„Damit
die Corona-Krise nicht zur familiären Krise wird, hilft nur eines:
reden, reden, reden.“ Das hat David Hanisch, Agenturchef, Vater von zwei
Kindern und Teilnehmer der Paneldiskussion als Resümee geäußert.
Bei der Fachtagung am 16. November ist viel geredet worden. Damit die
Teilnehmenden, aber vor allem diejenigen, die nicht dabei sein konnten,
noch einmal in Ruhe nachhören können, was die zahlreichen Väter in dem
Film ‚Corona#Changes#Families‘
die beiden eingeladenen Expert*innen, Jan Braukmann von der Prognos AG
und Anna Buschmeyer vom Deutschen Jugend Institut, geäußert haben,
veröffentlichen wir die verschiedenen Beiträge auf unserem Youtube Kanal.
Weitere Stellungnahmen von Vätern und Müttern finden Sie hier.
Die Eröffnungsrunde
der Fachtagung: Vorstandsmitglieder der LAG Väterarbeit im Gespräch:
Stephan Buttgereit, Jürgen Haas und Hans-Georg Nelles zu den
Herausforderungen und Erfahrungen in der Arbeit der letzten 20 Monate
‚Engagement von Vätern – Entwicklungen, Bedeutung und Rahmenbedingungen‘ Jan Braukmann von der Prognos AG. Vortrag von Jan Braukmann
bei der Fachtagung ‚Lockdown als Chance? – Weichenstellungen für mehr
väterliches Engagement‘ der LAG Väterarbeit in NRW am 16. November 2021
Corona als Brennglas – Herausforderungen und Empfehlungen für Väterliches Engagement. Vortrag von Anna Buschmeyer
bei der Fachtagung ‚Lockdown als Chance? – Weichenstellungen für mehr
väterliches Engagement‘ der LAG Väterarbeit in NRW am 16. November 2021
Corona Changes Families
– … und auf einmal saßen wir zu Hause. Auswirkungen von Corona auf das
Familienleben und die Aufgabenteilung zwischen Vätern und Müttern.
Panelgespräch mit den beiden Keynotegeber:innen Jan Braukmann und
Anna Buschmeyer sowie David Hanisch, Vater von zwei Kindern, der sich
schon vor Corona mit seiner Frau Erwerbs- und Familienarbeit
partnerschaftlich aufgeteilt hat.
Die Highlights der Fachtagung ‚Lockdown als Chance? – Weichenstellungen für mehr väterliches Engagement‘ am 16. November 2021 in 10 Minuten zusammengefasst.
Fifty-fifty‘ in der Kinderbetreuung – das wünscht sich mehr als die Hälfte aller Väter hierzulande. In Wirklichkeit teilt sich aber nur ein Viertel von ihnen die Betreuung mit der Mutter. Warum das auch 2021 noch so ist …
In diesem Jahr haben sich bundesweit so viele berufstätige
Väter für ihren Nachwuchs freigenommen wie noch nie: Wie aktuelle Daten der KKH
Kaufmännische Krankenkasse zeigen, waren es in den ersten sechs Monaten 2021 zu
rund 25 Prozent die Männer, die Kinderkrankentage beanspruchten.
Dass die Papas zunehmend intensiver bei der Erziehung und
Betreuung ihrer Kinder mitmischen, ist auch der Corona-Krise geschuldet. Mehr
als die Hälfte ihrer Kinderkrankentage mussten KKH-versicherte Väter aufgrund
der Pandemie in Anspruch nehmen. Seit Anfang des Jahres ist dies möglich, auch
wenn der Nachwuchs nicht krank ist, aber dennoch zu Hause betreut werden muss.
Dies war in den vergangenen Monaten beispielsweise bei Corona-bedingten Kita-
und Schulschließungen der Fall. Aber auch schon zu Beginn der Krise und in den
Jahren zuvor war der Anteil der berufstätigen Männer, die sich für ihren
kranken Nachwuchs freinahmen, stetig gestiegen. So lag die Quote im ersten
Halbjahr 2020 bereits bei etwas mehr als 22 Prozent. 2019 vor der Pandemie
blieben gut 21 Prozent der Familienväter für ihren Nachwuchs zu Hause, 2009
waren es gerade einmal rund 13 Prozent.
Spitzenreiter sind aktuell die Väter aus Hamburg mit einem Anteil von knapp 33 Prozent. Sie lösen die Papas aus Sachsen ab, die derzeit auf dem zweiten Platz rangieren (30,5 Prozent). Es folgen die Väter aus Niedersachsen mit rund 29 Prozent. Sie waren sonst häufig im Mittelfeld zu finden. Auf dem letzten Platz liegen im ersten Halbjahr 2021 die Väter aus Bayern mit knapp 21 Prozent.
David Juncke hat an dem gerade erschienen Väterreport mitgewirkt. Bei der Fachtagung der LAG Väterarbeit am 16. November wird er zentrale Ergebnisse präsentieren.
Herr Juncke, welche Botschaft verknüpfen Sie mit dem aktuellen Väterreports?
