Die Erwartungen an die Rolle des Vaters haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Galt es früher für den Vater als ausreichend, seine Familie finanziell zu versorgen und sich sonntags Zeit für sie zu nehmen, sind die Ansprüche heutzutage vielfältig: Geburtsvorbereitungskurs, Babyschwimmen, Spielplatzaufsicht, Hausaufgabenhilfe und Haushaltspflichten. Wie sehen Väter selbst ihre Rolle in der Familie? ZDFneo zeigt das zweiteilige Social Factual „Rabenväter oder Super Dads?“ mit Collien Ulmen-Fernandes
am Donnerstag, 24.
März 2022, ab 20.15 Uhr. Beide Teile stehen ab 10.00 Uhr in
der ZDFmediathek.
Moderatorin Collien
Ulmen-Fernandes besucht fünf Väter und ihre Familien in ihrer vertrauten
Umgebung: Einen Hausmann, der beim zweiten Kind den größten Teil der Elternzeit
übernimmt, einen Vater, der in zweiter Ehe erneut eine Familie gegründet hat
und neue Perspektiven für sich und seine Töchter entdeckt, zwei Väter, die sich
Kindererziehung und Haushalt teilen und einen Vater, der mit seiner Ehefrau und
zwei Kindern eine Familie hat, die in den meisten Bilderbüchern beschrieben
wird.
Die Rolle der Väter
hat Einfluss auf die Entwicklung der Söhne und der Töchter. In der
Vergangenheit wurde das von der Wissenschaft häufig unterschätzt. Heutzutage
zeigen Studien, dass Väter wesentlichen Einfluss auf die Berufs- und
Lebenspläne ihrer Töchter haben. Das Vaterbild ändert sich allmählich, aber
stetig. Und auch die Erwartungen der Väter selbst ändern sich. Zunehmend
entscheiden sie sich für eine Elternzeit, wenn auch selten für eine, die länger
als drei Monate dauert.
Väter sind heute auch
selbstverständlich bei der Geburt ihres Nachwuchses dabei, was noch in den
1970er-Jahren ein No-Go war, und sie bereiten sich gewissenhaft auf ihre Rolle
als werdende Väter vor. Das zeigt eine Väterschule, die Collien Ulmen-Fernandes
besucht. In einem Test beantworten Väter und Mütter die Frage, wer in der
Familie für was verantwortlich ist oder sich verantwortlich fühlt. Selbst für
Väter, die versuchen, die Aufgaben, die in ihrer Familie für Kinder und
Haushalt anfallen, angemessen zu teilen, sind die Ergebnisse
überraschend.
Interview mit Fabian Soethof, Autor des Buchs ‚Väter können das auch!
Der Titel deines am 21. März erscheinenden Buches lautet
‚Väter können das auch!‘ Was können Väter und was können sie unter
welchen Umständen lernen?
Außer mit der Brust zu stillen und Babys zu gebären – wobei auch das
nur auf biologische Männer zutrifft – können sie alles, was Frauen auch
können und sich schon viel zu lange viel zu oft allein darum kümmern:
Care-Arbeit, Mental-Load-Übernahme, in Elternzeit und Teilzeit gehen,
Karriere-„Rückschritte“ in Kauf nehmen, anwesend, aktiv und eine echte
Bezugsperson sein. Viele glauben nur, es nicht zu können oder zu dürfen.
Weil ihnen in ihrer Sozialisation seit Jahrzehnten nichts anderes
erzählt wird. Und weil sie oft nicht gelassen werden: von der
Gesellschaft, der Wirtschaft, der Politik – und von sich selbst.
‚Es ist Zeit, Familie endlich gleichberechtigt zu leben‘
steht ebenfalls auf der Titelseite. In der Ausgangslage schreibst du
dazu: ‚ich möchte mit dem Buch ein Plädoyer für eine ‚private,
gesellschaftliche und politische Veränderung von Familie, Arbeit,
Vereinbarkeit und Rollenbildern‘ bieten‘. Was sind die drei wichtigsten
Punkte deines Plädoyers und vor allem, wie sieht der Weg der Veränderung
aus?
Die drei wichtigsten Punkte auf dem Weg hin zu mehr Gleichberechtigung lauten vielleicht:
Privilegien, patriarchale Strukturen, Rollenbilder und
Ungerechtigkeiten erkennen: Nur wer weiß, wie vergleichsweise gut er
oder sie es hat, kann dafür sorgen, dass es anderen auch mal besser
geht.
Es gibt kein Wissens-, sondern ein Handlungsdefizit: Fast alles, was
in meinem Buch steht, ist seit Jahren bekannt. Theoretisch steht
Gleichberechtigung also nichts mehr im Wege – praktisch unter anderem
das, was ich auf die erste Frage hin antwortete.
Das Private ist politisch (und umgekehrt): Nur wer
Gleichberechtigung selbstverständlich in der Familie und von dort hinaus
vorlebt, kann zu einem Rollenwandel beitragen. Und nur, wer von Politik
und Wirtschaft dabei hinreichend unterstützt wird, kann sein
Privatleben ändern.
In dem Buch sprichst du auch eine Einladung an Väter aus, ihr
Verhalten und ihre Haltungen zu reflektieren. Was macht es für Väter
attraktiv, sich weniger der Erwerbs- und mehr der Carearbeit zuzuwenden?
Zuallererst ist es der Satz: Niemand wird auf dem Sterbebett bereuen,
zu wenig gearbeitet und seine Kinder nur am Wochenende gesehen zu
haben. Das sage ich wohlwissend, dass gerade geringverdienende
Einverdienerhaushalte oft auf jeden Cent angewiesen sind. Eine gute
Bindung zu seinen Kindern erscheint mir aber nicht nur für Väter
attraktiv. Kinder profitieren von mehreren engen und wichtigen
Bezugspersonen und „modernen“ Vorbildern. Und die Gesellschaft
profitiert von einem Rollenwandel: Frauen landen als (potentielle)
Mütter nicht länger auf dem beruflichen Abstellgleis. Väter tragen den
Financial Load nicht länger allein. Und die nächste Generation lernt,
dass auch Männer den Haushalt schmeißen und Frauen jeden Job machen
können, den sie wollen.
In dem Buch kommen eine Reihe Väterexpert*innen und
Feminist*innen zu Wort. Ein Paradigma aus der feministischen Sphäre
lautet ‚Don’t fix the women – fix the system‘. Auf die Väter bezogen
lautet die Frage also: Welche strukturellen Rahmenbedingungen im
‚System‘ müssen thematisiert und ggf. verändert werden?
