid-19-Pandemie. Eine Sonderstichprobe untersuchte Väter, die heute
nicht mehr mit ihren Kindern zusammenleben. Diese Gruppe von Vätern war
in der bisherigen wissenschaftlichen Literatur unterrepräsentiert. Die
Ergebnisse zeigen, dass sich auch für diese Väter das Leitbild von
Vaterschaft verändert hat.
Kann die Pandemie auch als Chance für väterliche Engagement betrachtet werden?
Die Ergebnisse zeigen, dass Väter heute ganz andere Rollenbilder,
Erziehungsziele und -prinzipien haben als früher und sie haben auch die
Chance, diese zu verwirklichen. Viele Väter wollen sich mit den Müttern
die Familien- und Erwerbsarbeit partnerschaftlich teilen – auch nach
einer Trennung. Staatliche Leistungen wie Elterngeld und Elternzeit, die
von immer mehr Vätern genutzt werden, unterstützen partnerschaftliche
Vereinbarkeit. Auch die Unternehmen haben erkannt, dass sie ihr Angebot
betrieblicher Personalpolitik auch auf Väter ausrichten müssen, um
Vorteile bei der Mitarbeiterbindung und -gewinnung zu haben.
In der Pandemie kam es zeitweise zu einer unfreiwilligen Reduzierung der
Erwerbstätigkeit von Vätern. Über flexible Arbeitszeitmodelle,
Homeoffice und Arbeitszeitreduzierung konnte ein Teil der Väter erstmals
erproben, wie ein partnerschaftliches Familienmodell im Familienalltag
funktioniert. Auch Unternehmen zeigten sich in den Hochphasen der
Pandemie aufgeschlossen und unterstützen Familien durch eine innovative
Vereinbarkeitspolitik.
Schwangerschaft und Geburt sind auch für Väter eine große
Herausforderung. Zur Unterstützung fehlen Vorbilder und eine Gesprächskultur.
Die LAG-Väterarbeit fordert deshalb seit langem eine zweiwöchige
Vaterschaftsfreistellung nach Geburt des Kindes mit Lohnersatz als einen
wichtigen und vor allem auch geeigneten Schritt, aktive Vaterschaft zu fördern.
Um werdende Väter gezielt zu erreichen, beteiligt sich die LAG-Väterarbeit nun auch an der Erzählcafé Aktion „Respekt, Mann. Du wirst Vater!“. Die Aktion will bewirken, dass jeder Mann mit gutem Gefühl Vater werden kann. Deshalb unterstützt die Aktion Väter mit einer kostenlosen Info-Broschüre. Kurz und bündig wird auf den Punkt gebracht, was Männer beim Vaterwerden wissen sollten, auch um selbst gesund zu bleiben.
Im Väter-Erzählcafé können sich Männer mit Männern
austauschen, voneinander lernen und ihre Erlebnisse bei der Geburt verarbeiten.
Jeder kann mitmachen und ein Erzählcafé zu Schwangerschaft und Geburt
veranstalten. Initiiert und betreut wird die Erzählcafé-Aktion durch Dr. med.
Stefanie Schmid-Altringer und Lisa von Reiche. Gefördert wird die Initiative
durch Hebammen für Deutschland e.V.
Postnatale
Depressionen bei Frauen sind glücklicherweise kein Tabu mehr, auch wenn
sie vielfach immer noch als ‚Baby Blues‘ verharmlost werden. Im
deutschsprachigen Raum ist aber wenig darüber bekannt, wie die Partner
von postpartal depressiv erkrankten Müttern mit der mehrfachen Belastung
umgehen, welche die Geburt eines Kindes und die gleichzeitige
Erkrankung der Partnerin bedeutet. Abhilfe sollte eine von Marco
Schraner und Claudia Meier Magistretti von der Hochschule Luzern
durchgeführte Literaturstudie
schaffen. Ziel der vom Verein Postnatale Depression Schweiz
beauftragten Studie war es, mehr Wissen zu erarbeiten und in Erfahrung
zu bringen, wie Väter diese Situation erleben, welche
Bewältigungsstrategien sie entwickeln und welche Unterstützung ihnen
helfen könnte, ihre Partnerinnen zu unterstützen und dabei selber gesund
zu bleiben.