Vielen Vätern ist es heute wichtig, Zeit mit der Familie zu verbringen und die Familien- und Erwerbsarbeit mit der Mutter partnerschaftlich zu teilen. Die Umsetzung dieser Wünsche wird jedoch zum einen durch äußere Rahmenbedingungen, zum anderen durch die Haltung der Väter selbst erschwert. Die Covid-19-Pandemie stellte Familien zusätzlich vor Herausforderungen, eröffnete jedoch gleichzeitig Chancen. Prognos untersuchte im Auftrag des Bundesfamilienministeriums die Wünsche der Väter von heute, deren Umsetzungsmöglichkeiten, Chancen und Hürden. Die neue Veröffentlichung ist ein Update und knüpft an die Väterreports vergangener Jahre an.
Was sind zentrale Ergebnisse des Väterreports Update 2021?
Während der Covid-19-Pandemie kümmerten sich viele Väter um die
Bildung und Betreuung ihrer Kinder. Die Erfahrungen, die Familien,
Politik und Wirtschaft in der Pandemie gemacht haben, können in Zukunft
zu einem Treiber dafür werden, dass mehr Eltern partnerschaftlich
Familie und Beruf vereinbaren können. Der Väterreport von Prognos
untersuchte in diesem Zusammenhang, was sich Väter in Familie und Beruf
wünschen und ob sie diese Wünsche inzwischen häufiger umsetzen. Welche
Rolle spielen dabei Arbeitgeber oder betriebliche Rahmenbedingungen? Und
welche Veränderungen und Chancen brachte die Covid-19-Pandemie mit
sich? Hierzu wertete Prognos aktuelle und repräsentative Befragungen und
amtliche Datensätze aus.
Betrachtet wurden die Väter aus verschiedenen Perspektiven: in ihrer
Rolle in der Familie, im Beruf und in Zusammenhang mit der
Covid-19-Pandemie. Eine Sonderstichprobe untersuchte Väter, die heute
nicht mehr mit ihren Kindern zusammenleben. Diese Gruppe von Vätern war
in der bisherigen wissenschaftlichen Literatur unterrepräsentiert. Die
Ergebnisse zeigen, dass sich auch für diese Väter das Leitbild von
Vaterschaft verändert hat.
Kann die Pandemie auch als Chance für väterliche Engagement betrachtet werden?
Die Ergebnisse zeigen, dass Väter heute ganz andere Rollenbilder,
Erziehungsziele und -prinzipien haben als früher und sie haben auch die
Chance, diese zu verwirklichen. Viele Väter wollen sich mit den Müttern
die Familien- und Erwerbsarbeit partnerschaftlich teilen – auch nach
einer Trennung. Staatliche Leistungen wie Elterngeld und Elternzeit, die
von immer mehr Vätern genutzt werden, unterstützen partnerschaftliche
Vereinbarkeit. Auch die Unternehmen haben erkannt, dass sie ihr Angebot
betrieblicher Personalpolitik auch auf Väter ausrichten müssen, um
Vorteile bei der Mitarbeiterbindung und -gewinnung zu haben.
In der Pandemie kam es zeitweise zu einer unfreiwilligen Reduzierung der
Erwerbstätigkeit von Vätern. Über flexible Arbeitszeitmodelle,
Homeoffice und Arbeitszeitreduzierung konnte ein Teil der Väter erstmals
erproben, wie ein partnerschaftliches Familienmodell im Familienalltag
funktioniert. Auch Unternehmen zeigten sich in den Hochphasen der
Pandemie aufgeschlossen und unterstützen Familien durch eine innovative
Vereinbarkeitspolitik.
Nur wenige Väter gehen länger als zwei Monate in Elternzeit.
Das liegt an strukturellen Ungleichheiten, an Arbeitgebern – und auch an den
Vätern selbst. Doch es gibt Ideen, wie sich das ändern ließe.
Als Hans-Georg Nelles vor 25 Jahren mit seiner Arbeit begann,
hieß die Elternzeit noch Erziehungsurlaub. Nur
ungefähr ein Prozent der Väter machten damals die Erfahrung, dass es eher
Arbeit als All-inclusive-Ferien gleichkommt, ein Baby zu wickeln, zu füttern
und herumzutragen, bis es einschlummert. Denn all das erledigten fast immer die
Mütter. Wenn in politischen Willenserklärungen und bunten
Arbeitgeber-Broschüren von „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ die
Rede war, dann ging es meist um Mütter, fast nie um Väter. „Das wollte ich
ändern“, sagt Nelles, der selbst drei erwachsene Kinder hat. Heute leitet
er die Landesarbeitsgemeinschaft Väterarbeit in NRW und berät Unternehmen, wie
sie „väterbewusste Personalpolitik“ machen können.
Auch wenn sich in den vergangenen 25 Jahren viel getan hat:
Die Arbeit dürfte ihm so schnell nicht ausgehen.
