Väter lernen Chaosmanagement
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Sonntag 25. Oktober 2009
Im Gespräch mit Alexander Kohnen erläutert Marc Schulte vom Väterzentrum Berlin die Stolpersteine und die Vorteile einer Elternzeit für Väter.
Berliner Morgenpost: Herr Schulte, woran liegt es denn, dass die meisten Väter nur zwei oder drei Monate Elternzeit nehmen – und nicht zehn?
Schulte: Das hat natürlich mit der Karriere zu tun. Bei jüngeren Männern fällt das Kinderkriegen zusammen mit dem Beginn der Karriere, da entscheidet sich viel. Väter über 40 sind gesettelter, gehen tendenziell länger in Elternzeit. Ein zweiter Grund ist der finanzielle Aspekt. Elternzeit heißt finanzielle Einbuße. Und oft ist es ja immer noch so, dass der Mann wesentlich mehr verdient als die Frau. Der Mann hat oft noch die Ernährerfunktion, zwölf Monate Elternzeit für den Mann sind da finanziell oft gar nicht möglich.
Berliner Morgenpost: Und welche Rolle spielt der Chef?
Schulte: Ein dritter Grund ist sicherlich die gesellschaftliche Akzeptanz. Wer mehr als zwei Monate rausgeht, wird tendenziell von seinem Arbeitgeber beäugt. Diesen Vätern wird das dann so ausgelegt, als wollten sie sich eine Auszeit gönnen, als seien sie nicht motiviert. Oder sie werden belächelt, bekommen Sprüche zu hören wie: „Gehst du jetzt Mutti spielen?“ In vielen Firmen gehört das zur Unternehmenskultur.
Berliner Morgenpost: Sind auch die Mütter ein Hindernis?
Schulte: Das wäre ein weiterer Grund. Die Frauen müssen loslassen, ihren Männern Freiräume lassen – also ihren natürlichen Machtbereich verlassen. Und auch die Familie ernähren.
Berliner Morgenpost: Wie viele Monate Elternzeit sind für Väter ideal?
Schulte: Wir haben da kein Patentrezept, das muss man individuell entscheiden. Ein guter Vater kann auch jemand sein, der gar nicht in Elternzeit geht. Ich empfehle jedem Mann: Nimm dir exklusive Zeit mit deinem Kind. Aber die Elternzeit ist eine großartige Chance, die ich jedem Mann wünsche.
Berliner Morgenpost: Was lernt ein Mann denn in der Elternzeit?
Schulte: Er muss ein kleines Kind versorgen, Windeln wechseln, spazieren gehen. Und er muss lernen, das Kind, das noch nicht sprechen kann, richtig zu deuten. Er muss sehr spontan werden. Da kann man nicht erst eine Arbeitsgruppe einberufen, eine Task Force, so wie im Beruf. Der Mann lernt Chaosmanagement, ist extrem beansprucht, den ganzen Tag. Da kann er neue Kompetenzen erwerben. Grundsätzlich kann ein Mann das alles genauso gut wie eine Frau.