Die Aufmerksamkeit des medizinischen Personals ist bei der Geburt
ebenso wie bei postnatalen Depressionen vor allem auf die Mütter
gerichtet. Väter haben oft das Gefühl, nicht gehört zu werden und dass
ihre Bedürfnisse übersehen werden. In Geburtskliniken werden Frauen
selten, Männer üblicherweise nicht auf Depressionsrisiken hin
untersucht. Das Problem wird also – wenn überhaupt – erst erkannt, wenn
es auftritt. Dann allerdings, so hat sich gezeigt, fühlt sich das
Pflegepersonal oft schlecht vorbereitet im Umgang mit den Bedürfnissen
der Väter. Eine rechtzeitige Intervention könnte dagegen die psychische
Gesundheit der Väter fördern.
Interventionen des medizinischen Personals, die z.B. Väter im Umgang
mit ihren neugeborenen Babys schulen, sind dabei hilfreich: Väter fühlen
sich dadurch in ihrer Erziehungskompetenz anerkannt, das Gefühl der
wahrgenommenen Elternwirksamkeit und die Kontrollwahrnehmung der Väter
wird gestärkt. Insgesamt wirken derartige Maßnahmen damit
angstreduzierend.
Gestärkte Väter fühlen sich in der Folge vermehrt auch als Teil des
‚Elternbündnisses‘. Selbstverständlich müssen solche Interventionen auf
die jeweiligen Bedürfnisse der Väter abgestimmt sein. Dazu gehört zum
Beispiel das Überwinden der Unsicherheit, wie sie mit ihren Babys
interagieren, wie sie deren Bedürfnisse erkennen und ihnen entsprechen
können.
In der Zeit nach der Geburt eines Kindes sind Väter bzw. ihre Partner
für die Mütter generell die wichtigste Unterstützung. Andererseits
können Väter gerade nach der Geburt des ersten Kindes betreffend ihre
neue Rolle als Kinderbetreuer und Partner stark verunsichert sein. Die
Paare stehen also, wenn es um Unterstützung geht, in einer Art
gegenseitiger Abhängigkeit zu einander. So kann aus der Depression eines
Elternteils eine Abwärtsspirale für beide Partner entstehen. Eine
zweite Wechselwirkung besteht zwischen einer nicht zufriedenstellenden
Paarbeziehung und dem Auftreten einer väterlichen postnatalen
Depression.
In Anbetracht der gravierenden Auswirkungen, die eine Depression auf
das Familienleben, die Partnerschaft und das Kindeswohl haben kann,
schlagen die Autor:innen vor, Maßnahmen der Früherkennung von
depressiven Störungen nach der Geburt eines Kindes in Zukunft vermehrt
auch für Väter zu ergreifen. Dies gilt insbesondere für Paare, in denen
die Mütter von postnataler Depression betroffen sind.
Ein Gespräch mit Gunter Beetz über die Vorbereitung von Vätern auf die Geburt und was danach auf sie zukommt.
In nehme wahr, dass es in den letzten Jahren in immer mehr
Städten in Deutschland Geburtsvorbereitungskurs für werdende Väter gibt.
Bei deinem Angebot kommt das Wort Geburtsvorbereitung aber kaum vor.
Steckt irgendeine Absicht dahinter?
Für mich markiert die Geburt eines eigenen Kindes eines der
wichtigsten Lebensübergänge im Leben eines Mannes. Er übernimmt nicht
nur für sich, sondern auch für sein Kind und seine Familie
Verantwortung. Für mich greift der Begriff der Geburtsvorbereitung
deshalb zu kurz. Ich möchte werdende Väter darauf vorbereiten was auf
sie zukommt über das Wochenbett hinaus. Es soll eine Vorbereitung auf
die Vater-Rolle sein. Und deshalb nenne ich es „In das Vater-Sein
wachsen”.
Aber das Thema Geburt kommt auch vor, oder?
Ja, das ist Teil des Seminars. Gut vorbereitet zu sein auf eine
Geburt, ist sehr wichtig. Aber bei mir geht es mehr darum, dass Väter
ihren eigenen Umgang damit finden. Ich rate Vätern zum Beispiel, nicht
nur am Kopfende zu stehen. Für mich war die Geburt meines eigenen Kindes
einer der magischsten Momente in meinem Leben. Ich möchte, dass es
jeder mit sich selbst ausmacht, wie viel er sehen will oder, noch
wichtiger, dies mit der werdenden Mutter abspricht, was für sie okay
ist. Darum geht es. Eine eigene Haltung entwickeln, bei der Geburt und
darüber hinaus.
Dein Seminar heißt „In das Vater-Sein wachsen” und geht über ein ganzes Wochenende. Braucht es so viel Vorbereitung?
