Mütter- & Mamiblogs gibt es wie Sand am Meer. Trauen sich die Väter nicht hinter dem Ofen hervor oder hindert sie die Karriere daran, sich mit einem eigenen Blog Gehör zu verschaffen? „Into the Wild“ ist dafür das richtige Thema. Kinder und Familie können wild sein. Lasst es uns zusammen bändigen. Eine spannende Diskussion darüber warum Väter (nicht) bloggen mit:
‚Ich wusste das alles, aber was mir niemand gesagt hat ist dieses: dass meine Freundin und ich zu Konkurrenten werden. David ist drei, er geht nun in den Kindergarten. Wir haben uns für eine Elterninitiative entschieden, einen Kinderladen. Man bestimmt dort selbst, in welchem Umfeld das Kind spielt, wie es erzogen wird. Man muss sich allerdings sehr viel stärker engagieren als in klassischen Kindergärten. Es begann mit der Elternfahrt, drei Tage Jugendherberge, zu siebt in einem Zimmer, und als die Kinder am ersten Abend im Bett waren, setzten die Großen sich zusammen. Jeder musste ein Amt übernehmen, es gibt Väter, die sich um Essensbestellungen kümmern und Mütter, die den Garten verschönern. Es gibt Hausmeister und Ausflugs-Organisatoren. Ich bin Protokollant.
Das hört sich leicht an: Bei allen Besprechungen mitschreiben, was verhandelt und entschieden wird. Stift und Zettel, notieren, dann zuhause in eine Email kopieren und an alle versenden, fertig. In Wirklichkeit ist das Protokollamt komplex wie wenige andere. An jenem ersten Abend zum Beispiel diskutierten wir von 20 bis 0.30 Uhr, ob es ethisch vertretbar ist, dass sich eine Elterninitiative eine Putzfrau nimmt. Es ging hin und her, und nach Mitternacht wurde die Entscheidung auf den nächsten „Orga-Abend“ vertagt. Neben jährlichen Eltern- und Vattifahrten gibt es nämlich auch monatliche Organisations- sowie Pädagogiktreffen. Dazu jeweils Zusammenkünfte vor Ausflügen und die traditionellen Feiern zu Nikolaus, Weihnachten etc, die ihrerseits geplant werden müssen. …“
Erinnert mich irgendwie an meine Geschichte im Kinderladen. 10 Jahre mit drei Kindern, die vor 14 Jahren zu Ende gegangen sind und die ich trotz allem nicht missen möchte.
‚Jeden Tag verlieren in Österreich 7 Kinder ihr Zuhause. Die Gründe dafür sind vor allem Überforderung in der Kindererziehung, Gewalt in der Familie, Vernachlässigung oder Verwaisung.‘ Das sind die ersten Sätze auf der Webseite von Pro Juventute Österreich. In der im September gestarteten Werbekampagne ’99 Luftballons‘ wird er ansatzweise systemische Blick durch plumpe Schuldzuweisungen an die Väter ersetzt.
Im dritten Teil des Väterschwerpunkts der Süddeutschen vom vergangenen Wochenende porträtiert Corinna Nohn drei Vätergenerationen einer Familie. Im letzten Teil geht es um den Enkel.
‚… Dann aber kamen zwei Monate Elternzeit, und von Januar an wird er noch zwei Jahre nehmen. Dabei hatte ihm der Abteilungsleiter klargemacht, dass ihm das gar nicht passt: Maximilian sei nicht einfach zu ersetzen. Es sei in der Firma zwar ganz normal, dass Frauen wegen der Kinder pausieren. „Aber die arbeiten im Büro, nicht an den Maschinen“, sagt Maximilian.
Er sei der erste Mann, der Elternzeit nimmt. Nicht, weil sich keiner traue, sondern weil die Kollegen Haus oder Auto abbezahlen müssten und auf keinen Euro verzichten könnten. Er streicht Lajos über den Kopf, der lutscht an seinem Bernsteinkettchen. „Das ist schon traurig: Weil sie ihren Lebensstandard so hoch angesetzt haben, können sie es sich nicht leisten, Elternzeit zu nehmen.“
Maximilian und Katharina, die Sozialpädagogin ist und nicht die Absicht hat, ihren Beruf aufzugeben, haben den Traum, „dass beide 60 Prozent arbeiten“. Maximilian lacht, er denkt wohl an die Schichteinteilung. Und selbst dann, wenn es klappen würde mit den zwei Teilzeitjobs, sei ihnen „doch klar, dass wir materiell auf vieles verzichten müssen“. Denn 120 Prozent Arbeit auf zwei Leute verteilt bringe eben nicht so viel wie 100 Prozent von einem. „Wir haben uns darauf eingestellt, dass wir nicht so viel Geld brauchen“, sagt Maximilian. Aber es wurmt ihn natürlich, dass das Leben so viel einfacher wäre, wenn sie es machen würden wie seine Großeltern: er Haupternährer, sie Vollzeitmama.
