der VÄTER Blog

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Werden Großväter ‚neue Väter‘?

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 10. März 2023

In dieser Studie aus dem Jahr 2010 untersuchten Penny Sorensena und Neil J. Coopera, wie 14 Großväter, die in einem ländlichen Gebiet im Osten Englands leben, ihr Großvatersein und -werden verstehen. Mit den Großvätern wurden locker strukturierte Interviews geführt, um ihnen die Möglichkeit zu geben, über die Themen zu sprechen, die sie für wichtig hielten. Mit Hilfe der ‚Grounded-Theory‘ wurde die Großvaterschaft in den Lebensgeschichten der Teilnehmer verortet, wobei drei Hauptelemente im Vordergrund standen: das Mann-Werden, die Aufrechterhaltung der Männlichkeit während der Vaterschaft und die potenzielle Neupositionierung der Männlichkeit als Großvater. Diese Studie zeigt, dass die Großvaterschaft vor allem eine individuelle Erfahrung ist.

Zu Beginn der Studie stellen die Autor*innen die bisherige Forschungslage dar. Großelternschaft hat ihrer Auffassung nach in der Forschung einige Aufmerksamkeit erregt, aber ältere Menschen in Familien wurden tendenziell stereotypisiert oder übersehen und bei der Untersuchung von Großeltern bedeutet der Begriff „Großeltern” meist „Großmutter. Ältere Männer erden als unsichtbare Männer beschrieben, die in der Forschung häufig vernachlässigt werden.

Die frühe Forschung zur Großelternschaft verknüpfte die Großmutterschaft mit geschlechtsspezifischen Betreuungsaufgaben und positionierte Großväter als Randfiguren. Eine Studie über Familien in East London aus dem Jahr 1957 lieferte einige der ersten Erkenntnisse über die Beziehungen zwischen Rentnern und ihren Kindern, zeigte aber insbesondere die Bedeutung der Mutter-Tochter-Beziehung auf, insbesondere den gegenseitigen Austausch bei häuslichen und pflegerischen Tätigkeiten.

Mit dem Wandel der Familienstrukturen und dem Eintritt von mehr Frauen in den Beruf wird der potenzielle Wert von Großeltern in der britischen Politik zunehmend anerkannt. Dementsprechend hat die Forschung zur Großelternschaft zugenommen, wobei anerkannt wird, dass sie routinemäßige Unterstützung bei der Kinderbetreuung und Hilfe in Krisenzeiten, z. B. bei Beziehungsabbrüchen, leisten.

In dem politischen Diskurs wird nach wie vor davon ausgegangen, dass Großmütter oder geschlechtsneutrale “Großeltern” an der Familienbetreuung beteiligt sind. Diese Position wird von der zeitgenössischen Forschung geteilt, die an den traditionellen Erwartungen an Frauen als „Angehörigenpflegerinnen” festhält, die für die Aufrechterhaltung von Familienbeziehungen über den gesamten Lebensverlauf hinweg von zentraler Bedeutung sind.
Es wird davon ausgegangen, dass diese Identitätsnorm das Engagement von Großmüttern für ihre Enkelkinder fördert. Im Gegensatz dazu war für viele Männer, die Großväter sind, die Arbeit die Grundlage ihrer Identität, und männliche Berufe schlossen Betreuungsarbeit aus, insbesondere für die Generation, die in den 1950er und 1960er Jahren ins Berufsleben eintrat. Ohne Erfahrung in der Pflegearbeit können ältere Männer in der Familienforschung ins Abseits geraten.

In einer US-amerikanischen Arbeit über Großelternschaft wurden 1964 fünf verschiedene Stile der Großelternschaft entwickelt: formell; spaßsuchend; Reservoir der Familienweisheit; distanzierte Figur; und Elternersatz. Die „formelle” Rolle wurde von etwa einem Drittel der Großväter und Großmütter eingenommen, die sich an das hielten, was sie als „richtige” Bindung ansahen, während sie eine Trennung zwischen Elternschaft und Großelternschaft aufrechterhielten. Die Rolle des Vergnügungsträgers, die als Freizeitbeschäftigung und Quelle des Selbstgenusses charakterisiert wird, wurde von 24 % der Großväter und 29 % der Großmütter eingenommen. Die Rolle des Reservoirs der Familienweisheit wurde von 6 % der Großväter und 1 % der Großmütter eingenommen. Die Rolle der distanzierten Figur, die wenig soziales oder emotionales Engagement für die Enkelkinder beinhaltet, wurde von 29 % der Großväter gegenüber 19 % der Großmütter angegeben. Während 14 % der Großmütter eine elterliche Betreuungsrolle übernahmen, waren keine Großväter in dieser Funktion zu finden.

20 Jahre später fanden weitere Studien heraus, dass Großmütter sich stärker engagierten, wenn die Enkelkinder noch klein waren, während das Engagement der Männer mit zunehmendem Alter der Kinder zunahm. Und, dass Großväter den Wunsch nach einer kontinuierlichen Beziehung zu ihren Enkelkindern haben und ein starkes emotionales Engagement zeigen. Großväter üben ihre Großelternschaft auf individuelle Weise aus und vermischen ihre Rollen oft.
Sich für die Familie einzusetzen und zu ihrem Wohlergehen beizutragen, kann auch als generative Tätigkeit betrachtet werden. Männer und Frauen können nach Abschluss der Erziehung der eigenen Kinder Aspekte ihrer selbst, die sie verdrängt haben, zurückgewinnen. Insbesondere Männer, die für die elterliche Rolle als Ernährer und Verteidiger der Familie ihre fürsorglichen Züge aufgegeben haben, können nach dem Wegfall der elterlichen Verantwortung diese Eigenschaften zurückgewinnen und beginnen, „Sinnlichkeit, Zugehörigkeit und mütterliche Tendenzen” zu zeigen.