Spricht man mit Aktivisten wie Nelles, mit Juristinnen und
Juristen oder Wissenschaftlern, dann wird klar: Ähnlich wie Mütter machen auch
Väter im Beruf diskriminierende Erfahrungen. Es fällt nur seltener auf, weil
Männer generell seltener und kürzer in Elternzeit gehen. Da ist der
Arbeitgeber, der den werdenden Vater sicherheitshalber noch mal fragt, ob er
sich das mit der Elternzeit denn gut überlegt habe. Oder der Angestellte,
dessen Leistungsbeurteilung nach der beruflichen Auszeit schlechter ausfällt
als zuvor. Oder aber, im Extremfall, der Mitarbeiter, dem direkt nach seiner
Elternzeit die Kündigung ins Haus flattert. Andererseits gibt es auch
Beispiele, die Väter ermutigen könnten, länger im Job auszusetzen.
Bis zu drei Jahre lang können Eltern hierzulande pro Kind in Elternzeit gehen, egal ob Vater oder Mutter. Das Elterngeld, das die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen im Jahr 2007 auf den Weg brachte, wird in der Basis-Version bis zu 14 Monate an die Eltern ausgezahlt, wobei maximal zwölf Monate von einem Elternteil genommen werden dürfen. In der Praxis beantragt ein Elternteil, meist die Mutter, das Elterngeld in knapp drei Viertel aller Fälle für zwölf Monate, der andere Elternteil, meist der Vater, für zwei. Auch deshalb gelten sie umgangssprachlich als „Vätermonate“. Das kann schon mal zu Missverständnissen führen: „Teilweise fragen Vorgesetzte werdende Väter, ob sie das denn überhaupt dürften – mehr als zwei Monate in Elternzeit gehen“, berichtet Nelles. Er lacht dabei ein wenig verzweifelt. …
Das ‚Fatherhood Institute‘ stellt heute seine Studie „Lockdown Fathers, the untold story“ vor. Die Studie ist die erste, die detailliert aufzeigt, wie Großbritanniens Väter den Lockdown im Frühjahr 2020 erlebten: was sie taten, wie sie sich fühlten und welche Auswirkungen das auf ihre Kinder hatte.
Einigen ging es natürlich besser als anderen. Sie können
alle Details in den Berichten auf der Website nachlesen. Aber in Kurzform ist
die Geschichte so.
Väter:
verbrachten mehr Zeit mit ihren Kindern
bauten stärkere Beziehungen zu ihnen auf
halfen bei Hausunterricht und Hausaufgaben
wurden besser in der Kindererziehung
gewannen an Selbstvertrauen
haben mehr Einsicht in die Rolle ihrer Partner
bei der Kinderbetreuung gewonnen
erledigten mehr Hausarbeit.
Die große Frage lautet also: Wie gehen die Geschichten
weiter?
Birk Grüling, Autor von ‚Eltern
als Team – Ideen eines Vaters für gelebte Vereinbarkeit‘ im Gespräch mit der
LAG Väterarbeit in NRW
Was war der Anlass für dich,
den Ratgeber zu schreiben?
Sowohl privat als auch als Journalist habe
ich mich in den letzten Jahren sehr viel mit dem Thema Vereinbarkeit
auseinandergesetzt und damit auch mit der Frage, wie ich eigentlich arbeiten
und wie viel Zeit ich für die Familie haben will. Ein ganz wichtiger Moment in
diesem Zusammenhang war der Tod meines eigenen Vaters in der Schwangerschaft
meiner Frau. Das hat mich sehr zum Grübeln gebracht. Mein Vater hat immer viel
gearbeitet und wenig auf seine Gesundheit geachtet, am Ende hat er dadurch
seinen Enkel verpasst. Und als Journalist habe ich das Privileg, meinen eigenen
Fragen auch noch beruflich nachzugehen. So entstanden aus der privaten Suche
nach meiner eigenen Vater-Rolle viele Texte und irgendwann dieses Buch. In dem
Buch erzähle ich aber nicht nur von mir, sondern stelle Menschen und ihre
tollen Ideen zu den ganz verschiedenen Aspekten von Vereinbarkeit vor. Ein
Patent-Rezept entsteht daraus zwar nicht, aber viele spannende Impulse wie ich
finde.
Zu Beginn des Buchs schreibst
du „Vereinbarkeit ist nicht unmöglich“. Mir kommen da zwei Titel, vor 6 Jahren
auch von Journalist:innen geschrieben, in den Kopf. Nämlich: „Geht alles gar
nicht“ von Marc Brost und Heinrich Wefing und „Die Alles ist möglich-Lüge:
Wieso Familie und Beruf nicht zu vereinbaren sind“ von Susanne Garsoffky und
Britta Sembach. Was entgegnest du Ihnen aus heutiger Perspektive?
Ich habe beide Bücher nicht
gelesen und kann zu ihnen auch wenig sagen. Allerdings bin ich ein großer Fan
von konstruktivem Journalismus. Also Probleme benennen und Lösungen suchen,
statt einfach nur zu jammern und die Flinte in Korn zu werfen. Und ja, es gibt
sehr viele Probleme – von fehlenden Betreuungsplätzen bis zu alles anderes als
familienfreundlichen Arbeitsmodellen. Aber das bedeutet doch nicht, dass ich das
Thema Vereinbarkeit für mich abharken und alles so mache wie unsere
Eltern-Generation. Es muss doch etwas zwischen Hausmann und 60 Stunden Wochen
Karrieremann geben.