Klar, es habe sich schon einiges verändert, „aber da muss noch viel passieren“. Und zwar nicht im Schneckentempo, sondern am besten im Zeitraffer …’
Im Keller von Ralf Achcenich stapelten sich Kisten mit Spielen und alter Kinderkleidung. „Für meinen Sohn ist das schon lange nichts mehr, der ist schon 16“, sagt Achcenich, „aber ich wollte die vielen Dinge nicht wegwerfen. Und Trödelmärkte sind nichts für mich. Ich finde es anstrengend um fünf Uhr aufzustehen, die ganzen Dinge ins Auto laden. Wenn man dann noch Pech hat, nimmt man die Hälfte wieder mit zurück.“
Die vielen Überbleibsel aus der Kinderzeit seines Sohnes und die Abneigung gegen Trödelmärkte brachte ihn und seine Kollegen auf eine Idee. So entwickelte Achcenich mit drei anderen Vätern ein Secondhand-Portal im Internet. Auf „Pollywoggie“ können Eltern alte Kindersachen verkaufen. „Uns war es vor allem wichtig, dass das Portal schnell und einfach zu bedienen ist“, sagt Achcenich.
„Bei uns können auch alle Vorgänge unterbrochen und später wieder aufgenommen werden. Als Väter wissen wir, dass das oft vorkommt. Uns ist es wichtig, dass es bequem ist.“ Bei dem Namen haben sie sich an „pollywog“, dem englischen Wort für Kaulquappe, orientiert. „Der Name hat wie unser Portal mit entstehendem Leben zu tun, deshalb haben wir ihn ausgewählt.“
Das Portal haben sie nicht selber entwickelt, sondern einen Programmierer damit beauftragt. Seit Ende Juni sind sie online, 350 Nutzer haben sich bereits angemeldet. „Wir haben ein bisschen hier im Umkreis Werbung gemacht, aber wir merken, damit sich Pollywoggie herumspricht.“
Die Väter verdienen an jedem Verkauf mit. Bei Artikeln mit niedrigen Preisen erhalten sie acht Prozent des Verkaufspreises, bei teureren Dingen 4,1 Prozent. Für die Männer ist das Portal nicht einfach ein Hobby. „Wir haben schon das Ziel, nach und nach unsere Familien davon zu ernähren. Wir können uns schon vorstellen, die anderen Jobs aufzugeben und uns dann nur noch um das Portal zu kümmern.“
Diese und andere Fragen stellen sich wohl alle werdenden Väter. Ein gutes Angebot von Geburtsvorbereitungskursen für Väter und der Austausch mit erfahrenen Vätern würde Antworten auf die meisten Fragen liefern.
Da es diese Angebote und Möglichkeiten aber kaum gibt, hat Andreas Lorenz in seinem Blog Papa-Online 15 Dinge über das Vatersein zusammengeschrieben, die er so vorher nicht wusste:
Der Staat holt sich einen guten Teil des Elterngeldes zurück. … Die große Überraschung kommt bei der ersten Steuererklärung. …
Deine Lebensplanung war umsonst. Die Prioritäten verändern sich mit Kindern vollständig. Was früher wichtig war, ist heute Nebensache. …
Du kannst tolle Wochenenden haben, ohne richtig einen draufzumachen. …
Auch Eltern gehen auf Parties. Mit der richtigen Vorbereitung müssen wir keine Feier auslassen. …
Du solltest nur Spielzeug kaufen, mit dem Du auch gerne spielst. Wenn es mir keinen Spaß macht damit zu spielen, haben auch meine Kinder wenig davon. …
Eltern haben Sex. Ja, tatsächlich – Euer Sexleben geht auch nach der Geburt weiter. Zwar nicht unmittelbar danach, aber es geht weiter. …
Auch Videospiele sind eine tolle Beschäftigung. Die Kleinen unternehmen etwas mit Papa, lernen den dosierten Umgang mit anderen Medien und genießen die Zeit.
