Auf einer Pressekonferenz in Berlin hat das internationale Kinderhilfswerk World Vision Deutschland heute ein Konzept für eine umfangreiche Kinderstudie vorgestellt, die in dieser Bandbreite in Deutschland noch nie durchgeführt wurde.
Die Erhebung wird unter Leitung des renommierten deutschen Sozialwissenschaftlers Prof. Dr. Klaus Hurrelmann und Prof. Dr. Sabine Andresen vorgenommen. Die Ergebnisse sollen im Herbst 2007 anlässlich der Frankfurter Buchmesse vorgestellt werden.
Erstmals wird damit Kindern zwischen 3 bis 12 Jahren eine Plattform gegeben, auf der sie über ihre Lebenssituation, Träume, Wünsche und Perspektiven selbst umfangreich Auskunft geben können. Viertklässler werden repräsentativ befragt und durch qualitative Porträts 3-12 jähriger Kinder ergänzt.
„Kinder sind in der sozialwissenschaftlichen Forschung, Sozialberichterstattung und der amtlichen Statistik lange ungenügend berücksichtigt worden. Einer der Gründe liegt in der Vorstellung begründet, Kinder seien noch nicht in der Lage, als Experten Auskunft zu geben. Die geplante Studie soll offensiv dieses Defizit überwinden und das Potenzial von Kindern als Experten ihrer eigenen Lebens- und Sichtweisen aufgreifen und für die Gewinnung fehlender Erkenntnisse über Kindheit und Kindsein in der Gegenwart nutzen“, so der Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Hurrelmann.
In einem Interview mit der Welt äußerte sich Hurrelmann zur Situation der Kinder in Deutschland:
WELT.de: Herr Hurrelmann, was ist das Besondere dieser Studie und wozu soll sie dienen?
Klaus Hurrelmann: Bisher gibt es viele Einzelstudien zum Thema Kindheit. Wir aber wollen die gesamte Lebenssituation der Kinder erforschen und sie dabei als Experten in eigener Sache sprechen lassen. In dieser Breite gab es bisher keine Erhebung in Deutschland. Die Ergebnisse der Studie sollen zur Verbesserung der Elternförderung dienen und politisches wie gesellschaftliches Handeln im Sinne von Kindern beeinflussen.
WELT.de: Wie werden Sie methodisch vorgehen? Hurrelmann: Wir wollen uns an der Shell Jugendstudie orientieren und mit Fragebögen und Interviews arbeiten. Befragt werden sollen rund 3000 Grundschulkinder im Alter von neun bis zehn Jahren. Die Auswahl wird deutschlandweit über das Zufallsprinzip erfolgen. Einzelinterviews mit Fünfjährigen sollen das Bild abrunden.
WELT.de: Gegenwärtig leben in Deutschland 2,5 Millionen Kinder unterhalb der Armutsgrenze. Sind Kinder die großen Verlierer?
Hurrelmann: Leider gehört ein großer Teil der Kinder zu den Verlierern dieser Gesellschaft oder anders gesagt, haben Leute mit Kindern ein größeres Risiko, zu verarmen. Dieser Trend kann nur gestoppt werden, wenn es uns gelingt, die Arbeitslosenquote zurückzudrehen. Arbeitslosigkeit ist die Hauptursache für Verarmung. So gibt es gerade unter den Langzeitarbeitslosen sehr viele Menschen mit Kindern.
WELT.de: In Berlin wird in den Koaltionsverhandlungen jetzt darüber entschieden, die Kita künftig kostenfrei zu machen. Ist das der richtige Weg?
Hurrelmann: Unbedingt! Momentan befinden wir uns auf einem völlig falschen Subventionsweg für Bildung. Eigentlich müssen Kita und Grundschule total kostenfrei sein. Dort werden die Weichen gestellt. Weiter oben, beim Studium etwa, kann hingegen eher dafür gezahlt werden.