“Als Mann hatte man nicht wirklich viel mit seinen Kindern zu tun, man musste es auch nicht. Das hat nur deine Frau gemacht. Es war nicht so wie heute, wo alles aufgeteilt werden muss und jeder zuerst darüber spricht und all das. Die Kinder waren ihr Ding.”

Als Ergebnis der 14 Interviews halten die Autor*innen fest, dass die Gespräche über die Großvaterschaft mit denen über die Kindheit und die Vaterschaft einhergingen. Die eigenen Kindheitserfahrungen beeinflusste die Art von Vätern, die die Männer wurden, und diese wiederum beeinflusste die Art von Großvätern, die sie wurden.
Der historische Kontext, Zweite Weltkrieg und Wehrdienst, prägte die Karrierewege vieler Männer, aber auch die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in den Familien machte sie zu Ernährern. Die Erwerbsarbeit war ein zentrales Element ihrer männlichen und väterlichen Identitäten. Als Ernährer beschrieben sie, dass sie durch die Geburt von Kindern länger arbeiten mussten, was bedeutete, dass sie weniger Zeit mit ihren Kindern verbringen konnten. Die Vaterschaft wurde zwar als positiv beschrieben, sie hatten aber nicht so viel mit den Kindern zu tun, da die Mutter die zentrale Familienfigur war.

Die Mehrheit der Männer betrachtete die Großvaterschaft als eine Gelegenheit, neue und enge Beziehungen zu den Kindern in der Familie aufzubauen. Der Verwandtschaft spielte dabei keine Rolle, es wurden keine Unterschiede zwischen Stiefenkeln und leiblichen Enkeln gemacht. Diese Männer waren nicht die in der 1980er Jahren beschriebenen „distanzierten Großvaterfiguren“. Vielmehr waren sie aktive Mitgestalter von Beziehungen, und diese Rolle war von zentraler Bedeutung für ihre Selbstidentität.
Enkelkinder, insbesondere Enkel, ermöglichten den Männern einen Zugang zur Emotionalität und schufen eine Nähe, die sie mit ihren Kindern nur selten erlebt hatten. Während väterliche Identitäten sozial und historisch konstruiert sind und entsprechende Vorstellungen davon haben, wie „gute Vaterschaft” ausgeübt wird, scheint Großvaterschaft stärker individualisiert zu sein. Großvaterschaft bietet einen „Spielraum“ bei der Schaffung neuer männlicher Identitäten innerhalb der Familie.

Diese Studie zeigt die Bedeutung des Vaters als Versorger im Leben von Männern, die jetzt Großväter sind. Sorensena und Coopera halten es für wahrscheinlich, dass die heutigen Väter, die sich mit der Erwartung des engagierten Vaters auseinandersetzen, die Großvaterschaft anders umsetzen und erleben als ihre Väter. Die Teilnehmer dieser Studie beschrieben, dass sie als Väter ein Leben am Rande ihrer Familien führten, was es ihnen erschwerte, aktiv an den Alltagserfahrungen ihrer Kinder teilzuhaben. Als Großväter waren diese Männer im Leben ihrer Enkelkinder präsent und nahmen diese Rolle mit Begeisterung an. Im Gegenzug beeinflussten die Enkelkinder das Leben der Männer, indem sie eine Quelle demonstrativer Emotionalität einbrachten, die ihnen in ihrer Erfahrung als Väter fehlte.

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Oma und Opa sind gefragt

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 6. März 2023

Veränderungen in der Enkelbetreuung, das Wohlbefinden von Eltern und das Wohlergehen von Kindern waren die Kernpunkte der von der Stiftung Ravensburger Verlag angestoßenen Studie, deren Ergebnisse im Sommer des vergangenen Jahres präsentiert wurden

Oma und Opa gefragt? war die Ausgangsfrage des zweijährigen Projektes, mit dem sich ein Team aus Familien- und Bildungsforscherinnen am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB Wiesbaden und Berlin) befasst hat.

Für den Zusammenhalt der Generationenuntereinander hat die Frage, inwiefern Oma und Opa gefragt sind, eine wichtige Bedeutung: Die Betreuung der Enkel durch die Großeltern kann zum Zusammenhalt der Enkel- und Großelterngeneration beitragen, aber auch zum Zusammenhalt der Eltern- und Großelterngeneration.

Im ersten Teil der Studie geht es um die Frage, wie sich vor dem Hintergrund familienpolitischer Veränderungen die Betreuung durch Großeltern über die Zeit veränderte. In welchem Zusammenhang stehen Großelternbetreuung und Kita-Betreuung? In einem zweiten Studienschwerpunkt wurde die Frage beantwortet, in welchem Zusammenhang eine Großelternbetreuung und kindliche Entwicklungsmaße sowie elterliche Zufriedenheit stehen.

