Kerle, Männlichkeit, Krise?
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Samstag 31. Mai 2008
Wann ist der Mann ein Mann? fragte Grönemeyer schon 1984, da war von Krise und neuen Vätern hierzulande noch keine Rede. Veränderung war allerdings schon immer und häufig war Druck von außen mit im Spiel.
Zum Beispiel die Emanzipationsbestrebungen der Frauen, die das Selbstbild der Männer in Frage stellten, aber auch die Wettbewerbe der Männer untereinander, der das ‚vorherrschende’ Männerbild veränderten.
„Männlichkeit wird gesellschaftlich marginalisiert“, zitiert Elke Kimmel den Berliner Medienforscher Norbert Bolz im Tagesspiegel Beitrag ‚Kerle in der Krise’. Nur in wenigen geschützten Bereichen wie dem Sport dürfe sie sich unverhüllt zeigen. Ansonsten sei die Gesellschaft von der Krippe bis zum Altersheim durchweg von weiblichen Werten bestimmt.
Die Kulturwissenschaften haben aber längst nachgewiesen, dass es sich um historisch wandelbare Konzepte und nicht, wie von Bolz unterstellt, unveränderliche Kategorien handelt: „Was männlich und was weiblich ist, wird je nach Ort und Zeit unterschiedlich gesehen“, sagt Alexandra Karentzos, Kulturwissenschaftlerin an der Uni Trier.
Eike Wenzel, Autor der jüngst veröffentlichten Männerstudie des Zukunftsinstituts bläst ebenfalls in Bolz’sche Horn: Heute würden „männliche Tugenden“ wie Abenteuerlust weitgehend negativ eingeschätzt. Schon im Kindergarten würden die Stärken der Jungen nicht hinreichend berücksichtigt.
Karentzos weist solche Zuordnung von Charaktereigenschaften zu den Geschlechtern zurück: „Im Sinne heutiger Geschlechterforschung verfestigen sich Eigenschaften der Geschlechter erst dadurch, dass sie ihnen immer wieder zugeschrieben werden: Wenn Jungen wild sein müssen, um Jungen zu sein, stellt diese Setzung erst die Männlichkeit her. Wilde Mädchen passen dagegen nicht ins Schema.“ Für sie liegt das Problem eher in einem Erziehungswesen, das auf die Vielheit der Geschlechter keine Rücksicht nimmt.
Und die Krise? Die trifft vor allem die, die an Überkommenem, häufig aus subjektiv empfundenen Mangel an Alternativen, festhalten und die auch nicht bereit sind, Veränderungen als Chance und Erweiterung der Handlungsoptionen zu sehen.
In der Regel sind Krisen aber ein Katalysator für Veränderungen, also kein Grund zur Panik.
Samstag 31. Mai 2008 um 17:54
Ich kann Ihnen da nur zustimmen. Ich kämpfe gegen diese Frauenartikel, die den Mann zum spülenden Weichei degradieren auch an, aber Emanzipation wird leider derzeit so verstanden, dass Männer sich an Fraueneigenschaften anpassen sollen, statt das beide Geschlechter sich ihrer eigenen Stärken bewußt werden. Sehr schade.
Viele Grüße aus dem Feindeslager 🙂
Montag 2. Juni 2008 um 10:31
„Heute würden „männliche Tugenden“ wie Abenteuerlust weitgehend negativ eingeschätzt“.
Kinder finden „Wilde Kerle 1-n“ cool. Im ganzen Land etablieren sich Kletterparks, Paintball-Hallen etc., Abenteuerurlaube stehen hoch im Kurs und seit Herr Depp ein Kopftuch trägt, sind menschenraubende, vergewaltigende und mordende Piraten voll im Trend. Ich kann den Ausführungen von Bolz & Co. nicht ganz folgen.
Männlichkeit wird marginalisiert, ja. Aber nur von Feministinnen, die über ihr Ziel hinausschießen. Oder hab‘ ich da was falsch verstanden?
Dienstag 8. Juli 2008 um 06:15
… ich finde: wenn wir von den „was ist männlich / weiblich“ Diskussionen verabschieden würden und uns auf den Begriff Geschlechterdemokratie als Zielvorstellung einigen könnten, wären wir einen Schritt weiter … ganz nett: http://genderdemocracy.blogspot.com .
LG Andreas G.