Macho-Macker, Mutproben, Totenköpfe
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Samstag 28. Oktober 2006
Totenschändung als Männlichkeitsbeweis? Die Aussagen eines beteiligten Soldaten legt diese Erklärung nahe: Es habe zwar keinen Gruppenzwang gegeben, „aber es war schon so: Wenn man das nicht mitmacht, heißt es: Du Weichei, was stellst du dich so an.“ In der heutigen Ausgabe von Spiegel – Online wird die These ‚Macho – Verhalten‘ als ein Erklärungs- und Entlastungsmuster durch die Aussagen von zwei Wissenschaftlern unterstützt und ergänzt.
Der Münchner Verhaltensbiologe Wulf Schiefenhövel erkennt im soldatischen Fehlverhalten „Gesten, die es schon ungezählte Male in der Menschheitsgeschichte gegeben hat“. Aber insbesondere „in der derzeitigen Situation der kulturellen Konfrontation mit islamischen Ländern“ wolle man natürlich nicht, „dass gerade unsere Soldaten so etwas tun“.
Schiefenhövel nennt zwei mögliche Ursachen: Zum einen seien junge Männer nun einmal „risky young males“ – also mit Risiken behaftet. Soll heißen: „Auf der ganzen Welt machen sie Dinge, die man nicht wirklich kontrollieren kann.“ Das sei „Showverhalten, Sie wollen Macho-Macker sein“. Das bekomme man „nicht so leicht durch Sozialisation weg – und schon gar nicht durch kurze Lehrgänge bei der Bundeswehr“.
Als zweiter Erklärungsstrang dient Schiefenhövel die Drucksituation, in der sich deutsche Soldaten beim Auslandseinsatz am Hindukusch befinden: „Sie stehen unter ständiger Bedrohung, kommen quasi als Eroberer in ein Land, befinden sich aber andererseits nicht in einem offenen Kampf.“ So ergebe sich „ein Gemisch aus Routine und Frustration“, das vermutlich für viele Soldaten „massiven psychischen Druck“ bedeute, sagt Schiefenhövel. Mögliche Folge: Die Soldaten fielen auf „archaische, biophysisch begründbare Verhaltensmechanismen“ zurück und posierten mit Schädelknochen.
Reiner Sörries, Geschäftsführer der „Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal“ (AFD) und Direktor des Museums für Sepulkralkultur in Kassel , unterstützt Schiefenhövels Macho-Argument. Er erinnert an jene Jugendlichen im 18. und 19. Jahrhundert, die menschliche Überreste aus Gebeinhäusern stahlen: „Die spielten dann Fußball mit den Totenschädeln, das war eine Mutprobe der Pubertierenden. Und sicherlich haben die Jungs dann diejenigen, die nicht mitmachen wollten, als Weichei geziehen.“ Die aktuelle Diskussion um die Soldaten hält Sörries für „übertrieben“.
„Wir haben heute angeblich saubere, chirurgische Raketenattacken, aber die basalen Emotionen und Reaktionen der Menschen sind gleich geblieben“, sagt Schiefenhövel. Sie könnten „nicht so einfach kontrolliert werden“.