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Neuer Streit um die Wechseljahre beim Mann

Erstellt von Hans-Georg Nelles am Dienstag 4. Dezember 2007

Für die einen sind die „männlichen Wechseljahre“ eine der wichtigsten medizinischen Entdeckungen der vergangenen zehn Jahre. Für die anderen sind sie nichts weiter als eine Erfindung der Pharmaindustrie, die blendende Geschäfte verspricht.

Hans-Georg Hofer, Medizinhistoriker der Universität Bonn hat die Wurzeln der seit langem kontrovers geführten Diskussion untersucht. Der Artikel „Medizin, Altern, Männlichkeit“ ist im Medizinhistorischen Journal erschienen.

Wer die Diskussion verfolgt, die seit Mitte der 1990er Jahre um die „männlichen Wechseljahre“ entbrannt ist, könnte meinen, er leide unter einem Déjà-vu: Schon 1910 schrieb der Berliner Nervenarzt Kurt Mendel einen Aufsatz über das „Climacterium virile“, das er allerdings als „Nervenleiden“ ansah. In den Jahren danach machten viele Forscher die von den Keimdrüsen erzeugten „inneren Sekrete“ als Übeltäter aus, die im Alter nicht mehr reichhaltig genug gebildet würden. „Ein Mann ist so alt wie seine Keimdrüsen“, spitzte der Wiener Physiologe Eugen Steinach diese Meinung zu. Der Mann als Marionette seiner Hormone – diese rein mechanistische Denkweise findet sich auch in der aktuellen Debatte.

„Allerdings gab es schon damals an der Idee der ‚männlichen Wechseljahre‘ viel Kritik“, betont der Bonner Medizinhistoriker Hofer. „So fehlte es manchen Ärzten an einer trennscharfen Definition des angeblichen Krankheitsbildes – auch das ein Kritikpunkt, der heute noch häufig vorgetragen wird.“

Dessen ungeachtet brachte die Gesellschaft für chemische Industrie in Basel (CIBA) 1931 mit Androstin ein Antiklimakterium-Präparat für den Mann auf den Markt; Schering folgte 1932 mit Proviron. „Sonderlich erfolgreich waren beide Medikamente nicht, ebenso wenig wie die ersten künstlichen Testosteron-Präparate, die Ende der 1930er Jahre herauskamen“, sagt Hofer. Zu wenig vertrug sich das Bild vom starken Geschlecht mit der Idee der Wechseljahre.

Dass das Thema seit gut zehn Jahren wieder Konjunktur hat, hängt nach Hofers Meinung sicher auch mit den Bestrebungen der Pharmabranche zusammen, sich neue Märkte zu erschließen: „Viagra hat demonstriert, wie viel Geld sich mit der Zielgruppe der alternden Männer verdienen lässt.“ Vertriebswege wie das Internet hätten zudem völlig neue Möglichkeiten geschaffen, diese Zielgruppe auch zu erreichen.

„Man könnte das als Ausdruck der Emanzipation deuten: Heutige Männer verstecken ihre ‚Wehwehchen‘ nicht mehr, sondern sprechen darüber und lassen sie auch behandeln.“ Zumindest beim Thema „männliche Wechseljahre“ greift dieses Argument aus seiner Sicht jedoch nicht: „Hormonpflaster und Testosteron-Injektionen werden häufig mit dem Versprechen beworben, mit ihnen lasse sich die Zeit zurückdrehen“, sagt er. Fotos kraftvoller Bogenschützen mit grauen Schläfen versprechen auf Werbeflyern uneingeschränkte Leistungsfähigkeit und ewige Jugend.

Hofer kritisiert vor allem die Reduktion des alternden Mannes auf seinen sinkenden Testosteronspiegel: „Viele Männer zwischen 45 und 60 haben ganz reale Beschwerden, und manchen kann vielleicht auch durch Hormongaben geholfen werden.“ Andere wiederum fühlen sich trotz niedriger Hormonwerte pudelwohl in ihrer Haut.

Quelle

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