Als Ergebnis ihrer Untersuchung halten die Forscher*innen fest, dass die Betreuung der Enkel durch Großeltern in Deutschland seit vielen Jahren ein bedeutsamer Bestandteil der Betreuungswirklichkeit von Kindern zwischen null und zehn Jahren ist. Im Detail zeigt sich, dass bei Kindern im Krippenalter die Großeltern sowohl am Vor- als auch Nachmittag eine Bedeutung haben, während es bei älteren Kindern die Nachmittagsbetreuung ist.
Neben der planmäßigen Unterstützung sind Großeltern auch für die Betreuung in Notfällen relevant. Ungefähr 60 Prozent aller Großmütter und 40 Prozent aller Großväter unterstützen im Notfall bei der Betreuung ihrer Enkelkinder.
Zusätzlich betreuen Großeltern im Bedarfsfall. Wird die Großelternabfrage nicht auf eine regelmäßige Betreuung beschränkt, sondern umfasst auch eine Betreuung „nach Bedarf“, gibt rund die Hälfte aller Eltern von unter Dreijährigen und etwa 55 Prozent der Eltern von Kindern zwischen drei und sechs Jahren, die noch die Kita besuchen, an, dass die Großeltern normalerweise eine Kinderbetreuungsfunktion übernehmen.

Wenn Großeltern bei der Kinderbetreuung mitwirken, kann man bei Müttern zwei Effekte beobachten: Sie sind zufriedener mit der Kinderbetreuung und mit ihrer eigenen Freizeit. Ihre Zufriedenheit mit der Kinderbetreuungssituation steigt um 14 Prozent an. Dieser Effekt geht auf Eltern mit Kindern im Kindergartenalter zurück – für diejenigen mit Grundschulkindern ist er nicht festzustellen.

Bei den Vätern sind die Effekte auf die Zufriedenheit im statistischen Sinne nicht so stabil. Die Zufriedenheit der Väter mit der Kinderbetreuungssituation steigt um 21 Prozent, wenn ihre Kinder von den Großeltern betreut werden. Die Kinderbetreuung durch die Großeltern senkt jedoch die Zufriedenheit der Väter mit ihrer Karriere um 7 Prozent.

Die Effekte der Betreuung der Großeltern auf die Kinder entspricht nicht denen, die einer Kita mit einer hohen Qualität zugesprochen werden. Dies wird damit erklärt, dass Kinder in Kitas mit Gleichaltrigen agieren, die Kita einen expliziten Bildungsauftrag hat und dort pädagogische Fachkräfte beschäftigt sind.
„Der Befund, dass wir kaum Effekte im Mittel aller Kinder messen können, zeigt aber auch, dass eine Großelternbetreuung nicht zu einer größeren Entwicklungsauffälligkeit von Kindern oder Ähnlichem beiträgt. Vielmehr kann vermutet werden, dass diese gemeinsame Zeit mit den Großeltern Wirkungen zeigt, die eher mittel- bis langfristiger Natur sind.“

In ihren Schlussfolgerungen für die zukünftige Kinderbetreuungspolitik, beschreibt die Studie auch in den kommenden Jahren einen großen Bedarf, dass Familien auf diese „Betreuungsressourcen“ zurückzugreifen. Für Familien, deren Großeltern nicht mehr leben oder zu weit weg wohnen, müssten diese Ungleichheiten im Zugang und der Verfügbarkeit von intergenerationalen Unterstützungsleistungen durch ehrenamtliche und professionelle „Großelterndienste“ begegnet werden.

Großelternbetreuung ist, so ein weiteres Ergebnis, in den letzten Jahren trotz Kita-Ausbau weitgehend konstant geblieben, sie ist eine wichtige Komponente im Leben von jungen Familien und hilft den Eltern. Eltern, die sie nicht nutzen können, wünschen sich in großem Maß eine stärkere Einbindung von Oma und Opa. Erwerbstätigen Eltern stehen weiterhin vor großen Herausforderungen – selbst wenn die Kita-Betreuung noch weiter ausgebaut wird.

Sie sind vor allem auf eine familienfreundliche Arbeitswelt angewiesen. Eine Arbeitswelt die Möglichkeiten bereit hält, auf Notfälle und ungeplante Bedarfe reagieren zu können. Eine familienbewusste Unternehmenskultur ist von großer Bedeutung und wird in Zukunft noch an Bedeutung zunehmen.

Link zum Download der Studie

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Verständnisvoller Spielkamerad statt abwesender Ernährer

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 6. Februar 2023

Studie der TU Braunschweig und FH Kiel gibt Einblicke in Selbstbild und Selbstverständnis von Vätern

Wie nehmen Väter sich selbst und ihre Familie wahr? Haben sie Probleme, Vaterschaft und Berufstätigkeit zu vereinbaren? Wie sieht es mit der Geschlechtergerechtigkeit und der Arbeitsorganisation im Familienalltag aus? Diese und andere Fragen untersuchten Sozialwissenschafter*innen der Technischen Universität Braunschweig und der Fachhochschule Kiel in ihrer Studie „VAPRO – You don’t need to be Superheroes“.

(c) Kim Bräuer

Die Rolle von Vätern ist in den vergangenen Jahren immer mehr in den gesellschaftlichen Fokus gerückt. Debatten wie #dazuhatpapanichtszusagen, Diskussionen um einen 14-tägigen Vaterschutz und nicht zuletzt die Erweiterung der Elternzeit um zwei Vätermonate spiegeln diese Entwicklung wider. „Trotz der vermehrten Diskussion um die Rolle von Vätern ist diese seit einigen Jahren nicht mehr umfassend wissenschaftlich untersucht worden. Diese Lücke wollten wir mit unserer Studie schließen“, erklärt Projektleiterin Dr. Kim Bräuer von der TU Braunschweig. Im Rahmen der VAPRO-Studie befragte das Team um Bräuer und Prof. Dr. Kai Marquardsen von der Fachhochschule Kiel 2.200 Väter online und führten 55 qualitative Interviews. Dabei berücksichtigten sie neben rechtlichen und biologischen Vätern auch Pflegeväter, Väter in Co-Parenting-Konstellationen und homosexuelle Väterpaare. Außerdem wurden nicht nur die Männer selbst befragt, sondern auch die (Eigen-)Darstellung von Vaterschaft in sozialen Medien analysiert.