Frei nach dem Spruch: „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“
finde ich, dass man auch in die Vater-Rolle hereinwachsen muss. In
meinem Seminar geht es darum, einen intensiven Blick darauf zu werfen,
was man für die Rolle mitbringt. Es geht um Fragen wie: Was für ein
Vater möchte ich sein? Was wurde mir vorgelebt? Welche Vater-Rolle kenne
ich? Was davon möchte ich weiterführen, was aber auch hinter mir
lassen? Die Beantwortung dieser Fragen hilft dabei, eine Haltung zu
entwickeln. Und diese Haltung ist wichtig, um in der Partnerschaft ein
Gegenüber zu sein. Und deswegen ist es so intensiv. Es hilft dabei,
nicht direkt in alte Rollenmuster zu verfallen, sondern ein
gleichwertiges Gegenüber zu sein.
Was unterscheidet deinen Kurs von anderen? Was ist das Besondere daran?
Wir verbringen vier Tage in der Natur und leben autark in einem
Waldstück bei Münster. Durch unterschiedliche Natur-Übungen lernen wir
uns selbst und unsere eigene Geschichte kennen. Alles zum Thema
Vaterschaft. Der Fokus liegt dabei auf unterschiedlichen, menschlichen
Qualitäten. Diese zu entwickeln oder zu erforschen, ist ein wichtiger
Punkt. Wir entwickeln eine Art eigene innere Landkarte oder
intrinsisches Orientierungs-Modell. Und dieses Modell hilft dabei, die
unterschiedlichen Vater-Rollen oder unterschiedlichen Qualitäten in sich
wahrzunehmen. Bin ich eher ein intuitiver Vater oder eher ein
strukturierter? Zweifle ich viel oder habe ich ein gesundes Urvertrauen
für diesen Schritt? Wir vergessen häufig, dass wir diese Vater-Rollen
oder Qualitäten alle in uns haben und dass wir auch die Wahl haben, was
für ein Vater wir sein möchten. Was auch sehr spannend und besonders
ist, ist, dass jeder Teilnehmer im Laufe des Prozesses eine Nacht allein
im Wald unter einem Plane verbringt mit Iso-Matte und Schlafsack. Alles
andere lässt man weg. Wer bin ich dann, wenn ich alles weglasse? Diese
Erfahrung, ein Teil der Natur zu sein, das macht etwas mit den
Teilnehmern.
Der Wald spielt also eine wichtige Rolle, oder? Man könnte
das ja auch im Kloster machen, da gibt es auch karg eingerichtete Räume.
Ja, man könnte das auch im Kloster machen. Was für mich auch wichtig
ist, ist, dass wir uns als Teil der Natur verstehen und auch von der
Natur lernen. Es berichten viele Teilnehmer, dass das etwas mit ihnen
gemacht hat, um auch den Geburtsvorgang oder diesen auch als natürlichen
Prozess zu verstehen. Dafür ist die Natur wichtig. Ja.
In deiner Ausschreibung taucht auch der Begriff „transformative Bildung” auf. Was muss ich mir darunter vorstellen?
Transformative Bildung bedeutet, dass wir uns erst einmal selbst
besser kennenlernen. Es geht um die Auseinandersetzung mit den erlernten
Denk-, Fühl- und Handlungsmustern. Wir schauen darauf, was wir für
gewohnte Bewertungen haben oder was uns gesellschaftliche Leitbilder an
Normen und Werten vorgeben. Das hilft dann dabei, ein anderes
Ich-Verständnis zu bekommen, eine Haltung zu entwickeln. Mit dieser
Haltung kann ich dann ein anderes Weltbild vertreten oder mit der Welt
anders in Kontakt treten. In dem Falle mit meiner Partnerin.
Zunächst möchte ich, denke ich, mit meinem Kind in Kontakt
treten unmittelbar nach der Geburt. Das mit der Welt hört sich ein
bisschen spirituell an.
Spirituell ist immer ein schwieriger Begriff. Natur zu erleben hat
etwas Spirituelles, finde ich. Je klarer ich mir meiner Rolle bin oder
dessen, was ich für eine Vater-Rolle einnehmen will, desto besser kann
ich auch mit meinem Kind in Verbindung treten. Und das ist genau das.
Klar, nach der Geburt nimmt man sein Kind einmal auf die Brust. Man
versucht da zu sein, man versucht für die Frau da zu sein. Mir geht es
mehr darum, was man langfristig möchte. Was möchte ich dem Kind bieten?