Sprechen wir von Arbeitnehmer*innen, so müssen Männer eher gestern
als morgen für Arbeitgeber*innen das gleiche „Risiko“ darstellen, wegen
bevorstehendem Nachwuchs länger als nur zwei Wochen auszufallen. Damit
Frauen zumindest auf dem Arbeitsmarkt nicht länger derart benachteiligt
werden. Wir kommen u.a. durch längere Elternzeiten bei Vätern, mehr
Männer in Teilzeit und notfalls finanzielle Anreize dahin. Folgen davon
könnten eine Verkleinerung des Gender Care Gaps und des Gender Pay Gaps
sein, eine positive Kettenreaktion würde in Gang gesetzt. Erst dann wäre
auch keine Quote mehr nötig.
In dem Interview mit Uwe von dem Software Unternehmen SAP
sagt dieser: ‚Es gibt die X- oder Y- Strategie. Gehe ich davon aus, dass
alle Mitarbeiter*innen schlecht sind … oder davon, dass sie alle
eigenmotivierte Individuen sind, die ich nur bei Bedarf unterstützen
muss?‘ Könnte der Titel deines Buch dementsprechend auch ‚Väter wollen
das!‘ lauten?
Naja. Viele Väter wollen „das“ ja nicht, zumindest nicht wirklich.
Sonst würden nicht nur rund 30 Prozent aller Väter Elternzeit in
Anspruch nehmen, sondern mindestens 60 Prozent. Viele behaupten, dass
sie wollen, aber der Chef es ihnen schwer mache und die Familie ja auch
auf „sein“ Geld angewiesen sei, oft stecken nur eine
Anstrengungsvermeidung oder andere Prioritäten dahinter. Ein
Teufelskreis: Mit den Argumenten und der Aufteilung bleiben wir als
Familien und als Gesellschaft in puncto Gleichberechtigung noch lange da
stecken, wo wir jetzt stehen: auf scheinbar gutem Weg, aber noch längst
nicht so weit, wie wir sein könnten. Die Parität des neuen Kabinetts
und der Koalitionsvertrag gehen übrigens mit überraschend gutem Beispiel
voran. Darin lautet ein hehres Ziel: „Die Gleichstellung von Frauen und
Männern muss in diesem Jahrzehnt erreicht werden“. Mark their words!
Professor Uslucan im Interview zu den Wirkungen des Projekt ‚Interkulturelle Väterarbeit in NRW‘
Von 2014 bis 2016 wurde das Projekt ‚Interkulturelle Väterarbeit in NRW‘ gefördert. Was waren die Ergebnisse des Vorhabens?
Also wir haben ja das Projekt, was ja unter anderem vor allem von
Herrn Michael Tunç durchgeführt wurde, auch unter meiner Leitung. Wir
haben es an acht verschiedenen Regionen NRWs durchgeführt. Einmal haben
wir festgestellt, dass bestimmte, ich sage mal, Stereotype, Bilder,
Vorurteile über Männer beziehungsweise Väter mit Migrationshintergrund
grundlegend widerlegt werden konnten. So die Vorstellung, es ist
sozusagen, ja, so matriarchal organisiert, Erziehung ist weiblich,
weibliche oder beziehungsweise Arbeit der Frauen, Männer halten sich
zurück.
Also solche Bilder, vor allem auch über türkische Männer, türkische
Väter, herrschten ja lange vor. Und in diesem Projekt haben wir sehen
können, dass die Väter, die wir sozusagen auch angetroffen haben, die in
diesen Projekten, natürlich ist es eine Selektion, das ist/ das muss
man auch wissen. Wir haben natürlich die, die engagiert waren erreicht.
Aber zumindest die haben gezeigt beziehungsweise sich geäußert sowohl
in den direkten Gesprächen, aber auch in der Befragung, dass sie ein
hohes Maß an Engagement in der Erziehung zeigen, dass sie sozusagen auch
eine andere Form von Väterlichkeit auch leben wollen. Auch eine andere,
die sowohl von der Mehrheitsgesellschaft als auch vielleicht sozusagen
von der eigenen Kultur manchmal zugedacht wird, so im Sinne von, Väter
haben ja für das Außen, also sozusagen Geld verdienen und die
Außenwirklichkeit, und Mütter für das Innen, das Haus zuständig. Dass
sie einfach mit diesem Modell so nicht einverstanden sind, sondern auch
andere Rollen, auch andere Formen von Väterlichkeit leben wollen, sich
sehr stark engagieren wollen, auch in der Erziehung, Entwicklung ihrer
Kinder. Und letztlich dadurch auch an mehrheitsgesellschaftlichen
Trends, also jetzt in den letzten zehn, zwanzig Jahren an aktive
Väterlichkeit auch teilhaben wollen.
Wenn man das jetzt wissenschaftlich festhalten will, kann man sagen,
drei zentrale Ergebnisse waren für uns relevant. Eins ist unabhängig von
Migrationshintergrund. Das ist die pädagogisch-psychologische
Bedeutsamkeit von Vätern für die Entwicklung von Kindern, von allen
Kindern. Nicht nur von einheimischen, sondern auch von Kindern mit
Zuwanderungsgeschichte. Das ist immer dort, wo sozusagen
Vater-Kind-Konstellationen eng, einfühlsam zusammenarbeiten. Dass es
sowohl für das Selbstbewusstsein der Kinder wichtig ist, aber auch für
die Selbstwahrnehmung der Väter, also sozusagen
pädagogisch-psychologische.
Dann ein Punkt, der vielleicht, ich sage mal, schon auch ein Novum
ist für Migrantenfamilien, die wir im Vordergrund hatten,
familienpolitische Aspekte. Dass sozusagen dadurch auch in der
Partnerschaft sich ändert. Also sagen wir, ein stärkerer Zug zum
Egalitarismus, also eine andere Aufteilung der Erziehungsarbeit und
letztlich auch dadurch die Entlastung der Mütter beziehungsweise der
Frauen. Auch die Wahrnehmung der, ich sage mal, Frau, der Mutter als
Partnerin, nicht nur als Mutter. Und durch diese Aufteilung der Rolle
auch eine wechselseitige andere Wahrnehmung.
Und ein dritter Punkt, was ich eben gesagt habe,
integrationspolitisch, dass dadurch auch die Wahrnehmung der Väter mit
Zuwanderungsgeschichte eine andere ist. Ich will nur zwei Punkte
aufarbeiten, wo es die größten Differenzen gab.
Die größten Differenzen gab es bei der gewaltfreien Erziehung, also
die Relevanz der gewaltfreien Erziehung. Das ist sozusagen, durch die
Kurse habe ich erkannt, wie wichtig das ist. Und ein zweiter Aspekt, der
nicht minder wichtig ist, die Bedeutung der Schule, der Bildung, also
Schulerfolg, sich für den Schulerfolg zu interessieren, zu engagieren.
