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Partnerschaftlicher Aufgabenteilung als Herausforderung für die Familienbildung

Erstellt von Hans-Georg Nelles am Freitag 18. Februar 2022

Mehr als zwei Drittel aller jungen Männer und Frauen wünschen sich eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit, wenn sie denn einmal Väter und Mütter sind. Wünsche und Wirklichkeiten klaffen aber nach wie vor auseinander, auch wenn es auf den ersten Blick ‚gerecht‘ aussieht.

Die Summe von bezahlter und unbezahlter Arbeit an Wochentagen ist bei Männern und Frauen mit circa 11 Stunden in etwa gleich. Aber bezahlte und unbezahlte Arbeit ist zwischen Männern und Frauen ungleich aufgeteilt. Dies zeigt die alle 10 Jahre durchgeführte Zeitverwendungserhebung ebenso wie Studien, die im Kontext der Pandemie durchgeführt worden.

In einer aktuellen Studie[i] heißt es dazu, „Betrachtet man die gegenwärtige Studienlage zu innerfamilialer Arbeitsteilung und Geschlechterungleichheit, zeigt sich … ein heterogenes und widersprüchliches Bild“ und weiter „Innerfamiliale Arbeitsteilung lässt sich zunächst direkt auf der Mikroebene verorten, bei den Paaren und in Familien. Für die Untersuchung der Arrangements gilt es aber, die innerfamiliale Mikroebene in ihrer Verwobenheit mit dem mobilen Arbeiten im Kontext von Arbeitsorganisationen auf der Mesoebene und den Makrostrukturen des Wohlfahrtsstaates sowie gesellschaftlichen Norm(alitäts)annahmen, wie geschlechterdifferenzierende Zuschreibungen von Betreuungsverantwortung, zu betrachten. … Aushandlungen kommt als Modus für Erzeugung, Erhalt und Veränderung sozialer Ordnung eine zentrale Bedeutung zu.“

Als Fazit bilanzieren die Autor*innen ‚paradoxe Gleichzeitigkeiten‘. „Wir folgern aus unseren Analysen, dass die Diskussion um innerfamiliale Arrangements und ihre Entwicklungen während der Corona­Krise differenziert geführt werden muss: Weder haben wir es ausschließlich mit einer Retraditionalisierung noch mit einer Modernisierung zu tun, sondern vielmehr werden bereits bestehende Geschlechterungleichheiten sichtbar und teilweise verschärft – bei gleichzeitig vorhandenem Modernisierungsstreben.“

Was das für die Aushandlungen in den Partnerschaften bedeutet und welchen Beitrag Familienbildung leisten kann um diese Prozesse zu unterstützen, war das Thema einer Dialogrunde und eines Workshops bei der Fachtagung der LAG Väterarbeit im vergangenen November.

In ihrem Impuls wies auch Barbara Streidl, Autorin der Streitschrift ‚Lasst Väter Vater sein‘, auf die Ambivalenzen hin: Einerseits erleichtere das Homeoffice die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, bringe aber andererseits auch die Figur der wartenden Mutter zurück, auf der die deutsche Sozialpolitik beruhe. Familie, Partnerschaft, Erwerbstätigkeit, Haushalt, Selfcare und … die Erwartung ist, dass alles gleichzeitig ‚erledigt‘ werde. Aber der Tag hat nun Mal ‚nur‘ 24 Stunden.

Als Vision wurde eine gesellschaftliche Aufwertung der Carearbeit formuliert, die sich auch so äußern kann: „Da will ich ja eigentlich zum Laternenumzug“, sagt der Oberstaatsanwalt, als es um eine Veranstaltung am Abend des 10. Novembers ging. Die Veranstaltung begann um halb acht, da ist der Umzug vorbei und er kommt knapp zur Veranstaltung.“

Es geht also darum, dem alltäglichen Vatersein Raum und Zeit zu gestatten, das ist in erster Linie eine Frage der Haltung. Im Hinblick auf die in den Partnerschaften notwendigen Aushandlungen geht es auch um Einstellungen, aber vor allem um Kompetenzen und deren Zuschreibungen auf Väter und Mütter. Einem klassisches Feld der Familienbildung.

Wie diese in NRW aufgestellt ist und wo Entwicklungspotenziale sind, hat die im vergangenen Jahr vorgelegte Evaluation[ii] der familienpolitischen Leistungen gezeigt. Dort steht unter anderem, es „wird deutlich, dass Väter 2019 am häufigsten Angebote in Beratungseinrichtungen in Anspruch nahmen, … der Anteil der männlichen Teilnehmer in der Familienbildung [hat sich] im Verhältnis zur Bestandsaufnahme von 2006 kaum verändert hat. [er verharrt] auf dem niedrigen Niveau von 16 bis 17 Prozent. An anderer Stelle ist zu lesen, dass sich „Väter nicht durch die klassischen auf Reflexivität und Dialog angelegten Kursgruppen angesprochen fühlen und entweder Outdoor-Aktivitäten oder etwas Technisches bzw. Handwerkliches bräuchten. Zudem wird die Teilnahme von Vätern/Männern überwiegend abends oder an Wochenenden verzeichnet.“

Diese und weitere Ergebnisse der Evaluationsstudie griff auch Jürgen Haas in seinem Impuls zu Beginn des Workshops auf und wies auf einen weiteren ‚Mangel‘ hin, den geringen Anteil von männlichen Mitarbeitenden in der Familienbildung.