Ich habe immer eine Leitfrage: Was möchte ich, was mein Kind in 25
Jahren über mich erzählt über meine Vater-Rolle oder wie ich als Vater
war? Das finde ich ein schönes Leitbild, um danach zu gehen und sich
danach zu orientieren.
Nochmal zusammengefasst: Warum ist deiner Meinung nach eine intensive Vorbereitung auf die anstehende Vaterschaft so wichtig?
Was ich, als Vater von zwei Töchtern, gemerkt habe, war, dass wir in
diesem ersten Jahr gar keine Zeit hatten, uns so intensiv damit
auseinanderzusetzen. Das Kind ist dann da. Da gibt es andere
Bedürfnisse. Und deswegen macht eine intensive Vorbereitung sehr viel
Sinn. Im Gegensatz zu den werdenden Müttern. Die werdenden Mütter haben
einen gewissen Vorteil in Anführungsstrichen, da sie sich neun Monate
auf diese Geburt vorbereiten können. Körperlich, seelisch und geistig
bereiten sie sich auf den Übergang in das Mutter-Sein vor. Für uns Väter
ist das ein bisschen komplizierter. Für uns ist die Schwangerschaft
häufig etwas Surreales. Wir werden erst bei der Geburt richtig Vater.
Viele Hebammen haben mir erzählt, dass sie bei der Geburt immer auch in
das Gesicht des Vaters gucken, weil sie dann merken: „Okay, jetzt ist er
Papa geworden.“ Dann kommt aber das Problem im ersten Jahr, was ich
eben beschrieben habe, dass es wenig Zeit gibt, sich mit den
Veränderungen auseinanderzusetzen. Auch die Mütter sind häufig, ich sage
einmal, mit dem Kopf woanders. Einmal völlig wertfrei. Mit dieser
intensiven Auseinandersetzung haben wir die Möglichkeit eine eigene
Haltung, eine eigene Rolle zu vertreten und dann Kompromisse einzugehen.
Wenn man das nicht tut, reagiert man oft und agiert nicht.
Du hast jetzt gerade auch von den Müttern gesprochen, die
sich aufgrund der körperlichen, biologischen Vorgänge ganz anders darauf
vorbereiten können. Haben die Mütter auch etwas von dieser
Vorbereitung, die du speziell für die Väter anbietest?
Ich rege die werdenden Väter dazu an, mit ihren Partnerinnen zu
sprechen. Was hat die Partnerin für ein Vaterbild? Was gibt es für
Erwartungen an die Vaterschaft? Die Auseinandersetzung hilft beiden, um
sich mit den neuen Rollen gut zu identifizieren. Da werden auch die
Weichen gestellt für die spätere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Was stellen sich die beiden eigentlich vor? Wie soll das Ganze laufen?
Diese Auseinandersetzung schon vor der Geburt zu führen oder zu haben,
hilft für die spätere Partnerschaft.
Ja, das finde ich ein ganz wichtiges Stichwort.
Partnerschaftlichkeit. Viele Umfragen deuten seit mehr als 20 Jahren
darauf hin, dass sich junge Frauen und Männer die Vorstellung haben die
Erwerbsarbeit und die Familienarbeit partnerschaftlich aufzuteilen. Das
ist ein Vorhaben, das sie haben. Da gibt es diese Karikatur, auf der das
moderne Paar in den Kreißsaal hereingeht und als seine Großeltern mit
den traditionellen Vorstellungen und Lebensweisen wieder herauskommt.
Bist du der Überzeugung, dass das Angebot, das du da machst, ein Stück
weit dazu beiträgt, dass die Konzepte, die in den Köpfen sind,
Wirklichkeit werden können?
Ich bin der festen Überzeugung, dass das dabei helfen kann. Natürlich
ist es Arbeit, nicht in alte Rollenmuster zu verfallen. Wir leben das,
was wir von unseren Eltern beigebracht bekommen haben, oft nach und da
braucht es genau diese bewusste Auseinandersetzung, um dagegen zu
steuern oder um von vornherein transparent damit umzugehen, was man für
Wünsche an die Vaterschaft, an die Rolle hat. Was mag man, was mag man
nicht? Dieser ganze Mental Load. Um was kümmere ich mich, um was kümmere
ich mich nicht? Was möchte ich machen? Das hilft schon. Ich bin der
festen Überzeugung, dass diese Auseinandersetzung Paaren hilft.