Ich bin selbst Bildungspsychologe und spätestens seit PISA wissen
wir, dass Schülerleistungen nicht nur Schülerleistungen sind, sondern
auch Elternleistungen sind, nicht nur Leistungen der Schule, sondern
auch die der Eltern. Das ist ungerecht, aber unabhängig davon haben die
von uns befragten Väter erkannt, es kommt auch auf mich an. Also es
kommt auch auf uns an, dass wir uns engagieren, dass wir uns einbringen,
dass wir fördern, dass wir den Kontakt zur Schule halten. Und letztlich
sozusagen, wie relevant Väterarbeit für den Schulerfolg der Kinder ist.
An den beiden Punkten gab es die größten Differenzen zwischen vorher
und nachher.
Ein weiterer Aspekt war auch die soziale Vernetzung. Dass sie erkannt
haben: „Es ist wichtig, auch mit andern Vätern ins Gespräch zu kommen“,
weil „Es sind nicht nur meine Sorgen, sondern es sind Sorgen auch
anderer Väter.“ Und durch diese Väterarbeit auch eine Art von
Vernetzung, was letztlich auch Solidarpotenziale aufbauen hilft und dazu
führt, dass man auch entlastet ist, weil man merkt, das ist nicht nur
etwas, was einen selbst betrifft.
Vor welchen Herausforderungen stehen diejenigen, die interkulturelle Väterarbeit machen heute und in Zukunft?
Wir haben seit 2015 natürlich einen starken Umbruch als
Migrationsgesellschaft, als Einwanderungsgesellschaft. Natürlich wäre es
wichtig hier, jetzt in einem Folgeprojekt beispielsweise, Kinder und
Väter mit Fluchthintergrund in ähnliche Projekte aufzunehmen. Wir haben
in unserem Projekt ja sehr stark türkische, spanische, griechische …
also die klassische Gastarbeitergeneration gehabt.
Das wäre etwas, was, glaube ich, wichtig ist jetzt nach fünf, sechs
Jahren, wo man sagen kann, gut, erste Einbindung in den Arbeitsmarkt,
Wohnungsmarkt ist mehr oder weniger einigermaßen gut erfolgt. Was jetzt
kommt sind eher so die, ich sage es mal, weichen Aspekte. Vielleicht zum
einen Traumabearbeitung, Fragen von Erziehung, aber auch Fragen von
Eltern-Kind-Beziehung, Vater-Kind-Beziehung.
Das wäre etwas, was vielleicht künftige Projekte stärker adressieren
müssten. Auch dort eine andere Form von Väterlichkeit. Und wenn wir
wissen, dass beispielsweise in dem ersten Projekt die Relevanz
gewaltfreier Erziehung so ein wichtiger Aspekt ist. Und ja, wir leben
jetzt seit zwei Wochen wieder in einer Welt voller Gewalt. Also wie
wichtig das ist, sei es gewaltfreie Kommunikation in der
Eltern-Kind-Beziehung, aber sei es auch die Rolle von Erziehung,
väterlicher Erziehung, stärker zu vermitteln. Da sehe ich einen großen
Bedarf in diesen Communities, arabischsprachige, möglicherweise künftig
auch russisch-ukrainische. Also wir haben jetzt auch mit neuen
Fluchtzuwanderungen zu rechnen. Genau solche Projekte auch in der neuen
Zuwanderergruppe zu adressieren, diese Gruppen einzubinden.
Welche nachhaltigen Wirkungen sind heute, 6 Jahre nach dem Ende der Förderung, noch zu sehen bzw. zu spüren.
Empirisch kann ich das jetzt nicht beantworten, weil wir jetzt keine
Befragung gemacht haben. Aber generell ist es so, immer dort, wo
Menschen sozusagen in die Kurse selbst einbezogen sind, selbst
mitmachen, selbst aktiv sind, so etwas ist immer nachhaltiger als nur,
ich sage mal, Belehrung, als nur jetzt mit den Vätern einen Kurs zu
machen, wo sie über richtige Erziehung belehrt werden.
Wie stark das nachhaltig ist, wie weit das sozusagen durchgeführt
wird, das hängt natürlich auch von sehr vielen andern Faktoren ab. Das
sind nicht nur Aspekte des Kurses, ne? Manchmal ist es ja auch eine
veränderte Wahrnehmung, dass plötzlich sozusagen auch die
Familienkonstellation besser ist, das Kinder dadurch leichter erziehbar
werden. Und wenn sie leichter erziehbar sind, sind Effekte oft besser zu
erreichen, als wenn man immer wieder mit, ja, Windmühlen, mit
Schwierigkeiten zu kämpfen hat.
Direkt empirisch kann ich Ihnen keine Zahl jetzt nennen, wie stark
die Effekte sind. Aber zumindest aus den Gesprächen mit den Vätern
wissen wir, dass das etwas war, wo sie sich zum ersten Mal auch gefragt
fühlen, adressiert fühlen und sagen: „Okay, also wir werden als
kompetent wahrgenommen.“ Und das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger
Aspekt, dass sie in ihrer Kompetenz und nicht nur defizitär gesehen
werden.
Vatersein ist was Schönes, und wenn sie über individuelle Erfahrungen
aus der eigenen Kindheit positive Aspekte zum eigenen Vater,
Väterlichkeit anders wahrnehmen können. Also wo wir wirklich Personen,
ich sage mal, so fast zwingen, positive Aspekte zu sehen, auch wenn sie
eine schwierige Kindheit hatten, dann aber merken: „Ja, stimmt, Mensch.
Also wie kann ich das, was ich selbst als Kind positiv erfahren habe von
meinem Vater, wie kann ich das meinem Kind weitergeben?“ Also diese Art
der Reflexion ist für Väter, die vielleicht jetzt nicht akademisch,
sozialwissenschaftlich-pädagogisch geschult sind, schon was Neues.
Und da glaube ich, dass das in der Tat was nachhaltig ist. Es ist
eine Perspektivübernahme, denk mal darüber nach, also entdecke das Kind
in dir selber. Und das ist ja so etwas, was sie sonst im eigenen Alltag
so nie konfrontiert werden mit diesen Fragen. Da, glaube ich, ist eine
starke Nachhaltigkeit. Für andere, die ohnehin jetzt pädagogisch
arbeiten, ist das vielleicht Teil des Tagesgeschäftes, sozusagen
Perspektivübernahme, Rollenübernahme, sich selbst aus der Situation des
Kindes zu sehen. Aber für genau diese Väter war das schon was Novum und
war das ein Novum und hat dazu gebracht, Dinge anders zu sehen, auch aus
der Perspektive des Kindes zu sehen, ne? Also wenn man mit einem Kind
spricht, vielleicht wirklich auch runterzugehen auf Augenhöhe, im
physischen Sinne auf Augenhöhe. Und da hat es für diese Väter schon sehr
viel gebracht.
