Mut heißt heute, Gefühle zu zeigen
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Freitag 22. November 2013
Der New Yorker Soziologe und Männlichkeitsforscher Michael Kimmel erzählt im Interview mit dieStandard.at, wie man als Mann anderen Männern den Feminismus näherbringen kann:
„STANDARD: Wie kann man Männer für Feminismus begeistern?
Kimmel: Wenn Männer an Geschlechtergleichstellung denken, glauben die meisten, es habe nichts mit ihnen zu tun. Manche glauben auch, wenn die Frauen gewinnen, verlieren wir. Andere hören von Geschlechtergleichstellung und denken sich: Okay, das ist der Sei-nett-zu-den-Ladies-Tag. Hören wir ihnen ein bisschen zu und dann können wir wieder Fußball schauen gehen. Am besten sind noch die, die sagen: Okay, wir verstehen, worum es geht. Ich sage allen: Das geht euch auch an, hier geht es um eure Beziehungen zu euren Freunden, Kindern, Partnerinnen, Ehefrauen, zu euch selbst. Feminismus ist tatsächlich eine feine Sache für uns Männer.
STANDARD: Können Sie das durch handfeste Beispiele erläutern?
Kimmel: Nehmen wir Männer im Haushalt. Je mehr Männer die Hausarbeit mit ihren Frauen teilen, desto glücklicher, gesünder und besser in der Schule sind ihre Kinder, desto glücklicher und gesünder sind ihre Frauen und sie selbst. Und: Tatsächlich haben diese Männer mehr und besseren Sex. Also da gibt es viele Gründe. …
STANDARD: Aber was ist anerzogen und was wirklich „biologisch“?
Kimmel: Die Frage ist: Was machen diese Unterschiede für einen Unterschied? Bei Männern und Frauen ist die Schnittmenge der Gemeinsamkeiten größer als jene der Unterschiede. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen untereinander sind jeweils viel größer. Manche Frauen wollen Gehirnchirurginnen werden, andere Hausfrauen sein. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, zu sagen, sie müssen das jeweils andere tun.
STANDARD: Und Männer?
Kimmel: In den 1970ern ordneten Psychologen den Geschlechtern Eigenschaften zu: Sie kodierten durchsetzungsstark, kompetent und ehrgeizig als maskulin. Feminin war: nährend, liebevoll und gütig. Die Frauen sagten: Ja, wir sind nährend, liebevoll und gütig, aber auch das andere. Die Männer reagierten nicht sofort. Jetzt tun sie es. …
STANDARD: Es gibt noch immer den Begriff des „echten Mannes“. Da gehört Mut und Stärke dazu. Muss man Begriffe wie Mut nicht neu definieren?
Kimmel: Früher hieß Mut, dass man absolut ruhig blieb angesichts jeder Gefahr. Männer mussten den eigenen Schmerz ignorieren, um Helden zu sein. Gefühle zu zeigen bedeutete Schwäche. Wir sind jetzt in der Anfangsphase der Neudefinition. Der Mut der neuen Männer ist auch die Fähigkeit ihre Gefühle zu zeigen, egal, was irgendwer darüber denkt. Und die Fähigkeit für das aufzustehen, was man für richtig hält, gehört da auch dazu. Das ist echter Mut. …“