Du hast zu Beginn gesagt, dass dein Kurs nicht
Geburtsvorbereitungs-Kurs heißt, weil die Inhalte, die Themen und die
Bedeutung weit über den eigentlichen Geburtsvorgang hinausgehen. Wäre es
nicht konsequent in Bezug zu dem Thema Partnerschaftlichkeit und
Verwirklichung der Vorstellungen ein Follow-Up zu machen? Also dass die
Väter nach sechs Wochen oder nach sechs Monaten noch einmal eingeladen
werden und man schaut: „In der Zeit als wir uns im Wald getroffen haben,
hattet ihr die und die Vorstellung.“ Das kann man ja auch schriftlich
festhalten. Und dass man dann schaut: „Was ist daraus Wirklichkeit
geworden und was braucht es, um da nachzusteuern?“
Wenn sich da etwas ergibt, bin ich offen dafür. Ich weiß nur aus
eigener Erfahrung, in den ersten Monaten hätte ich da meiner Frau
gesagt: „Ich bin dann nochmal für ein Wochenende weg“, ich weiß nicht,
ob das nicht doch … Man hat wenig Zeit. Das ist das Problem. Vielleicht
ist so etwas online heutzutage einfacher möglich. Da bin ich offen für,
ja. Das ist eine gute Idee.
Vielen Dank für das Gespräch
Informationen über die Arbeit von Gunter Beetz finden Sie hier.
Birk Grüling, Autor von ‚Eltern
als Team – Ideen eines Vaters für gelebte Vereinbarkeit‘ im Gespräch mit der
LAG Väterarbeit in NRW
Was war der Anlass für dich,
den Ratgeber zu schreiben?
Sowohl privat als auch als Journalist habe
ich mich in den letzten Jahren sehr viel mit dem Thema Vereinbarkeit
auseinandergesetzt und damit auch mit der Frage, wie ich eigentlich arbeiten
und wie viel Zeit ich für die Familie haben will. Ein ganz wichtiger Moment in
diesem Zusammenhang war der Tod meines eigenen Vaters in der Schwangerschaft
meiner Frau. Das hat mich sehr zum Grübeln gebracht. Mein Vater hat immer viel
gearbeitet und wenig auf seine Gesundheit geachtet, am Ende hat er dadurch
seinen Enkel verpasst. Und als Journalist habe ich das Privileg, meinen eigenen
Fragen auch noch beruflich nachzugehen. So entstanden aus der privaten Suche
nach meiner eigenen Vater-Rolle viele Texte und irgendwann dieses Buch. In dem
Buch erzähle ich aber nicht nur von mir, sondern stelle Menschen und ihre
tollen Ideen zu den ganz verschiedenen Aspekten von Vereinbarkeit vor. Ein
Patent-Rezept entsteht daraus zwar nicht, aber viele spannende Impulse wie ich
finde.
Zu Beginn des Buchs schreibst
du „Vereinbarkeit ist nicht unmöglich“. Mir kommen da zwei Titel, vor 6 Jahren
auch von Journalist:innen geschrieben, in den Kopf. Nämlich: „Geht alles gar
nicht“ von Marc Brost und Heinrich Wefing und „Die Alles ist möglich-Lüge:
Wieso Familie und Beruf nicht zu vereinbaren sind“ von Susanne Garsoffky und
Britta Sembach. Was entgegnest du Ihnen aus heutiger Perspektive?
Ich habe beide Bücher nicht
gelesen und kann zu ihnen auch wenig sagen. Allerdings bin ich ein großer Fan
von konstruktivem Journalismus. Also Probleme benennen und Lösungen suchen,
statt einfach nur zu jammern und die Flinte in Korn zu werfen. Und ja, es gibt
sehr viele Probleme – von fehlenden Betreuungsplätzen bis zu alles anderes als
familienfreundlichen Arbeitsmodellen. Aber das bedeutet doch nicht, dass ich das
Thema Vereinbarkeit für mich abharken und alles so mache wie unsere
Eltern-Generation. Es muss doch etwas zwischen Hausmann und 60 Stunden Wochen
Karrieremann geben.
Eine große Rolle spielt für dich die Vorbereitung auf das
Elternsein. Du sprichst da von der Entwicklung einer „Familienvision“. Wie
können sich Väter auf das Vatersein vorbereiten und auf welche „Rolemodels“ und
Unterstützung können sie dabei zurückgreifen?