Endbericht des Projekts „Praxisforschung für nachhaltige Entwicklung interkultureller Väterarbeit in NRW“ ZfTI-Väterprojekt-Evaluation
Migrationssensible Väterarbeit ist wichtig für die Zukunft
unserer Gesellschaft. In Großstädten wie Köln oder Frankfurt haben weit mehr
als 50 Prozent der schulpflichtigen Kinder einen sogenannten Migrationshintergrund.
Die Väter dieser Kinder können einen bedeutsamen Beitrag zu ihrem guten
Aufwachsen und Bildungserfolg leisten.
Väter mit Migrationsgeschichte sind jedoch in öffentlichen
Debatten und im Alltagsleben häufig Vorurteilen, negativen Zuschreibungen und
Verallgemeinerungen ausgesetzt. Die Vielfalt ihres Lebensalltags und ihre
Potenziale, insbesondere im Hinblick auf Vaterschaft, werden genauso wenig
wahrgenommen wie ihre individuellen Ressourcen und Anpassungsleistungen. Eher
selten werden sie in Angeboten adressiert oder mitgedacht.
Ihre Perspektiven und Potentiale können zum Wohl ihrer
Kinder viel stärker einbezogen und genutzt werden. Vor diesem Hintergrund haben
sich das Hessische Ministerium für Soziales und Integration und der Verband binationaler
Familien und Partnerschaften, iaf e.V. im Rahmen eines Integrationsvertrages
unter anderem das Ziel gesetzt, gemeinsam einen Beitrag zur Entwicklung einer
migrationssensiblen, diversitätsbewussten Väterarbeit in Hessen zu leisten.
In Hessen hat sich deswegen 2020 der Fachkreis
migrationssensibler Väterarbeit in Hessen (MISEV) gegründet und führt
regelmäßig Austauschtreffen und Workshops durch. Die Arbeit des Fachkreises
orientiert sich an den Aufgabenfeldern und Bedarfen der Teilnehmenden, ermöglicht
gegenseitige Unterstützung und bezieht Erkenntnisse aktueller Väterforschung
mit ein.
Als erster Schritt wurde 2019 eine hessenweite Befragung von
Einrichtungen und Expert*innen der Väterarbeit durchgeführt, um einen Einblick
in bereits bestehende Angebote der Väterarbeit, deren Herausforderungen und
Erfolgsfaktoren zu gewinnen.
Bei dem Werkstattgespräch am 7. April wird Alexander Stathopoulos vom Verband binatinaler Familien in Frankfurt über die Erfahrungen des Arbeitskreises berichten und wir werden gemeinsam überlegen, wie wir diese für die Väterarbeit in NRW nutzen können.
Hier können Sie sich zu der Veranstaltung anmelden:
Das Schwerpunktthema der aktuellen Hebammenzeitschrift (DHZ
3-2022) lautet ‚Elternwerden aus feministischer Sicht‘. Das es dabei auch auf ‚aktive
Vaterschaft von Anfang an‘ ankommt haben Karsten Kassner, Hans-Georg Nelles,
Holger Strenz und Carsten Vonnoh in ihrem Beitrag dargelegt.
Neben einer auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen
Geburtsvorbereitung und dem Austausch mit anderen Vätern spielen passende
gesellschaftliche Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle. Dazu heißt es im
Beitrag unter anderem:
Darüber hinaus setzen familienpolitische Regelungen – aber
auch betriebliche Kontexte – den Rahmen, in dem Männer ihre Vaterschaft gestalten
können. Mit dem Elterngeld ist seit 2007 ein Weg eingeschlagen worden, der eine
»leise Revolution« nach schwedischem Vorbild einleiten sollte. Seitdem ist
einiges in Bewegung geraten, die geltende Regelung mit zwei zusätzlichen Partnermonaten
und die seit Einführung unangetastete finanzielle Ausgestaltung sind jedoch
nicht ausreichend.
Viele Arbeitgeber:innen stehen beruflichen Auszeiten von
Männern aufgrund von Sorgeverantwortung weiterhin skeptisch gegenüber. Das
zeigt aktuell auch die Diskussion um die bezahlte Vaterschaftsfreistellung nach
Geburt, also die Möglichkeit für Väter und andere zweite Elternteile, 14 Tage
nach der Geburt bei vollem Gehalt die Partnerin im Wochenbett zu unterstützen
und selbst in die neue Rolle hineinzuwachsen.
Insofern ist es sehr zu begrüßen, dass es in Deutschland mit
der geplanten Einführung einer Vaterschaftsfreistellung perspektivisch eine
solche familien- und gleichstellungspolitische Leistung als gesetzlichen Anspruch
geben wird. Die Diskussionen um entsprechende Regelungen machen die
gesellschaftlichen Normen und Erwartungen an Väter und Mütter sichtbar, die es
Vätern erschweren, sich von Anfang an gleichberechtigt zu beteiligen.
Statt zu monieren, dass Väter in der Regel lediglich die
zwei zusätzlichen Partnermonate beim Elterngeld in Anspruch nehmen, bräuchte es
viele weitere mutige Schritte und strukturelle Rahmensetzungen, um Sorgearbeit gleichberechtigter
zwischen den Geschlechtern aufzuteilen. Beispielsweise eine deutliche
Ausweitung der Partnermonate beim Elterngeld und mehr monetäre Anreize, sich
das Elterngeld gleichmäßiger aufzuteilen, etwa durch die Einführung einer
Dynamisierung, wie im 9. Familienbericht der Bundesregierung vorgeschlagen
Darüber hinaus wäre die Einführung einer Familienarbeitszeit
ein wichtiger Schritt, um eine lebenslaufbezogene Arbeitszeitpolitik zu
etablieren, die für beide Eltern Arbeitszeitreduktion oder vollzeitnahe Teilzeit
für Phasen mit erhöhter Verantwortung für Sorgearbeit vorsieht
Darüber hinaus wäre die Einführung einer Familienarbeitszeit ein wichtiger Schritt, um eine lebenslaufbezogene Arbeitszeitpolitik zu etablieren, die für beide Eltern Arbeitszeitreduktion oder vollzeitnahe Teilzeit für Phasen mit erhöhter Verantwortung für Sorgearbeit vorsieht.
Beim Werkstattgespräch der LAG-Väterarbeit am 24. Februar ging es um aktuelle politische Weichenstellungen für Väter: Unterhalts- und Umgangsregelungen, Abstammungsrecht, Vaterschaftsfreistellung, Vereinbarkeit und partnerschaftliche Arbeitsteilung … Die Liste der erforderlichen Reformen im Familienrecht ist lang.
