Männerzeitung goes Istanbul
Erstellt von Hans-Georg Nelles am 3. September 2015
… und macht spannende Erfahrungen: Es ist zwei Uhr nachts, in den Straßen lärmen die Katzen, und es wird wahr, was es heißt: Dass man in Istanbul den Schlaf fernzuhalten versucht mit allen Mitteln. Auf unserer Dachterrasse ist es noch warm, über die Lichter der Stadt sieht man zum Bosporus mit seinen Schiffen. Aber die Woche geht zu Ende, die Texte sind angeschrieben, entworfen oder schon ausgeführt, und wir hoffen, dass wir die Vielfalt abbilden können, der wir hier begegnen. Denn Vielfalt und Leben: Das ist Istanbul.
Wir saßen im Büro des würdevollen Theologieprofessors, wir diskutierten mit Genderfachleuten und sprachen mit einer Frauenaktivistin über Ehrenmorde. Wir sprachen mit Männern und Frauen, die biografisch zwischen Istanbul und der Schweiz und Deutschland pendeln.
Wir sprachen über die Bedeutung von Geschlecht und Rolle in einer Gesellschaft, die vom Westen her gesehen eng und patriarchal zu sein scheint. Im Hinterkopf hatten wir unsere Reise nach Schweden mit ihrem Vorzeigemodell von Vereinbarkeit und Diversität. Wir brachten auch Fragen mit, an denen sich im Westen die Geschlechterdebatte entzündet: Scheidung, Militärdienst, Beschneidung.
Unsere Erkenntnisse: Die Unterschiede zwischen Mann und Frau sind in jedem Moment greifbar. Frauen und Männer bewegen sich an unterschiedlichen Orten, sie sind seltener in Paaren als in Gruppen anzutreffen, viele, gerade auch junge Frauen tragen Schleier. Aber die Frau im Schleier spaziert Arm in Arm mit ihrer Freundin im kurzen Rock – und beide halten das Handy griffbereit. Es gibt noch die Männer, die unter sich im Café sitzen, und es gibt Männer, die im Ausland studiert haben und gegen Sexismus in der Sprache bloggen. Die Kategorie «Mann» oder «Frau» verliert angesichts der Vielfalt der Lebensentwürfe an Trennschärfe – und das ist sehr wohltuend. Istanbul ist eine Stadt, die Gegensätze in Vielfalt verwandelt.
und sonst noch online zu lesen:
Es gibt keine Rechtfertigung für Mord an Frauen Die türkische Anwältin und Frauenaktivistin Ipek Bozkurt wehrt sich in ihrem Heimatland gegen Ehrenmorde. Ihr Ziel: Den türkischen Rechtsstaat zu stärken.
Eine Tochter der Revolution In ihrem Film «Mon père, la révolution et moi» erzählt die türkischstämmige Filmemacherin Ufuk Emiroglu die Geschichte ihres Vaters, eines ehemaligen Berufsrevolutionärs in der Türkei.
Die türkische Genderdenkfabrik Die türkische Eliteuniversität Sabanci bietet ein «Purple Program» an. Die Seminarwoche will Mittelschullehrer und -lehrerinnen auf Genderfragen sensibilisieren.
Endlich mehr Papizeit Schon mehrere hundert Väter unterstützen die «Papizeit»-Aktion der Gewerkschaft «Travail Suisse». Samuel Steiner hat mit vier von ihnen gesprochen.
Abgelegt unter Allgemein | Keine Kommentare »