Du wirst es lieben mit Puppen zu spielen. Ja, in der Tat. Mit Puppen zu spielen macht wirklich Spaß. Sie imitieren Mama & Papa und spielen Eure Familie nach. …
Du gehst nachmittags ins Kino und findest es toll Nachmittagsvorstellungen im Kino sind super. Keine langen Schlangen, kein 2 m großer Hüne, der sich genau vor Deine Nase setzt und Dir die Sicht nimmt. …
Du wirst Deine Freunde vernachlässigen und es stört Dich nicht. Der Job, die Familie, die Hobbies. Alles beansprucht seine Zeit und da Dein Tag auch als Vater nur 24 Stunden lang ist, wird etwas drunter leiden müssen. …
Die junge Familie will von Frankfurt aus nach Griechenland fliegen. Eine große Babyflasche weist den Vater Björn Hornef durchs halbe Terminal zum Toilettenbereich: Im Abflugbereich in der Shoppingmeile zwischen A und B.
Als er vor dem Wickelraum steht, traut er seinen Augen nicht: „Das ist ja in der Damentoilette. Ich geh‘ da jetzt trotzdem rein, irgendwo muss ich das Kind ja wickeln.“ Vorbeilaufende Frauen sehen es mit Humor, lächeln Vater und Tochter an.
Eine sagt: „Ja, das ist eben die andere Seite der Emanzipation. Frauen in Führungsetagen, Männer am Wickeltisch.“ Doch für Fraport ist das noch was ganz Neues. Viele Wickelbereiche sind im Frauenklo. Erst an den Gates im Sicherheitsbereich finden sich Unisex-Wickelräume, die als kleiner Extra-Raum zwischen Frauen- und Männerklo liegen.
In dem in die Jahre gekommenen Terminal 1A und B ist ein Extra-Raum für wickelnde Väter dringend notwendig. Denn nicht immer sehen Frauen den Herren-Besuch an ihren Kabinen mit Humor. Erst vor Kurzem wurde ein Vater mit Kind im Damenklo-Wickelraum von erschrockenen Seniorinnen übel beschimpft.
In den USA sorgte vor 3 Jahren Lenore Skenazy, Kolumnistin der „New York Sun“, für Aufregung. Sie ließ ihren neunjährigen Sohn auf dessen ausdrücklichen Wunsch in New York mit der U-Bahn allein nach Hause fahren und berichtete über den gelungenen Versuch. Sie sieht sich als Leitfigur einer Bewegung, die Kindern wieder mehr Bewegungsfreiheit einräumen will.
Wo der Behütungswahn hierzulande beginnt, lässt ein Kolumne von Anja Maier in der gestrigen sonntaz erahnen:
‚“Väter massieren ihre Babys“ heißt diese Veranstaltung im städtischen Geburtshaus. Eine Stunde lang, erzählt Robert, treffen sich da sechs Väter, für zwölffuffzich Gebühr kneten sie an ihren geliebten Kindern rum und plaudern. Natürlich gibt es eigentlich eine zertifizierte Massagetechnik, das muss in Deutschland so sein. Aber, sagt Robert, „das hat man ja nach zehn Minuten kapiert, wie das geht. Und jetzt quatschen wir eigentlich die ganze Zeit.“ Ein angenehmer Termin ist das, findet er. Und das findet auch Dana, seine Frau, denn sie hat dann endlich mal eine Frieda-Pause, Zeit für sich.
Andere Mütter sehen das offenbar nicht so. Bei denen handelt es sich um die Frauen der massierenden Väter, die nicht nur ihr Kind, sondern gleich auch noch ihren Mann beim Kursleiter abgeben und dann darauf warten, endlich wieder die Herrschaft übernehmen zu dürfen. Eigentlich, erzählt Robert, sollen die Mütter weggehen, spazieren, Kaffee trinken, egal. Aber sie hauen einfach nicht ab. Und deshalb musste die Geburtshaus-Verwaltung einen extra Warteraum für misstrauische Mütter einrichten. Da sitzen sie nun. Robert nennt sie „die Stillrobben“. Fängt ihr Baby an zu maunzen, lassen sie es sich nach nebenan reichen und geben ihm die Brust.’
Mann könnte darüber schmunzeln, aber diese ‚Gluckhennen’, in den USA heißt das Phänomen ‚Maternal Gatekeeping’, hindern Väter nicht nur daran, ihre Verantwortung wirklich wahrzunehmen, sondern beklagen sich hinterher auch noch darüber, das sie alles alleine machen ‚müssen’.