Das Bild vom Vater, der mit seinem Einkommen die Familie ernährt und mit den Kindern höchstens am Wochenende spielt, ist passé. Tatsächlich ist es Vätern heute vor allem wichtig, ihre Kinder „empathisch und verständnisvoll“ zu erziehen. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der VAPRO-Studie. Das Ideal des emotionalen Vaters ist weit verbreitet. So ist es fast 60 Prozent der Väter am wichtigsten, dass sie ihrem Kind bzw. ihren Kindern Zuneigung zeigen. Der Trend zu vermehrter aktiver Vaterschaft sei klar erkennbar, so die Wissenschaftler*innen. Dabei engagieren sich die Väter am häufigsten in der Kinderbetreuung, indem sie zum Beispiel mit den Kindern spielen. Deutlich seltener übernehmen die Väter aktive Erziehungsmaßnahmen.

Das Bild vom Vater als Ernährer dominiert nicht mehr

Ein Großteil der befragten Väter hat sich von dem Bild des Vaters als Ernährer gelöst. Nur rund 12 Prozent von ihnen halten es für ihre wichtigste Aufgabe, der Familie finanzielle Sicherheit zu bieten. „Die von uns befragten Väter haben angegeben, dass ihnen monetäre Werte nicht so wichtig seien, wie soziale oder emotionale Werte“, erklärt Prof. Dr. Kai Marquardsen. In diesem Zusammenhang kritisierten viele der Interviewten ihre eigenen Väter unter anderem als „zu bestimmend“, als „abwesend“ und „mit der Arbeit zu beschäftigt“. Sie nutzen ihre Väter als „negatives Vorbild“ und betonen, dass sie selbst als Vater bewusst anders handeln würden.

Dennoch sind fast 85 Prozent der Väter wöchentlich 40 Stunden oder mehr erwerbstätig, während fast drei Viertel der anderen Elternteile nicht oder maximal 30 Stunden in der Woche arbeiten. Trotzdem nimmt fast jeder zweite Vater an, dass er sich genauso viel um familiäre Angelegenheiten der Kinderbetreuung kümmert, wie der andere Elternteil. Lediglich jeder zehnte Vater übernimmt die meisten Aufgaben der Familienarbeit. Dies sind vor allem Väter, die ihre Erwerbstätigkeit beendet oder deren Umfang reduziert haben, um mehr Zeit für ihre Familie und die Versorgung der Kinder zu haben.

Viele Väter, auch das ist eine Erkenntnis der Studie, geben an, ihren eigenen Vorstellungen guter Vaterschaft nicht gerecht zu werden. „Hier zeigen sich Parallelen zur Mutter als Allrounderin, die im Job erfolgreich sein muss und gleichzeitig liebevoll die Kinder und ihre Verwandten umsorgt“, erklärt Kim Bräuer. „Der Trend geht also weg von der ‚klassischen‘ Rollentrennung hin zu einem ‚Alle-erfüllen-alle-Rollen‘ und dieses möglichst perfekt. Dabei erleben die Väter nicht nur einen Work-Family-Konflikt. Es scheint auch darum zu gehen, sich in ihrem Freundeskreis, in Vereinen oder bei der Versorgung der Eltern einzubringen und ihren Kindern auf diese Weise soziale Werte vorzuleben,“ so Bräuer.

Väter bloggen nicht über Armut

Im Rahmen ihrer Studie haben die Sozialwissenschaftler*innen die Instagram-Accounts von sieben sehr populären Väterbloggern und deren Bild von Vaterschaft analysiert. Hier herrscht das Ideal des zumeist weißen, aktiven Vaters. Vaterschaft in Armut oder Vatersein mit Migrationserfahrung würden hingegen kaum thematisiert, erklärt Prof. Marquardsen. „Das lässt sich damit erklären, dass Armut mit Scham behaftet ist und Väter in Armutslagen sich – auch virtuell – nicht offenbaren wollen. Väter, deren Leben von einem geringen Einkommen geprägt ist oder die auf Leistungen vom Staat angewiesen sind, finden unter Väterbloggern also niemanden in ähnlicher Lebenslage.“ Auch unter #ichbinarmutsbetroffen fanden die Wissenschaftler*innen nur wenige Berichte von Vätern in Armutslagen.