Der Vorsitzende Hans-Georg Nelles, hat auf der Grundlage der Ergebnisse der Fachtagung im November die Vorhaben der neuen Bundesregierung dahingehend überprüft, welche Weichen für mehr väterliches Engagement bereits gestellt, welche geplant und wo noch Umleitungen eingerichtet sind.
Bevor er auf die im
Koalitionsvertrag beschriebenen und teilweise von den zuständigen Minister*innen
bereits angekündigten Vorhaben einging, skizierte er die Handlungsfelder einer
ganzheitlichen Väterpolitik, die sich nicht auf einzelne Lebensabschnitte
beschränken dürfen, auch wenn diese, wie die zum Beispiel Geburt(svorbereitung)
oder Elternzeit, zentrale Bedeutung haben.
Vor dem Hintergrund der drei
Säulen, die der Familienpolitik zugrunde liegen, Geld, Zeit und Infrastruktur, geht
vor allem darum, Vätern in allen Lebensabschnitten mehr Zeit mit der Familie
und für die Übernahme von Care-Arbeiten zu ermöglichen.
‚Mehr Fortschritt wagen‘ lautet
der Titel des Koalitionsvertrags und in zwei Abschnitten geht es um für Väter
relevante Politikfelder. ‚Zeit für Familie‘ ist das erste überschrieben und an
erster Stelle steht „Wir werden Familien dabei unterstützen, wenn sie Zeit für
Erziehung und Pflege brauchen und dabei Erwerbs- und Sorgearbeit
partnerschaftlich aufteilen wollen.“ Das klingt gut, die beschriebenen Vorhaben
beziehen sich in erster Linie auf Elternzeit und Elterngeld, also die ersten
drei Lebensjahre eines Kindes. Die von der ehemaligen Familienministerin
Manuela Schwesig 2015 vorgeschlagene ‚Familienarbeitszeit‘, also die
Möglichkeit für Väter und Mütter nach der Elternzeit Arbeitszeiten
partnerschaftlich zu reduzieren, ist nicht auf der To Do Liste.
Die von der LAG-V unterstützte
Forderung nach der Einführung einer Vaterschaftsfreistellung unmittelbar nach
der Geburt, ist jedoch dabei und wurde bereits von der Ministerin in Interviews
angekündigt.
Der Abschnitt ‚Familienrecht‘
ist mit dem Leitgedanken „Wir werden das Familienrecht modernisieren.“ überschrieben
und insbesondere die Punkte
Wir werden die partnerschaftliche Betreuung der
Kinder nach der Trennung fördern, indem wir die umgangs- und
betreuungsbedingten Mehrbelastungen im Sozial- und Steuerrecht besser
berücksichtigen.
Wir wollen allen Familien eine am Kindeswohl
orientierte partnerschaftliche Betreuung minderjähriger Kinder auch nach
Trennung und Scheidung der Eltern ermöglichen und die dafür erforderlichen
Bedingungen schaffen.
Wir wollen im Unterhaltsrecht die
Betreuungsanteile vor und nach der Scheidung besser berücksichtigen, ohne das
Existenzminimum des Kindes zu gefährden.
wecken die Erwartung, dass der
Reformstau der letzten 8 Jahre endlich aufgehoben wird.
Der zuständige Minister
Buschmann hat als erste Maßnahme, die er umsetzen möchte, die Änderung der
Rechtslage für lesbische Mütter angekündigt. Hier gilt es aus Väterperspektive
darauf zu achten, dass das Recht der Kinder auf Kenntnis der Abstammung und der
Beziehung zu ihren leiblichen Vätern beachtet wird.
Nach einer kurzen Diskussion
über die bundespolitischen Vorhaben ging es im Hinblick auf die am 15. Mai in
NRW stattfindenden Landtagswahlen um väterpolitische Anliegen und Forderungen
hierzulande.
Vor dem Hintergrund, dass
insbesondere im ländlichen Raum kaum Angebote für Väter existieren und
abgesehen von einigen Leuchttürmen wie ‚Väter in Köln‘ auch in größeren
Kommunen diese Arbeit überwiegend ehrenamtlich gestemmt wird, ist die Forderung
nach finanziellen Mitteln für die Väterarbeit gut nachvollziehbar.
Es geht, so waren sich die
Teilnehmenden einig, um eine Strukturbildung für Väterarbeit in NRW, die ohne
zusätzliche finanzielle Ausstattung nicht erreicht werden kann. Dass
Handlungsbedarfe auch in den bereits existierenden Strukturen ‚Familienbildung‘
und Familienberatung‘ bestehen, hat die von der Landesregierung beauftragte
Evaluation der familienpolitischen Leistungen ja bereits offengelegt.
Aufgabe der LAG Väterarbeit wird es sein, auch nach den Wahlen im Mai bestehende Gesprächskanäle und Vernetzungen weiter auszubauen und gemeinsam mit den anderen Playern im Feld die Bedeutung fürsorgliches Väterarbeit, gerade auch für die nachhaltige Veränderung von tradierten Rollenbildern und eine geschlechtergerechte Gesellschaft, hervorzuheben.
Noch immer nehmen Mütter mehr
Elternzeit als Väter in Anspruch. Warum ist das so? Liegt es an fehlenden
Vorbildern, an der Vermutung, dass man nicht ersetzbar ist oder an den
Rahmenbedingungen?
Im ersten Job-Talk 2022 der
Badischen Zeitung interviewt Moderator Andreas Seltmann die beiden Väter Martin
Horn, Oberbürgermeister der Stadt Freiburg und Roland Meder, Leiter des Haupt-
und Personalamtes der Stadt Freiburg. Eine kurzweilige halbe Stunde, die ganz
unterschiedliche Sichtweisen auf die Elternzeit bietet.
… lautet der Titel des
Erstlingswerks von Fabian Soethof, das am 21. März im Kösel Verlag erscheinen
wird. Programmatisch heißt es im Untertitel „Es ist Zeit, Familie endlich
gleichberechtigt zu leben“. Dem kann ich uneingeschränkt zustimmen. Gedanklich
ergänzt sich der Titel bei mir um das Wort ‚lernen‘ und beim Untertitel denke
ich daran, was meine Kollegen und ich in den vergangenen 25 Jahren bewegt und
erreicht haben, um Rahmenbedingungen so zu beeinflussen, dass dies Vätern und
Müttern gleichermaßen gelingt. Aber dazu später mehr.