Ich glaube, der wichtigste
Schritt ist die bewusste Auseinandersetzung mit den wichtigen Fragen der
Vaterrolle. Also sehe ich mich eher als Ernährer und „Wochenendpapa“ oder will
ich wirklich in Teilzeit arbeiten und kann ich mir dabei sogar vorstellen auf
bestimmte Symbole zu verzichten. Ich habe das Gefühl, dass selbst vorher
gleichberechtigte Paare ganz schnell in „traditionelle“ Rollenbilder
abrutschen, einfach weil sie diese nie richtig hinterfragt haben. Und daraus
entstehen oft Konflikte. Im Babykurs meiner Frau beschwerten sich zum Beispiel unzählige
Mütter darüber, dass ihre Männer doch gar nicht so engagierte Papas waren, wie
der Generation der „Neuen Väter“ gemeinhin nachgesagt wird. Und ich kann sagen:
Konflikte über unausgesprochene Erwartungen klärt man lieber im Vorfeld, als
völlig übermüdet und genervt mit zahnendem Baby auf dem Arm. Deshalb würde ich
jedem raten, sich mit seiner zukünftigen Rolle auszusetzen und ruhig mal mit
anderen Vätern und natürlich mit der eigenen Partnerin darüber zu sprechen. Und
wenn ich die Rolemodels vielleicht nicht im eigenen Freundeskreis findet, kann
ich sie mir im Internet suchen und mit ihnen in Kontakt treten.
Im Zusammenhang mit der
Elternzeit schreibst du: „Noch nie standen die Chancen besser, mit alten Werten
zu brechen, der Last des alleinigen Ernährers zu entfliehen und die eigene
Vaterrolle neu und anders zu gestalten.“ Die Elternzeit gibt es ja schon seit
14 Jahren, woher rührt dein Optimismus?
Ist das wirklich optimistisch? Im
Vergleich zu allen Väter-Generationen vor uns haben wir fürstliche Möglichkeiten.
Gleichzeitig nutzen wir sie nicht genug und rutschen immer noch viel zu oft in
Rollenbilder aus den 50er Jahren. Deshalb muss es noch mehr Druck zur
Gleichberechtigung geben – zum Beispiel könnten Mütter und Väter, die
gleichberechtigt in Elternzeit gehen, mehr Geld bekommen oder sogar eine
„Pflicht“ zur Gleichberechtigung eingeführt werden, jedenfalls wenn man
Elterngeld bekommen möchte. Ich bin also eher enttäuscht darüber, dass wir
Eltern immer noch zu wenig aus den Chancen machen, bin aber froh, dass es sie überhaupt
gibt – auch wenn bei ihnen durchaus Nachholbedarf besteht.
Welche Rolle spielen dabei die letzten 14 Monate mit
Corona?
Corona ist ein komplexes Thema –
einerseits haben wir gespürt, dass zuhause arbeiten deutlich besser
funktioniert und daraus könnte eine deutlich rasantere Flexibilisierung der
Arbeitswelt entstehen. Auch manche Väter haben sich nun stärker in die
Care-Arbeit eingebracht und damit einen Wertewandel durchlaufen. Andererseits
hat die Pandemie auch gezeigt, wie groß die Probleme in diesem Land sind – zum
Beispiel, dass die Belange von Familie politisch nichts wert sind oder das auch
Bildung keine so große Rolle spielte wie die Belange von Industrie und
Wirtschaft. Und wir haben erlebt, dass am Ende in vielen Familien die Mütter
die Last der Pandemie tragen und die Väter selbst im Homeoffice gut auf
Tauchstation gehen können. Am Ende sehe
ich die Pandemie aber durchaus als Chance für Veränderungen. Jedenfalls kann
man jetzt die Probleme und die Versäumnisse nicht mehr klein oder schön reden.
Ein Thema, das sich wie ein roter
Faden durch das Buch zieht, ist die Erwerbsarbeitszeit bzw. die „30 Stunden
Woche“ als neue Vollzeit. Warum ist die Möglichkeit einer Reduzierung der
Erwerbsarbeitszeit für Väter so wichtig?
