Regelungen zur behördlichen Vaterschaftsanfechtung sind nichtig
Erstellt von Hans-Georg Nelles am 3. Februar 2014
Die im Jahr 2008 eingeführten Regelungen zur behördlichen Vaterschaftsanfechtung sind verfassungswidrig und nichtig. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in einem am 30. Januar veröffentlichten Beschluss entschieden. Die Behördenanfechtung führt zum Wegfall der Vaterschaft und der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes. Zwar verfolgt der Gesetzgeber damit den legitimen Zweck, zu verhindern, dass durch Vaterschaftsanerkennung gezielt das Aufenthaltsrecht umgangen wird.
Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Mit Beschluss vom 15. April 2010 hat das Amtsgericht Hamburg-Altona ein Verfahren der Behördenanfechtung ausgesetzt, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob die hierfür maßgeblichen Regelungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Behördenanfechtung wurde im Jahr 2008 eingeführt. Hintergrund war der Eindruck des Gesetzgebers, dass die Vaterschaftsanerkennung in bestimmten Konstellationen zur Umgehung des Aufenthaltsrechts genutzt wird, insbesondere damit das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit erwirbt und ein Aufenthaltsrecht der ausländischen Mutter entsteht.
Die Behördenanfechtung einer Vaterschaftsanerkennung setzt – neben dem Fehlen biologischer Vaterschaft – voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat und durch die Anerkennung rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB).
Wesentliche Erwägungen des Senats waren
Art. 16 Abs. 1 GG schützt vor dem Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit. Der Schutz gilt auch für Kinder, die die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund einer Vaterschaftsanerkennung erworben haben. Eine erfolgreiche Behördenanfechtung greift daher in diese grundrechtlichen Gewährleistungen ein.
Weil die Betroffenen den Wegfall der Staatsangehörigkeit teils gar nicht, teils nicht in zumutbarer Weise beeinflussen können, handelt es sich um eine absolut verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG.
Zudem liegt ein Verstoß gegen das allgemeine Familiengrundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG vor. Die unnötig weit gefassten Anfechtungsvoraussetzungen setzen nicht verheiratete, ausländische oder binationale Elternpaare, die keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, generell dem Verdacht aus, die Vaterschaftsanerkennung allein aus aufenthaltsrechtlichen Gründen vorgenommen zu haben, und belasten ihr Familienleben mit behördlichen Nachforschungen. Eine präzisere Fassung der Anfechtungsvoraussetzungen wäre auch insoweit verfassungsrechtlich geboten.
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