In dem umfangreichen Vorwort
beschreibt der Autor die Ausgangslage aus seiner Sicht und sieht seine
Generation als diejenige, die erstmals aus der Ernährerrolle ausbrechen „soll
und will“. Im Gegensatz zu „Früher“ wo Rollen klar zugeordnet waren, wollen
Väter heute nicht mehr abwesend sein und Mütter am Erwerbsleben teilhaben. Das
Spannungsfeld liegt zwischen den zugeschriebenen Erwartungen und den eigenen
Wünschen. „Die Aufgaben waren klar verteilt. Frauen und Männer taten vielleicht
nicht das, was sie wollten. Aber das, was von ihnen erwartet wurde.“ Und dann
kommt ein für mein Verständnis des ganzen Buches entscheidender Satz: „Diese
Zeiten sind leider nur teilweise vorbei.“
Vor diesem Hintergrund ist ein „Plädoyer
für eine private, gesellschaftliche und politische Veränderung von Familie,
Arbeit, Vereinbarkeit und Rollenbildern.“ legitim und die Einladung an Väter, „ihre Rolle
zu reflektieren, kritisch
zu hinterfragen und sich infolgedessen auch von überholten Erwartungshaltungen zu befreien,“
gut nachvollziehbar.
Der nächste Satz macht mich aber stutzig: „Väter müssen keine Angst verspüren, bisher als selbstverständlich wahrgenommene Privilegien abzugeben, wie
das, sich nur um ihren Job zu kümmern.“ Das zu tun, was von mir erwartet wird, Vollzeit
in einer oder prekär in zwei oder mehr Beschäftigungsverhältnissen erwerbstätig
zu sein, ist für mich kein „Privileg“.
Das sich an der Aufteilung von bezahlter Erwerbs- und unbezahlter Carearbeit
etwas ändern muss, ist unbestritten. Das machen auch die von Soethof zitierten Studien
und die Zeitverwendungserhebung oder die vom IAB regelmäßig erhobene Verteilung
von tatsächlichen und gewünschten Arbeitszeiten deutlich. Da aber Mütter und Väter
gleichermaßen in der Summe ca. 11 Stunden für Care und Erwerbsarbeiten aufwenden,
ist eine Veränderung nur systemisch zu erreichen.
„Don’t fix the women, fix the system“ lautet eine feministische Vision,
für die Google mehr als 90.000 Fundstellen liefert. Dementsprechend hätte ich
von einer Einladung an Väter, ihre Wünsche nach einer partnerschaftlichen
familialen Aufgabenteilung zu verwirklichen und vielmehr noch von einem
‚Plädoyer für Veränderung‘ erwartet, dass dieser Haltung entsprechend
Möglichkeiten erwogen, Spielräume ausgelotet und konkrete strukturelle
Veränderungen, die dies ermöglichen, benannt werden.
Aus dem was Soethof auf den nächsten gut 200 Seiten schreibt, lese ich
vor allem eine widersprüchliche Adaption dessen, was in Gesellschaft und
Politik zu langsam umgesetzt wird und einem ungeklärtem Verhältnis zu dem, was
er Vätern tatsächlich zutraut bzw. von ihnen erwartet. „Viele, glaube ich, wollen
die Rollenbilder ihrer eigenen Eltern eigentlich gar nicht
weiterführen. Allerdings sprechen sie nicht konkret darüber, treffen keine
genauen Vereinbarungen und landen schneller als gedacht in vertrauten Mustern
oder der Rolle, die gesellschaftlich von ihnen
erwartet wird. Manche trauen sich vielleicht auch gar nicht, etwas anderes einzufordern. Niemand trägt hier
irgendeine direkte, unmittelbare Schuld. Aber Veränderung beginnt mit Erkenntnis.“
Alexandra Schmidt-Wenzel hat, um
auch die individuelle Ebene zu betrachten, vor 15 Jahren mit ihrer Dissertation
dargelegt, wie aus Erfahrung Erkenntnis werden und sich daraus Verhalten
entwickeln kann. In „Wie Eltern lernen.“ einer empirisch qualitative Studien
zum innerfamilialen Kompetenzerwerb hat sie diese Prozesse analysiert und
Konsequenzen abgeleitet: „Sehen sich Väter in der Rolle des ‚guten Vaters’, so nehmen sie sich als
verantwortungsvolle Versorger wie Fürsorger im Sinne großer
Empathiebereitschaft und Beziehungsfähigkeit gegenüber dem Kind wahr. Ihre
grundlegend positive Selbsteinschätzung rekurriert jedoch auch auf einem
bestätigendem Vergleich zwischen den mütterlichen und den jeweils eigenen
Eigenschaften und Fähigkeiten, der wie zur Rückversicherung über das eigene
Können immer wieder vollzogen wird. So halten sich Väter prinzipiell für fähig,
in gleichem Maße wie die Mutter für ihr Kind sorgen zu können. Das Konzept des
empfundenen Stolzes, bei
positiven Rückmeldungen (vom Kind selbst, von der Partnerin, aber auch vom
gesellschaftlichen Umfeld) auf die väterlichen Kompetenzen untermauert diese
Besonderheit des väterlichen Selbstbildes.“
Und zur Bearbeitung des eigenen
Erlebens schreibt Schmidt-Wenzel an anderer Stelle: „In der Herkunftsfamilie
gesammelte Erfahrungen, verinnerlichte Werte, Haltungen und Rollen werden
entweder als bewusst oder auch
unbewusst gelebte Adaption in der aktuellen Familie fortgeführt oder
aber als bewusst gelebter Gegenentwurf
praktiziert. Den bewussten Haltungen gemein ist die jeweils vorangegangene
reflexive Auseinandersetzung mit der Herkunftsfamilie, auf deren Basis für das
eigene Leben, für die eigene Familie neu entschieden werden kann, welche Werte
transferiert, modifiziert oder auch gebrochen werden. Dabei existieren gelebte
Konzepte der Adaption wie des Gegenentwurfs durchaus nebeneinander und
schließen sich nicht gegenseitig aus.
Für Väter liegt ein zentraler Gegenentwurf in dem Anspruch, ihrem Kind ein emotional wie physisch präsenter Vater zu
sein, der aus der Reflexion eigener schmerzvoller Vaterentbehrungen hervorgeht.“
Es braucht also vor allem
positive Zuschreibungen ‚Väter können das‘, Ermutigung und Unterstützung bei
den erforderlichen Reflexions- und Aushandlungsprozessen in den Paarbeziehungen
und in, wie Klaus Althoff es nennt ‚Väterbanden‘.