Es sei schwierig gewesen, für Interviews Kontakt zu Betroffenen herzustellen, da diese in besonderer Weise unter dem Druck gesellschaftlicher Normalitätsvorstellungen stünden, erklärt der Kieler Sozialwissenschaftler: „Selbstverständlich finden wir auch unter Vätern in Armutslagen eine Vielfalt im Erleben von Vaterschaft. Aber im Unterschied zu anderen Vätern ist für sie vor allem die materielle Versorgung der Familie wichtigeres Thema. In unseren Interviews wurde deutlich, dass für sie insbesondere Herausforderungen auf materieller Ebene eine Rolle spielen, die bei Vätern in gesicherten Verhältnissen kein Thema waren “, so Marquardsen. „Insgesamt besteht bezüglich des Erlebens von Vaterschaft von Vätern in Armut aber weiter dringender Forschungsbedarf. Nicht zuletzt wissen wir noch zu wenig darüber, welche kurz- und längerfristigen Einflüsse gesellschaftliche Krisenereignisse wie Corona oder eine steigende Inflation auf die Praxis gelebter Vaterschaft in verschiedenen Milieus haben.“

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Ziel des Projekts war es auch, Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber*innen, Koordinator*innen von Väternetzwerken und politische Akteur*innen zu entwickeln, um die Lebenslagen von Vätern sichtbarer zu machen und ihre Situation und die ihrer Familien nachhaltig zu verbessern. Väterarbeit, so die Empfehlung der Forschenden, solle sich verstärkt auf deren alltägliches Handeln beziehen. Es gehe weniger darum, ein neues Bild von Vaterschaft zu vermitteln, als die Väter stärker in alltägliche Aufgaben einzubinden, erklärt Bräuer: „Es wäre denkbar, Väter aktiv als Elternsprecher anzufragen, Väterschwimmkurse anzubieten oder sie aktiv zum Beispiel in Elternchats anzusprechen.“ Unterstützung wünschen sich die Wissenschaftler*innen außerdem durch entsprechende familienpolitische Reformen. „Das würde es vielen Vätern leichter machen, spezielle Angebote der Arbeitgeber*innen auch tatsächlich anzunehmen.“

Studiendesign

Die VAPRO Studie hatte eine Laufzeit von zweieinhalb Jahren und wurde von der Stabstelle für Chancengleichheit der TU Braunschweig und dem Braunschweiger Zentrum für Gender Studies finanziert. Die Forscher*innen wählten einen Methoden-Mix und werteten 55 qualitative Interviews, eine Online-Umfrage mit bundesweit 2.200 Teilnehmern und sieben Instagram-Accounts von Väterbloggern aus.

Weitere Informationen

Abschlussbericht: https://leopard.tu-braunschweig.de/receive/dbbs_mods_00071776

Projekthomepage: www.tu-braunschweig.de/familienbuero/vaeter

VAPRO-Instagram-Account: https://www.instagram.com/dadsaredads/

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Mensch Papa! Die Wissenschaft vom Vatersein

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 4. Februar 2023

Was macht das Vaterwerden mit Männern? Wissenschaftler untersuchen, wie sich Männer psychisch und physisch während der Schwangerschaft, der Geburt und in den ersten Jahren mit ihren Kindern verändern. Diese Dokumentation geht auf eine Entdeckungsreise und begleitet drei Männer in Deutschland, Frankreich und Schweden während ihres Abenteuers, Papa zu werden und Vater zu sein.

Die arte Dokumentation zeigt, wie sich Männer während der Schwangerschaft, der Geburt und in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder verändern, und welche Bedeutung sie dabei für ihre Kinder haben.
Anna Machin, Evolutionsanthropologin der Universität Oxford, erforscht das Verhältnis von Vätern zu ihren Kindern. Die Ergebnisse ihrer Studien belegen, dass gegen Ende der Schwangerschaft und bei der Geburt das Testosteron der Väter sinkt. Das hilft ihnen, liebevoller auf ihre Kinder zu reagieren. Die Forschungsresultate Marian Bakermans-Kranenburgs von der Universität Leiden deuten darauf hin, dass Väter, die bereits in der Schwangerschaft täglich mit ihrem Baby kommunizieren, auch später eine stärkere Bindung zum Kind haben.
Was passiert bei der Geburt mit Männern? Damit hat sich der Gynäkologe Kai Bühling im Rahmen einer Studie beschäftigt. Rund 90 Prozent der Väter erleben die Geburt als positiv – aber es gibt auch Männer, die sich um negative Veränderungen sorgen, vor allem, was die Sexualität angeht. Die Neurobiologin Ruth Feldman aus Tel Aviv hat sich in großangelegten Studien die Gehirnregionen von Müttern und Vätern angeschaut. Ihr Ergebnis: Nicht nur die Gehirne der Frauen, sondern auch die der Männer verändern sich nach der Geburt – vorausgesetzt, sie sind engagierte Väter.

Spannende wissenschaftliche Erkenntnisse, verwoben mit persönlichen Geschichten von Vätern aus drei unterschiedlichen Ländern, ergeben einen faszinierenden Film über das Phänomen des Vaterwerdens und der Wichtigkeit des Vaterseins.

Nächste Ausstrahlung am:

  • Samstag, 4. Februar um 22:50
  • Mittwoch, 22. Februar um 02:00
  • Sonntag, 26. Februar um 07:45

Quelle

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Engagement von Vätern – Die Pandemie hat den kulturellen Wandel beschleunigt

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 27. Dezember 2022

… good News at the turn of the year

‚Experten zufolge könnte die Pandemie zu einer tiefgreifenden Veränderung der Väterrolle führen‘ lautete eine Vermutung, die in einem Beitrag des Guardian über die Auswirkungen der ersten sechs Monate der Corona Pandemie geäußert wurde. Die Zahl der Stunden, die Männer mit ihren Kindern verbringen, ist in diesem Zeitraum sprunghaft angestiegen und könnte zu einer dauerhaften Neubewertung des Wertes der Vaterschaft und zu einer Veränderung der Arbeitsmuster führen.

