Wer neue Väter will, muss Rahmenbedingungen und Einstellungen verändern
Erstellt von Hans-Georg Nelles am 4. November 2008
Eberhard Schäfer, Leiter des Väterzentrums Berlin sowie Gründungsvorstand im Väter-Experten-Netz Deutschland (VEND-eV) kommentiert bei den Gesellschaftern die aktuelle Diskussion um die neuen Väter.
‚Vom Außenseiter zum Spitzenreiter: Die Väter in Deutschland überraschen alle. Galten Väter bis vor kurzem noch als Familienmuffel, Unterhaltsflüchtlinge und arbeitsgeile Karrierehengste, so sehen wir – in vielen bunten Fernsehbildern – plötzlich lauter liebe, zärtliche und fürsorgliche Papas. Die Papa-Monate der Elternzeit machen diesen radikalen Wandel des öffentlichen Väterbildes möglich. Weit häufiger als erwartet gehen Väter in die Elternzeit. Und die Tendenz steigt weiter.
In jedem Quartal präsentiert Bundesfamilienministerin von der Leyen die schöne neue Väterquote, spricht gar von der »Revolution der Väter«. Elternzeit und Papamonate – sind dies die Wunderwaffen, die die neuen Väter schaffen?
Mitnichten. Zuviel liegt gesellschaftlich im Argen, als könnten in unserem Land allein zwei oder auch vier Vätermonate den allseits erwünschten partnerschaftlichen, »aktiven« Vater wirklich befördern.
Schwer wiegt beispielsweise das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen: Hier nimmt Deutschland einen der schlechtesten Plätze in Europa ein. Viel mehr Männer würden die Elternzeit nehmen – und länger – wenn die Familie sich das leisten könnte. …
Auch die Arbeitswelt ist im Norden Europas viel weiter: Viele Firmen füllen ihren Elternzeit-Vätern die Einkommenslücke aus, zahlen während der Elternzeit die Differenz zum Gehalt weiter. Weil sie wissen: Damit fördern und halten sie leistungsfähige und motivierte Mitarbeiter. Deutsche Arbeitgeber, davon könnt ihr euch eine Scheibe abschneiden. Frau von der Leyen, vergeben Sie einen Preis für den väterfreundlichsten Betrieb in Deutschland!
Mehr »harte« Instrumente der Politik könnten genannt werden. Etwa der Vaterschaftsurlaub, den EU-Sozialkommissar Spídla europaweit einführen will.
Väterförderung wäre jedoch auch recht preiswert zu haben, würde man sie denn wirklich wollen. Nicht nur für die »große« Politik, sondern auch für Kommunen und Wohlfahrtsverbände gilt: Fast nirgendwo, wo Familie draufsteht, sind die Väter mit drin.
Beispiele: »Frühe Hilfen für Familien«, das sind Hilfen für junge Mütter – die jungen Väter bleiben außen vor. »Stadtteilmütter« unterstützen an vielen Orten Mütter mit Migrationshintergrund – die Migrantenväter kann man weiter ob ihres vermeintlich rückständigen Vaterbildes geringschätzen. Familienbildung erreicht Studien zufolge über achtzig Prozent Mütter – wer macht sich Gedanken darüber, wie Väter hier einbezogen, unterstützt und gefördert werden können?
Elternzeit für Väter, sie ist ein erster Schritt zur neuen Väterlichkeit. Nicht mehr und nicht weniger.
Die nächsten Schritte müssen zunächst Denk-Schritte sein – kleine Revolutionen in den Köpfen, von Männern und Frauen, von Entscheiderinnen und Entscheidern.’
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