Ein doppeltes Dilemma
Erstellt von Hans-Georg Nelles am 1. Juli 2009
Wenn Paare sich trennen, stehen sie danach oft vor wirtschaftlichen Problemen. Besonders den dann Alleinerziehenden droht der soziale Abstieg. Aber auch die Unterhaltspflichtigen müssen in der Regel kürzer treten. Darüber hinaus haben bei der aktuellen Gesetzeslage beide Betroffenen wenige Anreize, ihre Einkommenssituation aus eigener Kraft zu verbessern. Das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW) hat einmal genau nachgerechnet. …
Bei der Berechnung des Unterhalts gilt ein Selbstbehalt des Zahlungspflichtigen von 1.000 Euro. Wer zum Beispiel 1.500 Euro netto verdient, während sein Ex-Partner kein Einkommen bezieht, müsste laut der Berechnungsformel 643 Euro Unterhalt leisten – aufgrund des Selbstbehalts sind es tatsächlich nur 500 Euro.
Diese Regelung ist vor allem dann problematisch, wenn der Ex-Partner selbst nicht arbeitet: Steigt das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen – zum Beispiel weil er mehr arbeitet oder sich beruflich verbessert –, fließt unter Umständen das gesamte zusätzliche Einkommen in den Unterhalt. Für den Zahlenden selbst bleibt vom Zusatzverdienst nichts übrig.
Für den Unterhaltspflichtigen ist es beispielsweise vollkommen unerheblich, ob er 1.500 oder 2.700 Euro brutto im Monat bezieht, sein Nettoeinkommen liegt in beiden Fällen bei 1.000 Euro. …
Das Problem verschärft sich noch, wenn zusätzlich Kindesunterhalt gezahlt werden muss. Die mangelnden Anreize versucht die Rechtsprechung durch Zwang zu kompensieren: Das Konzept der „gesteigerten Erwerbsobliegenheit“ zwingt Unterhaltspflichtige gegenüber Kindern, im Bedarfsfall jede Arbeit anzunehmen – auch ergänzend zu einem bereits bestehenden Job, auch Hilfstätigkeiten, auch abseits des eigenen Wohnorts.
Dass sich der Betroffene wirklich um eine solche Zusatzstelle bemüht, muss er belegen. Ist das Gericht damit nicht zufrieden, kann es ein fiktives Einkommen als Berechnungsbasis festsetzen. Diese Anforderungen gehen weit über das hinaus, was Arbeitslosen bei der Arbeitssuche abverlangt wird.
Aber auch Unterhaltsberechtigten wird ein Besserverdienst nicht unbedingt schmackhaft gemacht. Denn der Unterhalt wird gekürzt, wenn ihr eigenes Einkommen steigt. Ein Unterhaltsempfänger, der selbst für 1.500 Euro brutto im Monat arbeitet und dessen Ex-Partner 3.000 Euro netto verdient, verfügt insgesamt über 1.741 Euro, nämlich 1.063 Euro Nettoeinkommen zuzüglich 678 Euro Unterhalt. Verdient er 1.000 Euro mehr, bringt ihm das unterm Strich nur ganze 220 Euro extra: Zwar klettert das Netto um 513 Euro, doch der Unterhaltsanspruch sinkt um 293 Euro.
Die Regelungen bewirken, dass mitunter selbst bei einem Bruttoeinkommen von 4.000 Euro nur 20 Cent von jedem zusätzlich verdienten Euro übrig bleiben.
Das Unterhaltsrecht führt mithin auf beiden Seiten dazu, dass die Beteiligten wenig oder sogar gar keine Anreize haben, ihr eigenes Erwerbseinkommen zu erhöhen.Die Konsequenz für das IW: Erforderlich ist eine Reform, mit der – ähnlich wie beim Arbeitslosengeld II – ein höheres Bruttoeinkommen auch zu bedeutend mehr verfügbarem Einkommen führt.
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