Eine geteilte Obhut hebelt das gemeinsame Sorgerecht faktisch aus
Erstellt von Hans-Georg Nelles am 9. März 2015
Der ‚paritätische Doppelresidenz‘ nach einer Trennung oder Scheidung kommt nicht nur m Hinblick auf die Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder eine entscheidende Rolle zu. Auch bei der Frage, inwieweit überkommene Rollenbilder und –erwartungen festgeschrieben oder aufgelöst werden, spielt sie eine wichtige Aufgabe. Vor diesem Hintergrund kommentiert Ivo Knill im aktuellen Newsletter von männer.ch die Entscheidung des Nationalrats gegen das ‚Wechselmodell‘:
„Vergangenen Mittwoch, am 4. März 2015, hat der Nationalrat die Revision des Unterhaltsrechtes beraten – und sich gegen die ausdrückliche Ermöglichung der alternierenden Obhut entschieden. Ein sehr bedauerlicher Entscheid. Vor allem enttäuscht hat die SP. Während die Grünen mehrheitlich für die Ermöglichung der alternierenden Obhut stimmten, votierte die SP geschlossen dagegen. Die SP-Fraktion liess ihre eigene Bundesrätin, Simonetta Sommaruga, im Regen stehen, die diesen Zusatz mit Nachdruck unterstützte, und gab den Ausschlag zur Ablehnung der Vorlage.
Aber beginnen wir von vorne: Das debattierte Unterhaltsrecht regelt – ergänzend zum Sorgerecht – wer das Kind betreut und wer bezahlt. Anders als oft angenommen, ist mit der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht automatisch eine Aufteilung der elterlichen Pflichten und des Unterhaltes verbunden. Vielmehr bleibt der tägliche Umgang mit dem Kind weiterhin nur einem Elternteil zugordnet. männer.ch und Gecobi haben diese Logik immer wieder kritisiert. Denn: Sie zementiert das patriarchale Ernährermodell. Eine geteilte Obhut hebelt das gemeinsame Sorgerecht faktisch aus.
Und eben: Besonders tragisch in der nationalrätlichen Debatte war, dass sich ausgerechnet die SP von einer falschen Logik leiten liess. Wenn auch mit guten Absichten folgten die Fraktion einer Argumentation, die im tiefsten Dunkel des Geschlechterkampfes verankert ist: Die SP-Frau Ursula Schneider Schüttel begründet die Ablehnung der alternierenden Obhut wie folgt:
«Das ist nicht etwa ein Votum gegen die verstärkte Beteiligung der Männer an der Familien- und Betreuungsarbeit, aber diese darf nicht erst im Trennungs- und Scheidungsfall beginnen. Der Tatbeweis, liebe Männer, muss früher erbracht werden und nicht erst, wenn über den Unterhalt diskutiert wird.»
An diesem Votum ist so ziemlich alles schief, was schief sein kann. Denn, erstens: Väter von kleinen Kindern engagieren sich heute 30 Stunden in Haushalt und Kinderbetreuung – und zwar pro Woche. Das ist sehr wohl ein Tatbeweis! Väter erbringen einen Drittel der Familienarbeit und erwirtschaften drei Viertel des Einkommens. Dies zu übersehen ist ein klarer Affront gegenüber allen Männern, die sich echt darum bemühen, neben einem Vollzeitjob zuhause als Vater präsent zu sein. Zweitens: Es ist völlig klar, dass bei einer Scheidung nur für die Väter die alternierende Obhut in Betracht kommt, die auch bereit sind, den Tatbeweis zu erbringen und die Betreuung zu übernehmen. Es braucht hier also nicht nach einem Tatbeweis gerufen werden – es muss vielmehr ermöglicht werden, dass ihn die Väter erbringen können.
Klar ist: Wenn die Frauen aus dem Haushalt heraus in die Wirtschaft gefördert werden sollen, dann müssen Männer auch in die familiäre Arbeit hinein gefördert werden. Weder Frau noch Mann sollten für Chancengleichheit Tatbeweise erbringen müssen. Denn klar ist eben auch: Solange Frauen in der Arbeit und die Männer in der Familie diskriminiert werden, können wir, liebe Ursula Schneider Schüttel, noch lange auf «Tatbeweise» warten. …“
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