Aber zurück zu dem Vorhaben von
Soethof. Das Buch ist in drei Abschnitten eingeteilt. Im ersten wirft er einen „subjektiven
Blick auf unser elterliches Gestern“, im zweiten auf das Heute und abschließend
auf das Morgen. „Wo wir herkommen wir ? Wo wir stehen wir? Wo wir hingehen sollten?“
Soethof porträtiert dazu in
Vollzeit arbeitende Väter und Hausmänner, wie zum Beispiel Heiner Fischer von
vaterwelten.de. Er zitiert Mütter, die sich aktiv und öffentlich für mehr
Gleichberechtigung einsetzen. Er interview den Väterforscher Andreas Eickhorst
und stellt Literatur vor, die sich aus anderer Perspektive mit ähnlichen
Problemen beschäftigt. Dazu zitiert er „(ernüchternde) Zahlen zu Care-Arbeit
aus aktuellen Studien“. Um die Frage zu klären, wie mit Arbeitnehmer*innen, die
Eltern sind oder werden, umgegangen wird, hat er im kleinen Familienbetrieb seines
Vaters und bei SAP nachgefragt.
Am Ende zahlreicher Abschnitte
stellt der Autor Fragen, Aufgaben und biete Reflexionsanreize, die ihm während
der Recherche selbst kamen und ich mir gewünscht hätte, dass der Autor sie auch
für sich beantwortet. „Bist du dir deiner eigenen Filterblase bewusst? Wie
könntest du sie öffnen?
Er ist der Überzeugung, „nur so können Väter erkennen, welche Leistung Mütter stemmen, und dass es nicht nur Eltern, sondern auch Kindern und der Gesellschaft hilft, wenn wir hinterfragen, warum wir Familienarbeit so aufteilen, wie wir sie häufig noch aufteilen. Ich jedenfalls mache den überholten Scheiß nicht länger und um jeden Preis mit.“ Das ist eine ehrliche Aussage, ich habe aber meine Zweifel, ob die zu Beginn ausgesprochene Einladung auf diesem Niveau zu dem gewünschten Erfolg führt.
Mehr
als zwei Drittel aller jungen Männer und Frauen wünschen sich eine
partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit, wenn sie
denn einmal Väter und Mütter sind. Wünsche und Wirklichkeiten klaffen
aber nach wie vor auseinander, auch wenn es auf den ersten Blick
‚gerecht‘ aussieht.
Die Summe von bezahlter und unbezahlter Arbeit an Wochentagen ist bei
Männern und Frauen mit circa 11 Stunden in etwa gleich. Aber bezahlte
und unbezahlte Arbeit ist zwischen Männern und Frauen ungleich
aufgeteilt. Dies zeigt die alle 10 Jahre durchgeführte
Zeitverwendungserhebung ebenso wie Studien, die im Kontext der Pandemie
durchgeführt worden.
In einer aktuellen Studie[i]
heißt es dazu, „Betrachtet man die gegenwärtige Studienlage zu
innerfamilialer Arbeitsteilung und Geschlechterungleichheit, zeigt sich …
ein heterogenes und widersprüchliches Bild“ und weiter „Innerfamiliale
Arbeitsteilung lässt sich zunächst direkt auf der Mikroebene verorten,
bei den Paaren und in Familien. Für die Untersuchung der Arrangements
gilt es aber, die innerfamiliale Mikroebene in ihrer Verwobenheit mit
dem mobilen Arbeiten im Kontext von Arbeitsorganisationen auf der
Mesoebene und den Makrostrukturen des Wohlfahrtsstaates sowie
gesellschaftlichen Norm(alitäts)annahmen, wie
geschlechterdifferenzierende Zuschreibungen von Betreuungsverantwortung,
zu betrachten. … Aushandlungen kommt als Modus für Erzeugung, Erhalt
und Veränderung sozialer Ordnung eine zentrale Bedeutung zu.“
Als Fazit bilanzieren die Autor*innen ‚paradoxe Gleichzeitigkeiten‘.
„Wir folgern aus unseren Analysen, dass die Diskussion um innerfamiliale
Arrangements und ihre Entwicklungen während der CoronaKrise
differenziert geführt werden muss: Weder haben wir es ausschließlich mit
einer Retraditionalisierung noch mit einer Modernisierung zu tun,
sondern vielmehr werden bereits bestehende Geschlechterungleichheiten
sichtbar und teilweise verschärft – bei gleichzeitig vorhandenem
Modernisierungsstreben.“
Was das für die Aushandlungen in den Partnerschaften bedeutet und
welchen Beitrag Familienbildung leisten kann um diese Prozesse zu
unterstützen, war das Thema einer Dialogrunde und eines Workshops bei
der Fachtagung der LAG Väterarbeit im vergangenen November.
In ihrem Impuls wies auch Barbara Streidl, Autorin der Streitschrift
‚Lasst Väter Vater sein‘, auf die Ambivalenzen hin: Einerseits
erleichtere das Homeoffice die Vereinbarkeit von Beruf und Familie,
bringe aber andererseits auch die Figur der wartenden Mutter zurück, auf
der die deutsche Sozialpolitik beruhe. Familie, Partnerschaft,
Erwerbstätigkeit, Haushalt, Selfcare und … die Erwartung ist, dass alles
gleichzeitig ‚erledigt‘ werde. Aber der Tag hat nun Mal ‚nur‘ 24
Stunden.
Als Vision wurde eine gesellschaftliche Aufwertung der Carearbeit
formuliert, die sich auch so äußern kann: „Da will ich ja eigentlich zum
Laternenumzug“, sagt der Oberstaatsanwalt, als es um eine Veranstaltung
am Abend des 10. Novembers ging. Die Veranstaltung begann um halb acht,
da ist der Umzug vorbei und er kommt knapp zur Veranstaltung.“
Es geht also darum, dem alltäglichen Vatersein Raum und Zeit zu
gestatten, das ist in erster Linie eine Frage der Haltung. Im Hinblick
auf die in den Partnerschaften notwendigen Aushandlungen geht es auch um
Einstellungen, aber vor allem um Kompetenzen und deren Zuschreibungen
auf Väter und Mütter. Einem klassisches Feld der Familienbildung.
Wie diese in NRW aufgestellt ist und wo Entwicklungspotenziale sind, hat die im vergangenen Jahr vorgelegte Evaluation[ii]
der familienpolitischen Leistungen gezeigt. Dort steht unter anderem,
es „wird deutlich, dass Väter 2019 am häufigsten Angebote in
Beratungseinrichtungen in Anspruch nahmen, … der Anteil der männlichen
Teilnehmer in der Familienbildung [hat sich] im Verhältnis zur
Bestandsaufnahme von 2006 kaum verändert hat. [er verharrt] auf dem
niedrigen Niveau von 16 bis 17 Prozent. An anderer Stelle ist zu lesen,
dass sich „Väter nicht durch die klassischen auf Reflexivität und Dialog
angelegten Kursgruppen angesprochen fühlen und entweder
Outdoor-Aktivitäten oder etwas Technisches bzw. Handwerkliches
bräuchten. Zudem wird die Teilnahme von Vätern/Männern überwiegend
abends oder an Wochenenden verzeichnet.“
Diese und weitere Ergebnisse der Evaluationsstudie griff auch Jürgen
Haas in seinem Impuls zu Beginn des Workshops auf und wies auf einen
weiteren ‚Mangel‘ hin, den geringen Anteil von männlichen Mitarbeitenden
in der Familienbildung.