Wer mehr Väter in der Familienbildung möchte, muss sich so sein Fazit, als Entscheidungsträger und Anbieter, auch mit diesen Herausforderungen auseinandersetzen. „Prognos hat in der aktuellen Studie zu den familienbezogenen Leistungen in NRW auf fünf Handlungsfelder hingewiesen, die meines Erachtens auch für die Familienbildung Relevanz haben: Bekanntheit, Vernetzung, Digitalisierung, Angebotsformate und das Personal.

Als Ergebnis des Workshops wurden drei zentrale Weichenstellungen formuliert:

  • für die Neuausrichtung der Angebote im Bereich der Familienbildungsarbeit braucht es einen langen Atem. Projekte sind oft sehr kurzfristig angelegt. Dadurch kann man das Vertrauen und die Kontinuität der Väterbeteiligung nicht sicherstellen
  • eine Erhöhung der Anteile des pädagogischen männlichen Personals in der Familienbildung und auch die der freiberuflichen Honorarkräfte kann durch eine bessere finanzielle Ausstattung erreicht werden
  • die Fachkräfte müssen in die Lage versetzt werden, Väter gendersensibel in den Blick zu nehmen und anzusprechen. Dazu braucht es passende Qualifizierungsangebote.

Take Aways für Väter

  • Es ist gut, dass Sie sich vornehmen, sich alle anfallenden Aufgaben in der Familie ‚gerecht‘ aufzuteilen. Damit dies Vorhaben auch gelingt, ist es hilfreich, sich mit ihrer Partnerin darüber auszutauschen welche Erwartungen sie als Vater und Mutter an sich und den jeweils anderen haben.
  • Im nächsten Schritt geht es dann darum, wer was zu welchem Zeitpunkt macht: Elternzeit nimmt, Kinder und Haushalt betreut oder das Geld für die Finanzierung des Projekt Familie verdient. Lassen Sie sich bei diesen ‚Verhandlungen‘ nicht vorschnell durch die Verlockungen des vermeintlich leichteren Wegs, eine*r geht Geld verdienen und eine*r bleibt zu Hause über den Tisch ziehen. Auch wenn Sie vorhaben, beim nächsten Kind alles anders zu machen führt diese gutgemeinte ‚temporäre Teilretraditionalisierung‘ geradewegs in alte Rollenmuster und engt ihre Spielräume und Wünsche, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen und dafür ggf. auch Arbeitszeiten zu reduzieren extrem ein
  • Fangen Sie mit diesen Aushandlungsprozessen frühzeitig an, am besten genau dann, wenn Sie über die Umsetzung ihrer Kinderwünsche sprechen. Eine ‚Arbeitshilfe‘ dazu finden Sie hier oder auch auf dieser Webseite.

Denkanstöße für Beschäftigte in der Familienbildung und Familienzentren

  • Es ist gut, wenn Sie in Zukunft Väter verstärkt in die Familienbildungsarbeit ihrer Einrichtung einbinden möchten. Beziehen Sie bei der Planung der Angebote am besten Väter mit ein.
  • Planen Sie diese Angebote möglichst niedrigschwellig und zun den Zeiten, in der die Väter auch daran teilnehmen können: nach Feierabend, am besten Freitagnachmittag oder Samstagvormittag
  • Kommunizieren Sie die Angebote so, dass Väter diese auch im Internet finden können.
  • Bei allen Fragen, die Sie zu diesem Thema haben steht Ihnen die Geschäftsstelle der LAG-Väterarbeit gerne beratend zur Seite.

Zum Download

Der Impuls von Barbara Streidl Impuls Väterarbeit WS2

Der Impuls von Jürgen Haas Input_Jürgen Haas

Die Leitfragen von Dialogrunde und Workshop 2

Die Zusammenfassung der Visionen und Forderungen von Dialogrunde und Workshop 2

Das Interview mit Heiner Fischer Angebote der Familienbildung müssen sich an der Lebenswelt von Vätern orientieren

[i] Almut Peukert, Miriam Beblo, Laura Lüth und Katharina Zimmermann; Erwerbs- und Familienarbeit im Homeoffice? Innerfamiliale Arbeitsteilung in der Corona-Krise auf dem Prüfstand; in Sozialer Fortschritt, 71 (2022), S.29ff

[ii] Prognos AG (Juncke, David; Weßler-Poßberg, Dagmar; Nikodemus, Johanna)/TH Köln (Müller-Giebeler, Ute; Zufacher, Michaela; Eggers, Thorsten) (2020): Evaluation der Familienbildung in Nordrhein-Westfalen. Abschlussbericht der Evaluation der Familienpolitischen Leistungen im Auftrag des MKFFI NRW, https://www.mkffi.nrw/sites/default/files/asset/document/abschlussbericht_familienbildung_final.pdf

Quelle

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