Eine große Rolle spielt für dich die Vorbereitung auf das
Elternsein. Du sprichst da von der Entwicklung einer „Familienvision“. Wie
können sich Väter auf das Vatersein vorbereiten und auf welche „Rolemodels“ und
Unterstützung können sie dabei zurückgreifen?
Ich glaube, der wichtigste
Schritt ist die bewusste Auseinandersetzung mit den wichtigen Fragen der
Vaterrolle. Also sehe ich mich eher als Ernährer und „Wochenendpapa“ oder will
ich wirklich in Teilzeit arbeiten und kann ich mir dabei sogar vorstellen auf
bestimmte Symbole zu verzichten. Ich habe das Gefühl, dass selbst vorher
gleichberechtigte Paare ganz schnell in „traditionelle“ Rollenbilder
abrutschen, einfach weil sie diese nie richtig hinterfragt haben. Und daraus
entstehen oft Konflikte. Im Babykurs meiner Frau beschwerten sich zum Beispiel unzählige
Mütter darüber, dass ihre Männer doch gar nicht so engagierte Papas waren, wie
der Generation der „Neuen Väter“ gemeinhin nachgesagt wird. Und ich kann sagen:
Konflikte über unausgesprochene Erwartungen klärt man lieber im Vorfeld, als
völlig übermüdet und genervt mit zahnendem Baby auf dem Arm. Deshalb würde ich
jedem raten, sich mit seiner zukünftigen Rolle auszusetzen und ruhig mal mit
anderen Vätern und natürlich mit der eigenen Partnerin darüber zu sprechen. Und
wenn ich die Rolemodels vielleicht nicht im eigenen Freundeskreis findet, kann
ich sie mir im Internet suchen und mit ihnen in Kontakt treten.
Im Zusammenhang mit der
Elternzeit schreibst du: „Noch nie standen die Chancen besser, mit alten Werten
zu brechen, der Last des alleinigen Ernährers zu entfliehen und die eigene
Vaterrolle neu und anders zu gestalten.“ Die Elternzeit gibt es ja schon seit
14 Jahren, woher rührt dein Optimismus?
Ist das wirklich optimistisch? Im
Vergleich zu allen Väter-Generationen vor uns haben wir fürstliche Möglichkeiten.
Gleichzeitig nutzen wir sie nicht genug und rutschen immer noch viel zu oft in
Rollenbilder aus den 50er Jahren. Deshalb muss es noch mehr Druck zur
Gleichberechtigung geben – zum Beispiel könnten Mütter und Väter, die
gleichberechtigt in Elternzeit gehen, mehr Geld bekommen oder sogar eine
„Pflicht“ zur Gleichberechtigung eingeführt werden, jedenfalls wenn man
Elterngeld bekommen möchte. Ich bin also eher enttäuscht darüber, dass wir
Eltern immer noch zu wenig aus den Chancen machen, bin aber froh, dass es sie überhaupt
gibt – auch wenn bei ihnen durchaus Nachholbedarf besteht.
Welche Rolle spielen dabei die letzten 14 Monate mit
Corona?
Corona ist ein komplexes Thema –
einerseits haben wir gespürt, dass zuhause arbeiten deutlich besser
funktioniert und daraus könnte eine deutlich rasantere Flexibilisierung der
Arbeitswelt entstehen. Auch manche Väter haben sich nun stärker in die
Care-Arbeit eingebracht und damit einen Wertewandel durchlaufen. Andererseits
hat die Pandemie auch gezeigt, wie groß die Probleme in diesem Land sind – zum
Beispiel, dass die Belange von Familie politisch nichts wert sind oder das auch
Bildung keine so große Rolle spielte wie die Belange von Industrie und
Wirtschaft. Und wir haben erlebt, dass am Ende in vielen Familien die Mütter
die Last der Pandemie tragen und die Väter selbst im Homeoffice gut auf
Tauchstation gehen können. Am Ende sehe
ich die Pandemie aber durchaus als Chance für Veränderungen. Jedenfalls kann
man jetzt die Probleme und die Versäumnisse nicht mehr klein oder schön reden.
Ein Thema, das sich wie ein roter
Faden durch das Buch zieht, ist die Erwerbsarbeitszeit bzw. die „30 Stunden
Woche“ als neue Vollzeit. Warum ist die Möglichkeit einer Reduzierung der
Erwerbsarbeitszeit für Väter so wichtig?
Ich hole mal
etwas theoretisch aus. Forscher der Oxford University kamen in einer Studie zum
Schluss, dass in den USA 47 Prozent aller Arbeitsplätze in den nächsten ein bis
zwei Jahrzehnten bedroht sind. In
Deutschland sieht es ähnlich aus. Wir müssen uns also schon heute Gedanken
machen, wie wir bald weniger vorhandene Arbeit besser verteilen können. Und ich
halte dabei die 30 Stunden Woche für ein tolles Modell. Die Zeit reicht aus, um
Arbeit zu gestalten und auch „Karriere“ zu machen. Auf der anderen Seite bleibt
so deutlich mehr Platz für die Familie oder das Privatleben. Außerdem ließe
sich die Arbeit besser und gerechter verteilen. Dadurch das auch sehr
hochqualifizierte Mütter oft nur geringen Umfang arbeiten, geht Unternehmen
viel Wissen und Knowhow verloren. Kurzum: Die 30-Stunden Woche wäre geeignet,
um die „Work-Life-Balance“ zu verbessern und mehr Gleichberechtigung zu
schaffen. Allerdings darf das nicht eine Akademiker-Geschichte bleiben. Auch in
der Pflege oder im Einzelhandel muss eine 30 Stunden Woche so gut bezahlt sein,
dass ich davon meinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Und davon sind wir
leider oft noch etwas entfernt.
