Führungskräfte nehmen Elternzeit
Erstellt von Hans-Georg Nelles am 13. November 2010
„Der Anteil von Vätern in Elternzeit ist unter Führungskräften besonders hoch“, sagt Nora Reich, Ökonomin am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI). Reich entkräftet damit die verbreitete Vorstellung, dass sich besonders Führungskräfte schwer damit tun, Beruf und Familie zu vereinbaren. Die Mitarbeiterin des HWWI hat in einer Studie festgestellt, dass sich die Chance der Inanspruchnahme von Elternzeit durch erwerbstätige Väter deutlich erhöht, wenn diese in einer Führungsposition, unbefristet beschäftigt oder in einem großen Unternehmen tätig sind.
Es gibt sogar schon Unternehmen, in denen die Gruppe der Väter, die länger als ein Jahr in Elternzeit gehen, inzwischen fast so groß ist wie die Gruppe derjenigen, die bis zu zwei Monate in Anspruch nehmen. Dabei werden häufig Elternzeit, Teilzeit und die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, gezielt miteinander kombiniert.
Um das realisieren zu können, überlegen Mitarbeiter, Führungskraft und Kollegen gemeinsam im Vorfeld, wie die Elternzeit arbeitsorganisatorisch am sinnvollsten gestaltet werden kann. Rechtliche Ansprüche auf Biegen und Brechen durchzusetzen, ist dagegen nicht unbedingt von Erfolg gekrönt, berichten die Unternehmen.
Wie der Spagat zwischen Führungs- und Vaterrolle gelingen kann, lebt Alfred Lukasczyk, Head of Employer Branding bei der Evonik Industries AG in Essen, vor. „Die Familie darf nicht auf der Strecke bleiben“, sagt Lukasczyk. Im Frühjahr war Lukasczyk zwei Monate in Elternzeit. Jetzt bringt er an drei Tagen in der Woche seine zweijährige Tochter in die Kindertagesstätte von Evonik und arbeitet an einem Tag in der Woche in ihrer Anwesenheit im Home-Office.
Für Lukasczyk liegt es in der Regel nicht an den Unternehmen, sondern an der Courage des Einzelnen, wenn Führungskräfte nicht die Möglichkeit nutzten, in Elternzeit gehen zu können. „Auch ich habe mich zunächst gefragt, ob es Gründe gibt, die dagegen sprechen“, meint Lukasczyk.
Um die zweimonatige Elternzeit aber dann doch zu ermöglichen, hat der Personalmarketingleiter gemeinsam mit seinem Vorgesetzten wichtige Arbeitsprojekt so gestaltet, dass während seiner Abwesenheit nichts „Dramatisches“ passieren kann.
Strategische Aufgaben wurden von Kollegen in der Abteilung übernommen und andere von operativen Einheiten. Im Prinzip seien Führungskräfte ersetzbar, meint Lukasczyk. In laufenden Projekten sei der Einzelne allerdings bedingt durch die Vernetzung untereinander und die hohen kommunikativen Anforderungen zuweilen unentbehrlich. Wenn Führungskräfte in Elternzeit gehen wollten, müsse diese daher arbeitsorganisatorisch gut vorbereitet werden.
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