Ich hole mal
etwas theoretisch aus. Forscher der Oxford University kamen in einer Studie zum
Schluss, dass in den USA 47 Prozent aller Arbeitsplätze in den nächsten ein bis
zwei Jahrzehnten bedroht sind. In
Deutschland sieht es ähnlich aus. Wir müssen uns also schon heute Gedanken
machen, wie wir bald weniger vorhandene Arbeit besser verteilen können. Und ich
halte dabei die 30 Stunden Woche für ein tolles Modell. Die Zeit reicht aus, um
Arbeit zu gestalten und auch „Karriere“ zu machen. Auf der anderen Seite bleibt
so deutlich mehr Platz für die Familie oder das Privatleben. Außerdem ließe
sich die Arbeit besser und gerechter verteilen. Dadurch das auch sehr
hochqualifizierte Mütter oft nur geringen Umfang arbeiten, geht Unternehmen
viel Wissen und Knowhow verloren. Kurzum: Die 30-Stunden Woche wäre geeignet,
um die „Work-Life-Balance“ zu verbessern und mehr Gleichberechtigung zu
schaffen. Allerdings darf das nicht eine Akademiker-Geschichte bleiben. Auch in
der Pflege oder im Einzelhandel muss eine 30 Stunden Woche so gut bezahlt sein,
dass ich davon meinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Und davon sind wir
leider oft noch etwas entfernt.
Der Begriff des „Mental Load“
wird ja im Kontext von partnerschaftlicher Arbeitsteilung von vielen angeführt.
Du schreibst in dem Abschnitt „Wir müssen über Geld reden“ von einem „Financial
Load“, sind das zwei Seiten einer Medaille?
Ich glaube, 1 zu 1 übertragbar
sind die beiden Dinge nicht. Aber die (fast) alleinige Last des
Familienernährers ist für mich ein wichtiges Thema, über das zu wenig
besprochen wird. Dieses Modell ist nämlich immens gefährlich und sehr
belastend. Dem Alleinernährer darf nichts passieren, von seinem Gehalt lebt die
Familie. Kommt es doch zu einem Unfall oder einer schweren Erkrankung, wird es
richtig schwer für die Familie – nicht nur emotional, sondern auch finanziell.
Von den negativen Auswirkungen auf die Rentenansprüche der Frau ganz zu
schweigen – Kinder groß zu ziehen, ist ein großes Armutsrisiko im Alter.
Deshalb müssen wir dringend auch die „Last“ der Erwerbsarbeit besser verteilen
und dazu gehört auch die Überwindung des Gender Pay Gaps. Und wir Väter
gewinnen dabei nur: Wir müssen weniger arbeiten, müssen uns weniger Sorgen
machen, ob das Gehalt für alle wohl reicht und haben noch mehr Zeit für die
Kinder. Achja, Paare, die gleichberechtigt arbeiten, haben auch noch ein
deutlich höheres Familieneinkommen als Alleinernährer.
„Vereinbarkeit ist kein Sprint
sondern ein Marathon“ steht auf einer der letzten Seiten deines Buchs. Was
müssen Väter in jedem Fall beachten, damit sie die „Strecke“ durchhalten?
Familienleben ist hoch dynamisch.
Ständig tauchen neue Herausforderungen auf. Geschwister werden geboren,
Arbeitszeiten verändern sich, die Schulzeit beginnt, auch unvorhersehbare Dinge
wie Krankheiten bringen alte Routinen durcheinander. Deshalb muss ich auch in
Sachen Vereinbarkeit ständig nachjustieren und immer wieder neue Wege und
Lösungen suchen. Denn alles was gestern noch reibungslos klappte, kann morgen
schon völlig unpassend sein. Deshalb ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben und
sich auch als Eltern-Team regelmäßig zu fragen, ob die vor zwei Monaten oder
zwei Jahren getroffenen Entscheidungen noch heute passen oder ob gegengesteuert
werden muss. Das ist glaube ich das wichtigste Rezept beim Durchhalten. Am Ende
müssen einfach alle Beteiligten zufrieden sein.
Das ist der Titel des ‚konstruktiven Buches‘ von Birk
Grüling, Jahrgang 1985 und selbst Vater eines Sohnes. Konstruktiv in dem Sinne,
dass er Vereinbarkeit für möglich hält und sich vor dem Hintergrund der eigenen
Erfahrungen selbstkritisch mit den Möglichkeiten und Hindernissen
auseinandersetzt. Diese subjektive Perspektive wird ergänzt durch die
Perspektive von 16 Praktiker:innen, Coaches, Therapeut:innen, Trainer:innen und
Personalverantwortlichen sowie zahlreichen Vätern und Müttern, die ihr Ringen
um eine gemeinsame Lösung beschreiben.
