Die Lust auf Kinder geht verloren
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Montag 17. Dezember 2012
Wieso werden in Deutschland immer weniger Kinder geboren und warum hat das Land im globalen Vergleich einen der höchsten Anteile dauerhaft kinderloser Frauen? Warum werden Frauen zunehmend erst in höherem Alter Mutter? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der neuen Broschüre des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), die die spezifisch deutsche Situation der Geburtenentwicklung differenziert analysiert.
Es wird davon ausgegangen, dass die Ursachen für diese Entwicklung vielschichtig sind und sich nicht auf einen Bereich wie zum Beispiel die ökonomische Situation reduzieren lassen. Die Analysen zeigen vielmehr, dass sozialen und kulturellen Faktoren besondere Bedeutung beizumessen ist.
Die Broschüre beschreibt die aktuelle Situation und die Trends der Geburtenentwicklung mit speziellem Blick auf die unterschiedlichen Tendenzen in Ost- und Westdeutschland. Zum besseren Verständnis der Geburtenrate wird zudem der Zusammenhang von Lebensform und generativem Verhalten in die Analysen einbezogen.
Besonders interessant sind die Abschnitte zu den Vorstellungen von einem Leben mit Kindern und den Erwartungen an die Mutter- bzw. Vaterrolle. ‚Menschen [bleiben] wahrscheinlich dann häufiger kinderlos, wenn sie erwarten, dass sich ihre spezifischen Vorstellungen von Elternschaft nicht realisieren lassen werden. Eine widersprüchliche Kombination aus Ideal und Lebenswirklichkeit ist in dem Fall ausschlaggebend.‘ Zu den widersprüchlichen Idealisierungen gehören vor allem die Erwartungen an die Mütter. ‚Nicht nur die de facto fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen sind demnach dafür verantwortlich, dass sich Frauen vor allem im Westen zwischen Erwerbstätigkeit und Mutterschaft entscheiden müssen, sondern auch ihre eigene Vorstellung, dass sie als Mutter die Betreuung ihres Kindes niemandem guten Gewissens delegieren können.‘ Und das hat Konsequenzen für die Väter.
‚Die Idee einer Familie mit einer nicht erwerbstätigen Mutter impliziert gleichzeitig eine bestimmte Rolle des Vaters, nämlich die des Familienernährers. Deshalb wird die Erwerbstätigkeit von Vätern keineswegs in vergleichbarer Weise als problematisch eingestuft. Eher wird erwartet, dass sie Vollzeit erwerbstätig sind, und entsprechend akzeptiert, dass sie sich weniger um die Kinder kümmern können. Dieses Familienbild wirkt bis hin zu der Frage, ob Väter im Allgemeinen genauso geeignet seien wie Mütter, sich um ihre Kinder zu kümmern.
Hier ist die Zustimmung in Deutschland zwar auf den ersten Blick mit einem Anteil von fast drei Viertel (73 %) hoch. Der internationale Vergleich offenbart aber, dass die Deutschen den Vätern weniger zutrauen als z.B. die Franzosen (89 %) oder die Belgier (82 %) – beides Länder, in denen auch erwerbstätige Mütter gesellschaftlich stärker akzeptiert sind. Die Verbindung von Kind und Karriere ist in Deutschland, vor allem in Westdeutschland, also nicht nur praktisch, sondern auch normativ schwierig, da eine Erwerbstätigkeit der Mutter mit einer Verminderung des Kindeswohls bei Kleinkindern gleichgesetzt wird und gleichzeitig Vätern nicht die gleiche Fähigkeit zur Kindererziehung zugetraut wird wie Müttern.‘
Montag 17. Dezember 2012 um 12:05
Vielleicht fühlen sich die Menschen, die das berifft ja auch, als kaufe man ihnen die Freiheit ab, das tatsächlich zu entscheiden. #Faust
Dienstag 18. Dezember 2012 um 14:13
Auf dRadio Wissen hat Hans Bertram (Soziologe an der Humboldt-Universität Berlin) interessante Rückschlüsse zum Lebenslauf von Menschen gezogen. Siehe hierzu auch: http://nirakblog.wordpress.com/2012/12/18/phasen-im-lebenslauf-familienpolitik-muss-sich-andern/