„Das Jahr 2020 hat das Bild der Gesellschaft von der Vaterschaft verändert und könnte nach Ansicht von Forschern, Wirtschaftsführern und Aktivisten den tiefgreifendsten Wandel bei den Betreuungsaufgaben seit dem Zweiten Weltkrieg bewirken.“

Führungskräfte haben aus erster Hand erfahren, was es bedeutet, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, und dass beide Elternteile dazu in der Lage sein müssen, wird Ann Francke, Geschäftsführerin des Chartered Management Institute, in dem Beitrag zitiert, und „Väter sind von entscheidender Bedeutung, um die Gleichstellung von Müttern voranzubringen, ohne Fortschritte für Väter zu Hause kann es keine Fortschritte für Mütter am Arbeitsplatz geben, das sind zwei Seiten derselben Medaille.

Drei Monate später wurde erneut die Frage aufgeworfen, ob die Erfahrungen, die Väter während des Lockdowns gemacht haben, zu einer dauerhaften Veränderung führen könnten. In dem Artikel kommt auch Michael Lamb, Psychologieprofessor in Cambridge und Autor mehrerer wissenschaftlicher Texte über Vaterschaft und die Aufteilung der elterlichen Arbeit zu Wort:

„… die Erfahrungen der Väter werden sehr unterschiedlich sein, denn einige haben die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, andere nicht, und wieder andere haben ihren Arbeitsplatz vielleicht ganz verloren. „Dennoch sehen wir jetzt, dass viele Männer sich engagieren und erkannt haben, dass es ziemlich schwierig ist, gleichzeitig ein Haus zu führen, ein guter Vater zu sein und den beruflichen Anforderungen gerecht zu werden.”

Lamb sieht dies als große Chance: „Für viele Väter wird dieses Jahr eine Chance gewesen sein, Beziehungen aufzubauen, die tiefer und breiter sind, als es sonst der Fall gewesen wäre. Es wird Väter geben, die einige der Freuden und Vorteile der Vaterschaft auf eine Art und Weise erkennen, wie es ihnen in der Vergangenheit nicht möglich war.”

Ende Dezember, also knapp drei Jahre nach dem Beginn der Pandemie liegen nun Zahlen vor, die nahelegen, dass die Pandemie tatsächlich als „Katalysator für Veränderungen“ gewirkt hat:
Die Covid-Beschränkungen waren ein außerordentlicher Katalysator für Veränderungen im Leben der berufstätigen Väter, sagte Adrienne Burgess, Mitgeschäftsführerin des Fatherhood Institute. Ihre Analyse zeigt, dass die Zeit, die alle Väter in Großbritannien mit der Betreuung ihrer Kinder verbringen, seit 2015 um fast ein Fünftel (18 %) gestiegen ist, von durchschnittlich 47 Minuten pro Tag auf 55 im Jahr 2022.

„Mütter arbeiten mehr und Väter übernehmen mehr Kinderbetreuung und Hausarbeit. Wenn es darum geht, wie wir die Gleichstellung der Geschlechter messen, haben sich in diesen beiden Bereichen gewaltige Verschiebungen ergeben”, sagte Burgess.

Die Pandemie scheint auch Auswirkungen auf die Betreuungsarbeit von berufstätigen Vätern zu haben. In den Jahren 2014-15 verbrachten Mütter in Großbritannien 86 % mehr Zeit mit der Betreuung von Kindern als Männer, was im Zeitraum März-April 2020 auf 13 % zurückging.

Seitdem hat sich die Kluft zwar vergrößert, ist aber immer noch geringer als zuvor. Im März 2022 verbrachten Mütter 53 % mehr Zeit mit der Betreuung ihrer Kinder als Männer – ein Rückgang der Betreuungslücke um 33 Prozentpunkte.

Vielleicht handelt es sich um eine Momentaufnahme, aber immer mehr Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit tatsächlich verändert: Mütter arbeiten mehr und Väter kümmern sich mehr. Das wirkt nachhaltig jüngste Forschungen über die Einstellung zur Geschlechterrolle legen nahe, dass diese ‚neuen Väter‘ ein „exponentielles Wachstum der Geschlechtergleichheit über Generationen hinweg” bewirken können.

Diese Beschreibung und die Zahlen beziehen sich auf Großbritannien, ich bin aber der Überzeugung, dass die Effekte, die Michael Lamb beschrieben hat, auch auf Väter in Deutschland und andere Ländern übertragen lassen.

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Väter sind nach einer Trennung unzufriedener

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 6. Dezember 2022

Leben die Eltern nicht mehr zusammen, sind Väter unzufriedener mit den Familienarrangements. Diese und weitere Erkenntnisse liefert eine aktuelle Studie der Eidgenössischen Kommission für Familienfragen (EKFF).

Zwei von fünf Ehen werden in der Schweiz geschieden. Bei etwas weniger als der Hälfte der Scheidungen (46%) sind minderjährige Kinder involviert. Doch über den Alltag und die Lebensumstände von Kindern, deren Eltern nicht mehr zusammenwohnen, ist wenig bekannt.

Diese Lücke schließt eine Anfang Dezember publizierte Studie, die von der Eidgenössischen Kommission für Familienfragen (EKFF) in Auftrag gegeben wurde. Diese basiert auf einer repräsentative Onlinebefragung, an der fast 3000 getrenntlebende Eltern und 244 Jugendliche teilgenommen haben.

Demnach sind fast drei Viertel der Kinder regelmäßig bei beiden Eltern sind und übernachten auch dort. Allerdings verbringt die Hälfte der Kinder im Alltag mindestens zwei Drittel der Nächte bei der Mutter.