„Eltern als Team“, das ist die Übersetzung des seit langem geäußerten
Wunschs junger Mütter und Väter nach einer partnerschaftlichen Aufteilung von
bezahlter Erwerbsarbeit und unbezahlter Familien- bzw. Care-Arbeit.
Vereinbarkeit geht nur gemeinsam, wenn überhaupt.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass sich ebenfalls
Journalist:innen, Marc Brost und Heinrich Wefing mit „Geht alles gar nicht“ und
Susanne Garsoffky und Britta Sembach mit „Die Alles ist möglich-Lüge: Wieso
Familie und Beruf nicht zu vereinbaren sind“ ganz anders positioniert haben.
Aber auch Grüling macht an dieser Stelle keine falschen
Versprechungen. Vereinbarkeit ist kein Sprint, den Mann oder Frau mal eben
abläuft, sondern ein Marathon, der den permanenten Austausch zwischen Vater und
Mutter erfordert. Und damit beginnen die werdenden Eltern am besten vor der
Geburt.
Damit meint der Autor nicht nur die ‚Geburtsvorbereitung und
den „Nestbau“, er skizziert quasi als Vorbereitung auf die Vereinbarkeit für
eine gemeinsame ‚Familienvision‘ die natürlich voraussetzt, dass auch der
werdende Vater eine Vorstellung davon entwickelt, welcher Vater er sein möchte.
Wie dieser Visionsentwicklungsprozess aussehen kann, beschreibt er sehr
anschaulich. „Die erste Frage für dich wäre also: Welches Bild von mir als
Vater … habe ich selbst?“ und dabei geht es natürlich auch um die
Auseinandersetzung mit den Erfahrungen mit dem eigenen Vater bzw. der eigenen Mutter.
Die Hinweise und Fragestellungen die Grüling an dieser, aber
auch an vielen anderen Stellen formuliert, sind ein passendes Angebot und
verleiten wirklich dazu, sich auf die entsprechenden Situationen und
Herausforderungen einzulassen und im Anschluss daran, das Gespräch mit der
Partnerin zu suchen.
Apropos Partnerschaft, dass es nicht nur um eine möglichst
optimale und gleichberechtigte Aufgabenteilung geht, sondern um die Pflege
einer Beziehung und die Selbstsorge, macht er in einem eigenen Abschnitt
deutlich. Wie wichtig dies ist, macht das Zitat zu Beginn dieses Abschnitts
deutlich, dass Jeder und Jede kennt, die schon einmal geflogen ist: „Im
unwahrscheinlichsten Fall eines Druckverlusts falle automatisch
Sauerstoffmasken aus der Kabinendecke … Atmen Sie normal weiter. Helfen Sie
danach Kindern und hilfsbedürftigen Menschen.“ Nur in dieser Reihenfolge
gelingen Beziehungen, Vereinbarkeit und Erziehung von Kindern.
Weitere Themen sind Elternzeit, Bedeutung und Auswahl von
Kinderbetreuungseinrichtungen und die Routine, die sich irgendwann einstellt.
Grüling spricht in diesem Zusammenhang auch von den „Drei Säulen der
Vereinbarkeit“ und macht deutlich, dass sich zwar jedes werdende und gewordene
Elternpaar für ihren Weg entscheidet, dass die Gestaltung der Rahmenbedingungen
keineswegs nur Privatsache ist.
Diese eröffnen Möglichkeiten oder engen sie ein. Das fängt
bei Regelungen im Steuer- und Sozialversicherungsrecht an, geht über die
Kinderbetreuung und hört bei Regelungen zur Arbeitszeit noch lange nicht auf.
Die „30 Stunden Woche“ taucht an vielen Stellen als Option auf und es wird
deutlich, dass diese in der Lebensphase mit kleinen Kindern, der Weg sein kann,
„Mental- und Financial Load“ gerecht zu verteilen und Väter und Mütter in die
Lage zu versetzen, als Team zu agieren.
„Noch nie standen die Chancen besser, mit alten Werten zu
brechen, der Last des alleinigen Ernährers zu entfliehen und die eigene
Vaterrolle neu und anders zu gestalten.“ Lautet eine der Kernaussagen des
Buchs, dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die Familien
in den vergangenen 14 Monaten gemacht haben. Der Ratgeber von Birk Grüling ist
bestens dazu geeignet, die richtigen Lehren aus dieser Zeit zu ziehen und sich
als werdende oder gewordene Väter und Mütter mit der eigenen Zukunft als Eltern
und Paar auseinanderzusetzen.