Erklärung
des VEND-eV zum internationalen Vatertag
Bezahlte und unbezahlte Arbeit
Jede Krise wirkt wie ein
Brennglas für bestehende Probleme. So ist es auch mit Corona: Es wird deutlich,
dass wir von dem Wunsch der meisten Väter und Mütter, sich Erwerbs- und
Familienarbeit partnerschaftlich aufzuteilen, noch weit entfernt sind. 2018 arbeiteten
in den alten Bundesländern lediglich 18%, in den neuen 44% der Mütter mit
Kindern unter sechs Jahren in Vollzeit, 58% bzw. 42% in Teilzeit und 24% bzw.
14% waren voll und ganz für ihre Kinder da. Demgegenüber arbeiteten in allen
Bundesländern über 90% der Väter in Vollzeit.
Ergebnis ist eine Rollenzuschreibung
der unbezahlten Haus- und Carearbeit auf die Mütter. Wir fordern die
Bundesregierung daher auf, alle Regelungen, die diese Ungleichheit festschreiben,
zu beseitigen und Vätern den Einstieg in die Carearbeit zu erleichtern. Eine
14tägige Freistellung mit Lohnersatz für Väter aus Anlass der Geburt ihres
Kindes, die in der im letzten Jahr verabschiedeten EU-Vereinbarkeitsrichtlinie vorgesehen ist, ist unserer Auffassung nach ein
wichtiger erster Schritt in diese Richtung.
Ferner erwarten wir von der
Politik, dass Väter ein klar geregeltes individuelles Anrecht auf eine längere
Phase von Elternzeit mit Elterngeld zuerkannt bekommen (mindestens vier Monate, besser sieben
Monate) – und dabei müssen auch diejenigen Väter einbezogen werden, die nicht
mit der Mutter des Kindes in einem Haushalt leben.
Vätern und Müttern im Rahmen
einer Familienarbeitszeit zu ermöglichen, ihre Arbeitszeiten bis zum dritten
Lebensjahr des Kindesgemeinsam auf 32 Stunden zu reduzieren und die
Verdienstdifferenzen durch ein entsprechendes ‚Kurzarbeitergeld‘ auszugleichen,
ist ebenfalls eine wichtige Weichenstellung.
Die Erfahrungen der letzten
drei Monate zeigen deutlich, dass die Familien, wo sich Väter und Mütter schon
vor Corona Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich aufgeteilt haben,
diese Aufteilung auch im Krisenmodus bestehen bleibt und zusätzliche
Belastungen gleichmäßiger verteilt werden.
Zuhause in Beziehung mit den Kindern
Aber auch wenn Frauen zuhause
einen großen Teil der Care-Arbeiten übernehmen, Kinder betreuen und beschulen,
engagierten sich Väter während des Lockdown und der Schließung der Schulen und
Kindertagesstätten verstärkt in Familie und mit ihren Kindern. Väter, die in
Kurzarbeit waren und sind und deren Frauen in den sogenannten systemrelevanten
Berufen arbeiten, im Einzelhandel, in der Pflege oder im Krankenhaus,
übernehmen selbstverständlich Beschulung und Betreuung ihrer Kinder sowie die
Aufgaben im Haushalt. Dass dies die vollzeitbeschäftigten Väter – sei es im
Homeoffice oder an der Werkbank – nicht im gleichen Maße machen können, liegt
auf der Hand. Doch auch diese Väter engagieren sich bis zur Belastungsgrenze
und häufig darüber hinaus in und für ihre Familien.
Damit dies dauerhaft gelingen
kann, brauchen die Väter neben väter- und familienfreundlichen gesellschaftlichen
Rahmenbedingungen ebenso individuelle Unterstützung, Beratung und passende
Bildungsangebote, vor allem aber Austauschmöglichkeiten mit anderen Vätern.
Väterzentren, Familienbildung für Väter mit ihren Kindern ab der Geburt und
Vater-Kind-Angebote, sollten zu den Standardangeboten gehören.
Vor allem aber gilt es, Väter
in ihren unterschiedlichen Lebenslagen in den Blick zu nehmen und sichtbar zu
machen:
- den getrenntlebenden Vater, der sein Kind im
Wechselmodell betreut und dazu jede zweite Woche täglich 16 Stunden arbeitet um
in der anderen für seine Tochter da sein zu können
- die Väter, die in beengten Wohnverhältnissen
Homeoffice und -schooling am Küchentisch erledigen sollen
- und auch die Väter, die sich an ihren Arbeitsplätzen
Sorgen um ihre Gesundheit machen und sich nach 10 Stunden Erwerbsarbeit zuhause
ihren Kindern widmen.
Konsequenzen für eine neue ‚Normalität‘
#Vaterschaftistmehr als die
finanzielle Absicherung der Lebensgrundlagen der Familie. Väter haben eine
eigene Bedeutung für die Entwicklung der Kinder und können von Anfang an eine
Beziehung zu ihnen aufbauen. Damit dies in Zukunft noch besser gelingt, müssen gesetzliche
und gesellschaftliche Rahmenbedingungen verändert werden. Dazu gehören unserer
Auffassung nach in jedem Fall:
- ein gemeinsames Sorgerecht für beide Elternteile ab
der Geburt
- ein Eltern – Coaching, beginnend im Rahmen der
Geburtsvorbereitung, in dem Aufgaben und Erwartungen wie auch Problemstellungen
der Vater- bzw. Mutterschaft auch auf der Paarebene angesprochen und verhandelt
sowie Eltern begleitet und unterstützt werden können
- bei Trennung kein präferiertes Residenzmodell, sondern
ein am Wohl des Kindes und dem Bedürfnis nach beiden Elternteilen orientiertes
Betreuungs- und Lebensmodell
- reale Gleichbehandlung vor Gericht einhergehend mit
einer Qualifizierung von Familienrichter_Innen* zu einem veränderten
Familienbild und -begriff, in dem eine gleichberechtigte Familiengestaltung
zentral ist
- die Berücksichtigung von Getrennt- und
Alleinerziehendenhaushalten sowie die nachhaltige Unterstützung beider Formen
bei allen Maßnahmen der Familienförderung
- digitale und analoge Bildungs- und Beratungsangebote,
die einen niedrigschwelligen Zugang für Väter ermöglichen, etwa durch die
Kooperation von Familienbildungsstätten mit Unternehmen.