Ideales Heiratsalter, Akzeptanz von Scheidungen und Arbeitsteilung in der Familie
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Donnerstag 19. April 2018
Das Verständnis von Familie und die Vorstellungen, was eine gute Mutter oder einen guten Vater ausmacht, können ganz unterschiedlich sein. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Herkunftsländern von Geflüchteten. In diesem Kontext veröffentlicht das Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg (ifb) Ergebnisse einer soziologischen Studie zum Familienverständnis in Nordafrika und dem Nahen Osten.
Ziel der Studie war es, Erkenntnisse über die Rolle von Staat und Familie sowie die geschlechtsspezifischen und familiären Rollenvorstellungen in verschiedenen MENA-Staaten zu erlangen und mit den vorherrschenden Vorstellungen in Deutschland zu vergleichen. Unter den Begriff MENA-Staaten werden die Regionen des Nahen Ostens und Nordafrikas (Middle East and Northern Africa) gefasst, wie zum Beispiel der Libanon, Syrien, der Irak oder auch Pakistan.
Neben verschiedenen Standpunkten, beispielsweise bezüglich des idealen Heiratsalters und der Akzeptanz von Scheidungen, wurden die Einstellungen zur Arbeitsteilung in der Familie, wie etwa die Erwerbstätigkeit von Müttern, analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass Befragte in Deutschland eine verhältnismäßig positive Einstellung zur Berufstätigkeit von Müttern aufweisen. Im Gegensatz dazu zeigt sich eine höhere Ablehnung von berufstätigen Müttern in den MENA-Ländern. Damit zusammenhängend weisen die Analysen jedoch auf, dass auch innerhalb der MENA-Staaten unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Müttererwerbstätigkeit bestehen. So vermuten 89 Prozent der Befragten aus Jordanien einen negativen Zusammenhang von Müttererwerbstätigkeit und dem Kindeswohl. Demgegenüber sehen nur 66 Prozent aller Befragten aus Ägypten und der Türkei nachteilige Auswirkungen auf die Kinder, wenn eine Mutter erwerbstätig ist.
Auch in den Bereichen Wirtschaft und Politik variieren die Vorstellungen bei den Rollen von Männern und Frauen zwischen Deutschland und den MENA-Staaten. Beispielsweise sprechen lediglich 17 Prozent der Befragten in Deutschland Männern eine höhere Kompetenz in politischen Positionen zu als Frauen. In den MENA-Regionen halten gut drei Viertel Männer für fachkundiger. Allerdings stellen die Autoren fest, dass höher gebildete Befragte aus Nordafrika und dem Nahen Osten Frauen und Männern eher gleiche Kompetenzen für politische Ämter zuschreiben.
Die Ergebnisse der Studie lassen sich zwar nur bedingt auf Geflüchtete übertragen, die in Deutschland und anderswo leben. Sie geben jedoch Aufschluss darüber, welches Verständnis von Familie und familiären Rollen in den Herkunftsländern vorherrschen und wie heterogen diese je nach Land und soziodemografischen Merkmalen wie Bildung, Geschlecht und Alter sind.
Aus Sicht des Staatsinstituts für Familienforschung an der Universität Bamberg können die Ergebnisse auch zu einer Versachlichung der gesellschaftlichen Diskussion über die Wertvorstellungen und Geschlechterrollen von Flüchtlingen beitragen, indem sie aufzeigen, dass eine differenzierte Betrachtung statt einer Pauschalisierung notwendig ist.
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