Der Begriff des „Mental Load“
wird ja im Kontext von partnerschaftlicher Arbeitsteilung von vielen angeführt.
Du schreibst in dem Abschnitt „Wir müssen über Geld reden“ von einem „Financial
Load“, sind das zwei Seiten einer Medaille?
Ich glaube, 1 zu 1 übertragbar
sind die beiden Dinge nicht. Aber die (fast) alleinige Last des
Familienernährers ist für mich ein wichtiges Thema, über das zu wenig
besprochen wird. Dieses Modell ist nämlich immens gefährlich und sehr
belastend. Dem Alleinernährer darf nichts passieren, von seinem Gehalt lebt die
Familie. Kommt es doch zu einem Unfall oder einer schweren Erkrankung, wird es
richtig schwer für die Familie – nicht nur emotional, sondern auch finanziell.
Von den negativen Auswirkungen auf die Rentenansprüche der Frau ganz zu
schweigen – Kinder groß zu ziehen, ist ein großes Armutsrisiko im Alter.
Deshalb müssen wir dringend auch die „Last“ der Erwerbsarbeit besser verteilen
und dazu gehört auch die Überwindung des Gender Pay Gaps. Und wir Väter
gewinnen dabei nur: Wir müssen weniger arbeiten, müssen uns weniger Sorgen
machen, ob das Gehalt für alle wohl reicht und haben noch mehr Zeit für die
Kinder. Achja, Paare, die gleichberechtigt arbeiten, haben auch noch ein
deutlich höheres Familieneinkommen als Alleinernährer.
„Vereinbarkeit ist kein Sprint
sondern ein Marathon“ steht auf einer der letzten Seiten deines Buchs. Was
müssen Väter in jedem Fall beachten, damit sie die „Strecke“ durchhalten?
Familienleben ist hoch dynamisch.
Ständig tauchen neue Herausforderungen auf. Geschwister werden geboren,
Arbeitszeiten verändern sich, die Schulzeit beginnt, auch unvorhersehbare Dinge
wie Krankheiten bringen alte Routinen durcheinander. Deshalb muss ich auch in
Sachen Vereinbarkeit ständig nachjustieren und immer wieder neue Wege und
Lösungen suchen. Denn alles was gestern noch reibungslos klappte, kann morgen
schon völlig unpassend sein. Deshalb ist es wichtig, im Gespräch zu bleiben und
sich auch als Eltern-Team regelmäßig zu fragen, ob die vor zwei Monaten oder
zwei Jahren getroffenen Entscheidungen noch heute passen oder ob gegengesteuert
werden muss. Das ist glaube ich das wichtigste Rezept beim Durchhalten. Am Ende
müssen einfach alle Beteiligten zufrieden sein.
Rund 1,9 Millionen Frauen und Männer in Deutschland haben im
Jahr 2020 Elterngeld erhalten. Das waren rund 4.000 oder 0,2 % weniger als im
Jahr 2019. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, hat sich
die Zahl der Männer mit Elterngeldbezug im Vorjahrsvergleich um 6.500 erhöht
(+1,4 %), dagegen ging die Zahl der leistungsbeziehenden Frauen um
10 500 (-0,7 %) zurück. Dadurch stieg der Väteranteil auf 24,8 %
(2019: 24,4 %). Damit hat sich der kontinuierliche Anstieg des
Väteranteils auch 2020 fortgesetzt. Im Jahr 2015 hatte er noch bei 20,9 %
gelegen.
Der Väteranteil gibt den Anteil der männlichen Bezieher an
allen Elterngeldbezügen an. Er würde also genau 50 % betragen, wenn bei allen
Kindern sowohl der Vater als auch die Mutter gleichermaßen Elterngeld beziehen
würde.
Erhebliche regionale Unterschiede bei den
Väteranteilen
Spitzenreiter im Bundesländervergleich mit einem Väteranteil
von 30,0 % im Jahr 2020 war Sachsen, gefolgt von Bayern und Berlin mit je
27,2 %. Am niedrigsten lagen die Väteranteile 2020 im Saarland
(19,1 %) sowie in Bremen (20,7 %).