Wer mehr Väter in der Familienbildung möchte, muss sich so sein
Fazit, als Entscheidungsträger und Anbieter, auch mit diesen
Herausforderungen auseinandersetzen. „Prognos hat in der aktuellen
Studie zu den familienbezogenen Leistungen in NRW auf fünf
Handlungsfelder hingewiesen, die meines Erachtens auch für die
Familienbildung Relevanz haben: Bekanntheit, Vernetzung,
Digitalisierung, Angebotsformate und das Personal.
Als Ergebnis des Workshops wurden drei zentrale Weichenstellungen formuliert:
für die Neuausrichtung der Angebote im Bereich der
Familienbildungsarbeit braucht es einen langen Atem. Projekte sind oft
sehr kurzfristig angelegt. Dadurch kann man das Vertrauen und die
Kontinuität der Väterbeteiligung nicht sicherstellen
eine Erhöhung der Anteile des pädagogischen männlichen Personals in
der Familienbildung und auch die der freiberuflichen Honorarkräfte kann
durch eine bessere finanzielle Ausstattung erreicht werden
die Fachkräfte müssen in die Lage versetzt werden, Väter
gendersensibel in den Blick zu nehmen und anzusprechen. Dazu braucht es
passende Qualifizierungsangebote.
Take Aways für Väter
Es ist gut, dass Sie sich vornehmen, sich alle anfallenden Aufgaben
in der Familie ‚gerecht‘ aufzuteilen. Damit dies Vorhaben auch gelingt,
ist es hilfreich, sich mit ihrer Partnerin darüber auszutauschen welche
Erwartungen sie als Vater und Mutter an sich und den jeweils anderen
haben.
Im nächsten Schritt geht es dann darum, wer was zu welchem Zeitpunkt
macht: Elternzeit nimmt, Kinder und Haushalt betreut oder das Geld für
die Finanzierung des Projekt Familie verdient. Lassen Sie sich bei
diesen ‚Verhandlungen‘ nicht vorschnell durch die Verlockungen des
vermeintlich leichteren Wegs, eine*r geht Geld verdienen und eine*r
bleibt zu Hause über den Tisch ziehen. Auch wenn Sie vorhaben, beim
nächsten Kind alles anders zu machen führt diese gutgemeinte ‚temporäre
Teilretraditionalisierung‘ geradewegs in alte Rollenmuster und engt ihre
Spielräume und Wünsche, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen und
dafür ggf. auch Arbeitszeiten zu reduzieren extrem ein
Fangen Sie mit diesen Aushandlungsprozessen frühzeitig an, am besten
genau dann, wenn Sie über die Umsetzung ihrer Kinderwünsche sprechen.
Eine ‚Arbeitshilfe‘ dazu finden Sie hier oder auch auf dieser Webseite.
Denkanstöße für Beschäftigte in der Familienbildung und Familienzentren
Es ist gut, wenn Sie in Zukunft Väter verstärkt in die
Familienbildungsarbeit ihrer Einrichtung einbinden möchten. Beziehen Sie
bei der Planung der Angebote am besten Väter mit ein.
Planen Sie diese Angebote möglichst niedrigschwellig und zun den
Zeiten, in der die Väter auch daran teilnehmen können: nach Feierabend,
am besten Freitagnachmittag oder Samstagvormittag
Kommunizieren Sie die Angebote so, dass Väter diese auch im Internet finden können.
Bei allen Fragen, die Sie zu diesem Thema haben steht Ihnen die Geschäftsstelle der LAG-Väterarbeit gerne beratend zur Seite.
[i]
Almut Peukert, Miriam Beblo, Laura Lüth und Katharina Zimmermann;
Erwerbs- und Familienarbeit im Homeoffice? Innerfamiliale Arbeitsteilung
in der Corona-Krise auf dem Prüfstand; in Sozialer Fortschritt, 71
(2022), S.29ff
Die Stadt München hat eine Ausschreibung für ein Väterberatungszentrum veröffentlicht. In der Ausgangslage zu dem Vorhaben heißt es unter anderem:
Nach fachlicher Einschätzung des
Sozialreferates hat sich die Rolle von Vätern* in den letzten Jahren stark
verändert. Väter* fühlen sich vermehrt für die Familien- und Erziehungsbereiche
mitverantwortlich und nehmen diese auch wahr. Wissenschaftliche Erkenntnisse
der Väter- und Familienforschung zeigen auf, dass Väter* weiterhin für die
vorhandenen Bildungs- und Beratungsangebote für Eltern und Familien schwer zu
erreichen sind. Gleichzeitig hat die hohe Zahl von Trennungen weitreichende
Konsequenzen für Familien und kann Einfluss auf das Wohl der Kinder nehmen.
Durch die hohe Anzahl hochstrittiger Trennungen, in denen Väter* schwer für
Beratungseinrichtungen erreichbar sind, kommt es immer wieder zu
Kontaktabbrüchen zu ihren Kindern. Diese starken Trennungskonflikte schaden dem
Wohl des Kindes sehr.
Kinder und Familien profitieren
von aktiven und zugewandten Vätern*. Engagierte Vaterschaft nützt nicht nur den
Vätern* selbst, sondern auch den Kindern und Müttern*.
Gerade für diese Gruppe der
„neuen“ Väter* bedarf es Angeboten, die von ihnen akzeptiert werden und auf
ihre speziellen Bedürfnisse eingehen, sowohl nach Trennungssituationen als auch
im Erziehungsbereich oder bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der
Partnerschaft.
Um diesen entstandenen Bedarf
abzudecken und weiteren Entwicklungen zu begegnen, wurde mit Beschluss des
Kinder- und Jugendhilfeausschusses vom 04.02.2020 und der Vollversammlung des
Stadtrats vom 19.02.2020 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20 / V 17079), sowie dem
Beschluss des Kinder- und Jugendhilfeausschusses vom 05.10.2021 und der
Vollversammlung des Stadtrats vom 20.10.2021 (Sitzungsvorlage Nr. 20-26 / V
04257) das Sozialreferat mit der Einrichtung eines Väterberatungszentrums als
Modellprojekt beauftragt.
Die Modellphase ist über vier Jahre von 2022 bis 2025 vorgesehen. Nach der Evaluation im Jahr 2024 wird das Ergebnis dem Stadtrat zur Entscheidung erneut vorgelegt.