Vom Scheitern der Ansprüche an Väter
Erstellt von Hans-Georg Nelles am 6. November 2009
Im Jugendmagazin Jetzt der Süddeutschen berichtet Tina Baier über die Fachtagung ‚Doing Family’ am vergangenen Mittwoch und Donnerstag in Berlin. Ihre These: ‚Männer wollen sich in der Familie engagieren, doch meist genügen sie ihren Ansprüchen nicht’. Ihr Resultat: ‚die Väter scheitern!’
Die Beiträge der anwesenden Forscher legen aber eine differenziertere Sicht nahe
„Die jungen Männer sind ziemlich verzweifelt auf der Suche nach Leitbildern“, sagte Karin Jurczyk vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) auf der Fachtagung „In unserer Gesellschaft gibt es kein positives Bild von Männlichkeit, das Väterlichkeit mit einschließt.“
Auffällig ist, dass gerade Männer, die vor der Geburt des ersten Kindes für Gleichberechtigung in der Partnerschaft eintreten, sich später sogar weniger an Erziehung und Haushalt beteiligen als Männer, die sich an einem traditionellen Familienbild orientieren. Fabienne Becker-Stoll vom Staatsinstitut für Frühpädagogik in München glaubt, dass dies auch an den Frauen liegt. Nach ihrer Erfahrung wünschen sich vor allem Paare aus der gut ausgebildeten Mittelschicht eine gleichberechtigte Partnerschaft. Wenn das erste Kind kommt, lasse sich jedoch immer wieder dasselbe Muster beobachten: Die zuvor beruflich sehr engagierte Mutter stürzt sich mit demselben Elan auf ihr „neues Projekt Kind“. Dem Vater bleibt oft kaum Raum, sich zu beteiligen.
Gleichzeitig fühlen sich solche Frauen mit dem ersten Kind sehr belastet, da sie enorme Ansprüche an sich als Mutter haben, aber – anders als im Berufsleben – noch über keiner Kompetenz auf diesem Gebiet verfügen. Das führt zu Stress und Problemen in der Partnerschaft; der Mann zieht sich in die Arbeit zurück, was sich auch ökonomisch gut rechtfertigen lässt, da bei Paaren, bei denen die Frau eine gut bezahlte Stelle hatte, tatsächlich ein großer Teil des Familieneinkommen wegfällt.
Damit sich Männer in Zukunft mehr als Väter engagieren können, muss sich die Arbeitswelt noch weiter verändern, glaubt Karin Jurczyk. Auch Männer müssten als Menschen mit Sorgeverpflichtungen betrachtet werden. Derzeit herrsche in den meisten Unternehmen noch eine Anwesenheitskultur: Nur wer lange da ist, gilt als wichtig – unabhängig von der Leistung.
Nach Ansicht von Hans Bertram von der Philosophischen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität wird sich in Zukunft die eigentliche Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr zwischen Männern und Frauen abspielen, sondern zwischen Menschen, die hochflexibel den Anforderung der globalisierten Arbeitswelt entsprechen, weil sie keine Verpflichtungen haben und Menschen mit Fürsorgepflichten, sei es für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige.
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