34,7 % der berechtigten Frauen und 14,2 % der
Männer wählten Elterngeld Plus
552.000 Bezieherinnen und Bezieher von Elterngeld planten im
Jahr 2020 die Inanspruchnahme von Elterngeld Plus, und zwar 34,7 % der
Mütter und 14,2 % der Väter. Seit seiner Einführung wird das Elterngeld
Plus immer stärker nachgefragt. Zwar fällt das Elterngeld Plus in der Regel monatlich
niedriger aus als das sogenannte Basiselterngeld, wird dafür aber länger
gezahlt (bis zu 36 Bezugsmonate für beide Elternteile zusammen im Vergleich zu
14 Monaten beim Basiselterngeld). Der prozentuale Anteil der Empfängerinnen und
Empfänger von Elterngeld, die bei ihrem Elterngeldbezug zumindest anteilig auch
Elterngeld Plus einplanten, betrug im Jahr 2020 insgesamt 29,6 %. Das
waren 1,8 Prozentpunkte mehr als noch 2019.
Keine Änderung bei den von Vätern geplanten
Bezugsdauern
Die durchschnittliche Dauer des geplanten Elterngeldbezugs
lag bei den Frauen im Jahr 2020 bei 14,5 Monaten (2019: 14,3 Monate). Die von
Männern angestrebte Bezugsdauer war mit durchschnittlich 3,7 Monaten dagegen
deutlich kürzer. Damit blieben die geplanten Bezugsdauern der Väter in
den vergangenen Jahren praktisch konstant (2017 und 2019: ebenfalls 3,7 Monate;
2018: 3,8 Monate).
Herr Nelles, Frauen- und Kinderverbände wurden aus der
gesellschaftlichen Defensive gegründet. Gegen wen will sich das
Bundesforum Männer behaupten?
Wir wenden uns gegen Ignoranz gegenüber den Anliegen von Männern,
Jungen und Vätern. Aber wir haben uns nicht aus der Defensive heraus
zusammengeschlossen. Ich habe damals in den neunziger Jahren bei meinem
damaligen Arbeitgeber mit einem Projekt zur beruflichen Qualifizierung
während des Erziehungsurlaubs begonnen. Wir haben ausdrücklich auch
Väter angesprochen. Das Thema Erziehungsurlaub musste aus der Frauenecke
heraus. Die Zahl der Väter, die Erziehungsurlaub nahmen, war zwar sehr
gering. Aber es gab auch damals schon den Wunsch nach einer anderen
Aufteilung von Berufs- und Familienarbeit. Daran haben wir gearbeitet
und uns zusammengetan, um Kommunikationslinien in die Politik und in die
Verbände hinein aufbauen. Den Anfang machte das „Väterexpertennetz“.
Bald kamen auch Themen für Nichtväter dazu. Ein wichtiger Partner war
die evangelische Kirche, die schon lange eine sehr elaborierte
Männerarbeit geleistet hat. 2008 sind wir mit dem
Bundesfamilienministerium in Gespräch gekommen. Dort zeigte man sich
sehr aufgeschlossen, denn einen zentralen Ansprechpartner für die
Belange von Männern gab es nicht. 2010 haben wir mit zunächst zwei
Dutzend Verbänden das Bundesforum Männer gegründet – nicht gegen
irgendjemanden, sondern um Themen von Jungen, Männern und Vätern
gebündelt nach vorne zu bringen.
Personell grenzen Sie sich von Frauenverbänden ab, inhaltlich von
Männerbündnissen mit traditionellen Rollenbildern. Was genau ist Ihr
Markenkern?
Zentral für uns sind Geschlechtergerechtigkeit und Dialog. Es geht
uns um Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen. Wir treten in den
Dialog mit denjenigen, die zuständig sind für Gesetzgebung und für
Arbeitsbedingungen. Mit der IG Metall haben wir uns zum Beispiel darüber
auseinandergesetzt, wie sich Arbeitszeiten so gestalten lassen, dass
sie aktive Vaterschaft ermöglichen. Einige unserer Mitgliedsvereine
legen ihren Schwerpunkt auf Gewaltprävention oder Gesundheitsvorsorge.
Die Lebens- und Arbeitsweise von Männern führt dazu, dass sie eine
niedrigere Lebenserwartung haben. Zu vernünftigen Ergebnissen in der
Gleichstellungspolitik kommen wir nur, wenn wir das ganze Leben von
Männern betrachten.
Gehören dem Bundesforum Männer auch Vereine und Organisationen mit traditionellen Männerthemen an?
Wir sind im Gespräch zum Beispiel mit dem Nationalen Olympischen
Komitee und anderen Vereinen. Aber Bedingung für eine Mitgliedschaft bei
uns ist, dass die Interessen von Männern in der eigenen Organisation
thematisiert werden. Es gibt zwar viele große Vereine, in denen
massenhaft Männer organisiert sind, die spezifische Perspektive von
Jungen, Männern und Vätern wird dort aber oft noch nicht adressiert.
Doch es gibt Bewegung. Väter im Fußball, zum Beispiel, ist durchaus ein
Thema.
Klassiker traditioneller Männerarbeit sind Holzhacken oder Reparaturen rund ums Haus. Was ist Ihr Verständnis von Männerarbeit?