Weiter legt die Studie dar, dass die Betreuungsanteile von Mutter und Vater vor der Trennung das Familienarrangement nach der Trennung beeinflussen. So sei es wahrscheinlicher, dass die Kinder später beim überwiegend betreuenden Elternteil wohnen, wenn bereits vor der Trennung eine ungleiche Aufteilung herrschte.

Das gelebte Familienarrangement hängt eng mit dem Ausbildungsniveau der Eltern – und somit ihren Verdienstmöglichkeiten – zusammen. So ist der Anteil der Kinder, die in beiden Haushalten wohnen, bei Eltern ohne Berufsabschluss deutlich tiefer (33%) als bei jenen mit Hochschulabschluss (62%). Solche Arrangements sind der Studie zufolge in erheblichem Maß eine Frage der finanziellen Ressourcen.

Drei Viertel der Mütter und zwei Drittel der Väter haben in der Studie angegeben, dass die aktuelle Lösung für ihre Situation die beste sei. Bei näherem Hinschauen zeigt sich aber, dass die Väter in allen Familienarrangements weniger zufrieden sind als die Mütter. ‚Die Unzufriedenheit der Väter richtet sich insbesondere auch gegen die Aufteilung der finanziellen Lasten zwischen ihnen und den Müttern‘, schreiben die Forschenden. …

Eine weitere Erkenntnis, welche die Studie liefert: Eltern beteiligen die Kinder nach der Trennung häufig nicht an Entscheidungen zum Betreuungsmodell. ‚War ein Kind bei der Trennung zwischen 8 und 17 Jahre alt, so hat ca. die Hälfte der Eltern es beim Aushandeln des Familienarrangements nach seinen Wünschen gefragt‘, schreiben die Autor*innen. War das Kind jünger, sinkt der Anteil auf knapp einen Viertel.

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Bringing Baby Home – Väter im ersten Jahr nach der Geburt

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 16. Juni 2022

‚Bringing Baby Home‘ lautet der Titel der aktuellen Studie des britischen Fatherhoodinstituts. Dabei wurden empirische Daten über Väter und Vaterschaft im Vereinigten Königreich im ersten Jahr nach der Geburt untersucht. Wer sind die Väter, wie agieren sie, was beeinflusst ihr Handeln, welche Wirkungen auf Kinder und Mütter haben sie und wie gehen die Gesundheitsdienste mit ihnen um.

Was das Fatherhoodinstitut herausgefunden hat, bestätigt eine bedauerliche Tatsache: Die Gesundheits-Systeme sind nicht darauf ausgerichtet, neue Väter anzusprechen und zu unterstützen, obwohl es eindeutige Beweise dafür gibt, dass ein routinierter Umgang mit ihnen in der Perinatalperiode dringend erforderlich ist. Es gibt drei klare Gründe, die für eine bessere Unterstützung sprechen:

  1. Die körperliche und seelische Gesundheit der Väter hat erhebliche Auswirkungen auf die künftige Gesundheit und das Wohlbefinden des Kindes. Zu den negativen Folgen für das Kind, die nachweislich mit den Eigenschaften und Verhaltensweisen der Väter zusammenhängen, gehören ein erhöhtes Risiko für Fettleibigkeit, Atemprobleme und eine beeinträchtigte kognitive Entwicklung.
  2. Mütter wollen und können von einer besseren Einbindung des Vaters profitieren, indem sie bessere Geburtsergebnisse und -erfahrungen, eine bessere Unterstützung bei der Erholung nach der Geburt und bei der Aufnahme und Fortsetzung des Stillens sowie ein größeres Potenzial für eine Aufteilung der Betreuungsaufgaben erhalten
  3. Die Perinatalperiode ist ein „goldener Moment“, um Gesundheitsprobleme und Verhaltensweisen der Väter selbst zu erkennen und anzugehen.

Die Studie sowie eine Zusammenfassung der Ergebnisse finden Sie hier.

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STARK – Streit und Trennung meistern. Alltagshilfe, Rat & Konfliktlösung

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 7. Februar 2022

Innerhalb des Teilprojekts an der LMU München „Sich fair trennen und weiter gemeinsam erziehen” wird aktuell eine Studie zum Alltag in Trennungsfamilien durchgeführt. Hierfür werden getrennte Eltern zu ihrem Wohlbefinden, und zu ihren täglichen Herausforderungen und Bewältigungsstrategien, z.B. in der Zusammenarbeit mit dem anderen Elternteil, befragt.

Es ist den Forscher:innen besonders wichtig, mit der Studie eine große Bandbreite von Eltern, und insbesondere auch Väter zu erreichen. Die Vielfalt der Erfahrungen der Studienteilnehmenden soll uns helfen, das Online-Angebot auf der Website auf den Bedarf von getrennten Vätern und Müttern zuzuschneiden. Die Eltern erhalten für ihre Teilnahme an der Studie zudem eine Aufwandsentschädigung von 40 €.

In der Studie geht es um die Situation von Familien, in denen sich die Eltern getrennt haben. Es ist auch geplant, ein Online-Angebot zu entwickeln, das Eltern bei der Gestaltung gemeinsamer Elternschaft nach einer Trennung unterstützt. Um das Angebot hilfreich und passend gestalten zu können, möchten die Forscher:innen in der Tagebuchstudie mehr darüber erfahren, welche besonderen Herausforderungen getrennte Eltern im Alltag bewältigen müssen, was ihnen dabei hilft, Schwierigkeiten zu meistern, und zu welchen Themen sie Fragen haben oder sich Unterstützung wünschen.

