Interview mit Fabian Soethof, Autor des Buchs ‚Väter können das auch!
Der Titel deines am 21. März erscheinenden Buches lautet
‚Väter können das auch!‘ Was können Väter und was können sie unter
welchen Umständen lernen?
Außer mit der Brust zu stillen und Babys zu gebären – wobei auch das
nur auf biologische Männer zutrifft – können sie alles, was Frauen auch
können und sich schon viel zu lange viel zu oft allein darum kümmern:
Care-Arbeit, Mental-Load-Übernahme, in Elternzeit und Teilzeit gehen,
Karriere-„Rückschritte“ in Kauf nehmen, anwesend, aktiv und eine echte
Bezugsperson sein. Viele glauben nur, es nicht zu können oder zu dürfen.
Weil ihnen in ihrer Sozialisation seit Jahrzehnten nichts anderes
erzählt wird. Und weil sie oft nicht gelassen werden: von der
Gesellschaft, der Wirtschaft, der Politik – und von sich selbst.
‚Es ist Zeit, Familie endlich gleichberechtigt zu leben‘
steht ebenfalls auf der Titelseite. In der Ausgangslage schreibst du
dazu: ‚ich möchte mit dem Buch ein Plädoyer für eine ‚private,
gesellschaftliche und politische Veränderung von Familie, Arbeit,
Vereinbarkeit und Rollenbildern‘ bieten‘. Was sind die drei wichtigsten
Punkte deines Plädoyers und vor allem, wie sieht der Weg der Veränderung
aus?
Die drei wichtigsten Punkte auf dem Weg hin zu mehr Gleichberechtigung lauten vielleicht:
- Privilegien, patriarchale Strukturen, Rollenbilder und
Ungerechtigkeiten erkennen: Nur wer weiß, wie vergleichsweise gut er
oder sie es hat, kann dafür sorgen, dass es anderen auch mal besser
geht.
- Es gibt kein Wissens-, sondern ein Handlungsdefizit: Fast alles, was
in meinem Buch steht, ist seit Jahren bekannt. Theoretisch steht
Gleichberechtigung also nichts mehr im Wege – praktisch unter anderem
das, was ich auf die erste Frage hin antwortete.
- Das Private ist politisch (und umgekehrt): Nur wer
Gleichberechtigung selbstverständlich in der Familie und von dort hinaus
vorlebt, kann zu einem Rollenwandel beitragen. Und nur, wer von Politik
und Wirtschaft dabei hinreichend unterstützt wird, kann sein
Privatleben ändern.
In dem Buch sprichst du auch eine Einladung an Väter aus, ihr
Verhalten und ihre Haltungen zu reflektieren. Was macht es für Väter
attraktiv, sich weniger der Erwerbs- und mehr der Carearbeit zuzuwenden?
Zuallererst ist es der Satz: Niemand wird auf dem Sterbebett bereuen,
zu wenig gearbeitet und seine Kinder nur am Wochenende gesehen zu
haben. Das sage ich wohlwissend, dass gerade geringverdienende
Einverdienerhaushalte oft auf jeden Cent angewiesen sind. Eine gute
Bindung zu seinen Kindern erscheint mir aber nicht nur für Väter
attraktiv. Kinder profitieren von mehreren engen und wichtigen
Bezugspersonen und „modernen“ Vorbildern. Und die Gesellschaft
profitiert von einem Rollenwandel: Frauen landen als (potentielle)
Mütter nicht länger auf dem beruflichen Abstellgleis. Väter tragen den
Financial Load nicht länger allein. Und die nächste Generation lernt,
dass auch Männer den Haushalt schmeißen und Frauen jeden Job machen
können, den sie wollen.
In dem Buch kommen eine Reihe Väterexpert*innen und
Feminist*innen zu Wort. Ein Paradigma aus der feministischen Sphäre
lautet ‚Don’t fix the women – fix the system‘. Auf die Väter bezogen
lautet die Frage also: Welche strukturellen Rahmenbedingungen im
‚System‘ müssen thematisiert und ggf. verändert werden?
Sprechen wir von Arbeitnehmer*innen, so müssen Männer eher gestern
als morgen für Arbeitgeber*innen das gleiche „Risiko“ darstellen, wegen
bevorstehendem Nachwuchs länger als nur zwei Wochen auszufallen. Damit
Frauen zumindest auf dem Arbeitsmarkt nicht länger derart benachteiligt
werden. Wir kommen u.a. durch längere Elternzeiten bei Vätern, mehr
Männer in Teilzeit und notfalls finanzielle Anreize dahin. Folgen davon
könnten eine Verkleinerung des Gender Care Gaps und des Gender Pay Gaps
sein, eine positive Kettenreaktion würde in Gang gesetzt. Erst dann wäre
auch keine Quote mehr nötig.
In dem Interview mit Uwe von dem Software Unternehmen SAP
sagt dieser: ‚Es gibt die X- oder Y- Strategie. Gehe ich davon aus, dass
alle Mitarbeiter*innen schlecht sind … oder davon, dass sie alle
eigenmotivierte Individuen sind, die ich nur bei Bedarf unterstützen
muss?‘ Könnte der Titel deines Buch dementsprechend auch ‚Väter wollen
das!‘ lauten?
Naja. Viele Väter wollen „das“ ja nicht, zumindest nicht wirklich.
Sonst würden nicht nur rund 30 Prozent aller Väter Elternzeit in
Anspruch nehmen, sondern mindestens 60 Prozent. Viele behaupten, dass
sie wollen, aber der Chef es ihnen schwer mache und die Familie ja auch
auf „sein“ Geld angewiesen sei, oft stecken nur eine
Anstrengungsvermeidung oder andere Prioritäten dahinter. Ein
Teufelskreis: Mit den Argumenten und der Aufteilung bleiben wir als
Familien und als Gesellschaft in puncto Gleichberechtigung noch lange da
stecken, wo wir jetzt stehen: auf scheinbar gutem Weg, aber noch längst
nicht so weit, wie wir sein könnten. Die Parität des neuen Kabinetts
und der Koalitionsvertrag gehen übrigens mit überraschend gutem Beispiel
voran. Darin lautet ein hehres Ziel: „Die Gleichstellung von Frauen und
Männern muss in diesem Jahrzehnt erreicht werden“. Mark their words!
Vielen Dank für deine Antworten.
Eine Rezension des Titels finden Sie hier.
Quelle