Wir arbeiten daran, Geschlechterklischees zu überwinden. Viele Männer
wollen beim Kindergartenfest nicht nur am Grill stehen. Sie möchten
auch fürsorglich sein und als Erziehungspartner akzeptiert werden. Die
gesetzlichen Rahmenbedingungen, etwa das Ehegattensplitting, wirken
jedoch einer partnerschaftlichen Aufteilung der Erwerbs- und
Familienarbeit entgegen. Derartige Fehlanreize führen dazu, dass Männer,
gerade wenn sie Väter geworden sind, nicht das Leben führen können, das
sie eigentlich gerne leben würden.
Die meisten Ihrer Mitgliedsorganisationen kommen aus den Bereichen
Bildung, Gesundheit, Kirche, Arbeit und Soziales. Sind auch Unternehmen
eingebunden?
Mit der „Väter gGmbH“ haben wir ein Mitglied, das sehr aktiv und
erfolgreich Netzwerkarbeit für Väter in Unternehmen betreibt. Die Väter
gGmbh berät bundesweit Unternehmen zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und
Familie aus Vätersicht. In verschiedenen Branchen wurden Väternetzwerke
aufgebaut, im Bankenwesen ebenso wie in Mobilfunkunternehmen, in der
Pharmaindustrie und im Handel. Ich würde allerdings vehement der These
widersprechen, dass kleine Betriebe sich mit der Väterarbeit schwerer
tun als Großkonzerne. Aus eigener Erfahrung in Unternehmen verschiedener
Größe kann ich berichten, dass es immer darauf ankommt, die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf tatsächlich zu leben und vorzuleben.
Wenn ein Handwerksmeister ein halbes Jahr in Elternzeit geht und
tatsächlich „nur“ 30 Wochenstunden im Betrieb ist, wird sich etwas
verändern.
Sie haben viele Aktive aus dem kirchlichen Bereich. Wie sieht es aus
mit Organisationen anderer Religionsgemeinschaften. Gibt es unter Ihrem
Dach islamische Verbände?
Aktuell liegt uns ein Mitgliedsantrag des Sozialdienstes muslimischer Frauen (SmF) vor . . .
Eines Frauenverbandes?
Ja, der Sozialdienst betreibt auch eine sehr engagierte Väterarbeit.
Einen Sozialdienst muslimischer Männer gibt es bislang nicht. Die
Aufnahme des SmF wäre in der Tat ein Präzedenzfall. Aber in unseren
Mitgliedsverbänden sind nicht ausschließlich Männer tätig. Einige
schicken auch weibliche Delegierte zu unseren Mitgliedsversammlungen.
Ihr Verband empfiehlt sich der Politik aber als Ansprechpartner für
die Anliegen von Männern. Was unterscheidet männer- von
frauenpolitischen Themen?
Die unterschiedliche Perspektive. Im Koalitionsvertrag ist zum
Beispiel vereinbart, dass das Umgangs- und Sorgerecht neu geregelt wird.
Unsere Erwartung war, dass die Interessen von Vätern künftig früher
berücksichtigt werden und unverheiratete Väter nach der
Vaterschaftsanerkennung automatisch sorgeberechtigt sein werden. Danach
sieht es aber nun leider nicht aus. Dabei hatte eine Arbeitsgruppe von
Familienrechtlern diesen Reformschritt empfohlen und überzeugend
dargelegt, dass Kinder von Geburt an Anspruch auf zwei sorgeberechtigte
Eltern haben.
Wo sehen Sie weiteren Handlungsbedarf, wenn es um die Rechte und Interessen von Jungen, Männern und Vätern geht?
Das Feld vor und rund um die Geburt von Kindern muss insgesamt
stärker ins Blickfeld rücken. Denn bereits bei der Geburtsvorbereitung
werden die Weichen gestellt für alles weitere, was man später versucht,
durch Gleichstellungspolitik zu reparieren. Deshalb ist es so wichtig,
Vätern zu diesem frühen Zeitpunkt Angebote zu machen. Noch viel mehr
passieren müsste beim Gewaltschutz. Auch Männer werden Opfer häuslicher
Gewalt. Zumindest im Hellfeld nicht so häufig wie Frauen, aber der
Anteil liegt immerhin bei rund 20 Prozent. Für Männer gibt es jedoch
kaum Schutzräume. Einige Gewaltschutzwohnungen wurden mittlerweile im
Rahmen von Modellprojekten in Bayern und in Nordrhein-Westfalen
eingerichtet. In Sachsen gibt es ebenfalls eine Einrichtung. Aber
insgesamt sind es viel zu wenige. Wir bräuchten auch deutlich mehr
Beratungsstellen für Männer, die häusliche Gewalt erleben. Auf einer
Internetseite haben wir bislang rund 280 Angebote gebündelt, damit
Männer möglichst frühzeitig Hilfe suchen und Krisen überwunden werden
können, ohne dass es zur Trennung kommt.
Ihr Verband arbeitet ja auch mit Frauenorganisationen zusammen. Bei
welchen Themen funktioniert die Kooperation gut und wo gibt es
Differenzen?