Die Studie wird vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Weitere Informationen zur Teilnahme finden Sie auf der Webseite des Projekts.

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Väter sind als Hauptbezugsperson gleichermaßen kompetent

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 31. Januar 2022

In einer neuen Studie der Universität Cambridge (Vereinigtes Königreich) wurden Väter, die sich hauptsächlich um das Kind kümmern, mit Müttern, die sich hauptsächlich um das Kind kümmern, und mit Doppelverdiener-Paaren aus Mutter und Vater verglichen. Die Forscher fanden keine statistisch signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Qualität der Elternschaft, Depressionen, Ängste, Stress, das Gefühl der sozialen Unterstützung, die Qualität der Ehe, Konflikte mit dem Kind oder das Verhalten des Kindes selbst.

„Die vorliegende Studie stellt die Annahme in Frage, dass Frauen für die primäre Kinderbetreuung besser geeignet sind als Männer … Väter und Mütter sind in der primären Betreuungsrolle gleichermaßen kompetent.”

Auf der Grundlage dieses Ergebnisses empfehlen die Forscher:innen: „Die hohe Qualität der Elternschaft, die von den Vätern in der Hauptbetreuungsrolle gezeigt wird, legt nahe, dass mehr Väter ermutigt werden sollten, sich in der Kindererziehung zu engagieren. Um dies zu erreichen, müssen politische Maßnahmen, die dies erleichtern, wie geteilter Elternurlaub und flexible Arbeit, einschließlich mehr Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten, sowohl von den Regierungen als auch von einzelnen Unternehmen umfassend gefördert werden.”

Frühere Forschungen zu Vätern, die die Hauptpflege übernehmen, konzentrierten sich häufig auf schwule Väter, die durch Adoption oder Leihmutterschaft Eltern wurden. In diesen Studien wurde auch festgestellt, dass die Anpassung der Kinder positiv war. Die vorliegende Studie erweitert die Untersuchungen auf heterosexuelle Elternpaare.

An der Studie, die zwischen 2017 und 2019 im Vereinigten Königreich durchgeführt wurde, nahmen 41 Väter als Hauptbezugspersonen, 45 Mütter als Hauptbezugspersonen und 41 Doppelverdienerpaare (sowohl Mutter als auch Vater) teil. Die Mütter und Väter waren seit mindestens sechs Monaten die Hauptbetreuer ihrer Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren. Ihr:e Partner:in war der bzw. die Hauptverdiener:in; einige Hauptbetreuer (Väter mehr als Mütter) waren auch teilzeitbeschäftigt oder arbeiteten flexibel von zu Hause aus, verbrachten aber mehr Zeit mit der Betreuung als mit der Arbeit.

In den Doppelverdiener-Familien waren beide Elternteile erwerbstätig und viele arbeiteten Vollzeit. Die Familien waren überwiegend weiß, hatten ein hohes Bildungsniveau und keine ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten.

Anhand von Fragebögen und Interviews bewerteten die Forscher mit zuvor getesteten Messinstrumenten Depressionen, Ängste, Stress, soziale Unterstützung, die Qualität der Ehe, die Beziehung zwischen den Eltern, die Akzeptanz/Ablehnung des Kindes durch die Eltern, die Qualität der Elternschaft und das Verhalten der Kinder. Bei der Bewertung des Verhaltens der Kinder füllten die Vorschul- oder Schullehrer der Kinder ebenfalls einen Fragebogen aus.

Diese Studie bestätigt zahlreiche frühere Forschungsergebnisse, die zeigen, dass das Erziehungsverhalten von Vätern und Müttern ähnlich ist und dass sie einen ähnlichen Einfluss auf die Entwicklung der Kinder haben. Väter, die als Hauptbezugspersonen fungieren, beschreiben ihre Rolle in der Regel so, dass sie eine enge Bindung zu ihrem Kind aufbauen.

Quelle

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‚Für die Trennung kann ich nix und ich mag gerne bei beiden sein‘

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 25. November 2021

In der Schriftenreihe „ehs-Forschung“ der Evangelischen Hochschule Dresden (ehs) hat Nina Weimann-Sandig, Professorin für Soziologie und Empirische Sozialforschung an der ehs, die Ergebnisse ihrer explorativen Untersuchung zu Perspektiven von Familienmitgliedern auf das Wechselmodell veröffentlicht.

Das Wechselmodell gehört in Deutschland zu denjenigen Betreuungsmodellen, die als Alternative zum traditionellen Residenzmodell diskutiert werden. Während das Wechselmodell in anderen Ländern bereits rechtlich abgesichert wurde als zu präferierendes Modell nach der Trennung von Eltern, konnte sich Deutschland bislang dazu nicht durchringen. Die Diskussion über das Wechselmodell ist in Deutschland emotional stark aufgeladen und geprägt von den unterschiedlichen Interessen der Lobbyverbände getrenntlebender Väter und Mütter. Um eine Diskussion über elterliche Nachtrennungsfamilien objektiv führen zu können, braucht es deswegen empirisches Datenmaterial. Die vorliegende Studie analysiert die Perspektiven von betroffenen Müttern, Vätern und Kindern auf das Wechselmodell.

Im Koalitionsvertrag der ‚Ampel‘ ist zu diesem Thema zu lesen: „Wir wollen gemeinsam mit den Ländern die Erziehungs-, sowie Trennungs- und Konfliktberatung verbessern und dabei insbesondere das Wechselmodell in den Mittelpunkt stellen.“

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