Wir haben von Anfang an mit dem Deutschen Frauenrat
zusammengearbeitet. In den allermeisten Fällen klappt das sehr gut. Aber
manchmal haben wir unterschiedliche Perspektiven, etwa im Bereich
Pflege. Mit der Ausgangsthese, Männer würden sich hier nicht engagieren,
erreicht man nichts. Gerade ältere Männer übernehmen häufig
Pflegeverantwortung für ihre Frauen oder Partnerinnen, fast ebenso
häufig wie ältere Frauen. Wenn man erreichen möchte, dass Männer sich
insgesamt mehr in der Pflege engagieren, auch beruflich, sollte man auch
anerkennen, wo sie bereits als Pflegende aktiv sind.
Die Corona-Pandemie gilt als Rückschlag für die
Gleichstellungspolitik. Frauen und Mütter gelten als die Verliererinnen.
Stimmen Sie zu?
Nein, das sehe ich nicht so. Die Corona-Krise wirkt wie ein
Brennglas, das heißt man sieht in besonderer Schärfe, was vorher schon
war. So hat sich in der Pandemie besonders bemerkbar gemacht, dass
überwiegend die Männer Vollzeit arbeiten und die Frauen sehr häufig in
Teilzeit tätig sind, wenn sie Familie haben. Wie sich dieses Modell in
der Corona-Krise auf die Familie ausgewirkt hat, war zum Teil sehr stark
branchenabhängig. Arbeitet der Mann in einem Unternehmen, das
Kurzarbeit anmeldete, blieb er zu Hause. Eine Partnerin, die im
Pflegebereich tätig ist, war beruflich voll eingespannt. Aber nach einer
Umfrage, die das Bundesfamilienministerium in Auftrag gegeben hatte,
ist die Aufteilung bei der Kinderbetreuung in knapp 60 Prozent der
Familien so gut wie gleich geblieben. In rund 20 Prozent der befragten
Familien ging es partnerschaftlicher zu und in weiteren rund 20 Prozent
wurde die Aufteilung ungleicher. Einen großen Trend zur
Retraditionalisierung sehe ich hier nicht. Im Gegenteil: Das familiäre
Engagement der Väter hat in der Corona-Krise stärker zugenommen als in
früheren Jahren, auch wenn Frauen sich insgesamt noch mehr engagieren.
Ihr Verband blickte im November 2020 auf sein zehnjähriges Jubiläum zurück. Was gab es zu feiern?
Unser Verband und unser Einfluss sind deutlich gewachsen. Nicht nur
in Berlin, auch in vielen Bundesländern werden unsere Themen
aufgegriffen. Aber es gibt weiterhin viel zu tun. Die traditionelle
Überzeugung, dass Kinder und Mütter mehr zusammengehören und Väter
zweitrangig sind, ist immer noch da. Vor allem bei den Themen Trennung,
Sorge und Unterhalt sind wir noch lange nicht am Ziel.
Treffen Sie sich mit Ihrem Sohn manchmal zu einem klassischen Männerabend?
Dazu haben wir leider zu selten Gelegenheit gehabt. Seit dem Abitur
vor 13 Jahren ist mein Sohn in der Weltgeschichte unterwegs. Mal
gemeinsam vor dem Fernseher abzuhängen und Bier zu trinken, das wird, in
Zeiten von Corona, in diesem Jahr aber klappen.
In dieser Studie, deren Ergebnisse sicher auch auf Deutschland und Österreich übertragen werden können, wird (auch) der volkswirtschaftliche Nutzen der Arbeit mit Vätern und Beratungs- und Bildungsangebote für sie dargelegt
Die ersten Lebensjahre eines Kindes sind entscheidend für dessen
weitere Entwicklung. Dasselbe gilt für die Rahmenbedingungen, die diesen
Lebensabschnitt begleiten sollten. Sie sind unerlässlich, um
Chancengerechtigkeit für jedes Kind zu gewährleisten und es in die Lage zu
versetzen, sein Potenzial zu entfalten. Wenn jedes Kind schon vor dem
Schuleintritt in seiner Entwicklung unterstützt wird, unabhängig von seiner familiären
Situation und seinem Hintergrund, dann sind die langfristigen Vorteile gegeben:
für das Kind in Bezug auf Bildung und berufliche Entwicklung, für die Eltern in
Bezug auf den Zugang zum Arbeitsmarkt und das Lohneinkommen und schließlich
auch für den Staat selbst.
Das vorliegende White Paper der Jacobs Foundation ist ein Novum:
Zum ersten Mal wird für die Schweiz aufgezeigt, dass ein Ausbau der
Betreuungsangebote im Frühbereich auch positive Auswirkungen auf die Schweizer
Volkswirtschaft hat. Die Jacobs Foundation hat die diesem White Paper
zugrundeliegende Studie von BAK-Economics und die darin durchgeführten
Simulationen von verschiedenen namhaften Ökonomen und Politikern und
Politikerinnen begleiten lassen, um einen qualitativ hochwertigen Prozess
sicherzustellen.
Diese Studie ist das finale Projekt der Forschungsagenda der Jacobs Foundation, ein wesentliches Element ihrer Strategie 2016––2020 zur Verbesserung der Rahmenbedingungen im Bereich der frühen Kindheit in der Schweiz. Eine Strategie, die sowohl auf die Politik als auch auf die Wirtschaft abzielt, damit in unserem Land eine echte Politik der frühen Kindheit entwickelt werden kann.