Die steigende Lebenserwartung führt zu dem Phänomen, dass
Großeltern eine sehr lange Zeitspanne zusammen mit ihren Enkelkindern
verbringen können. Diese Entwicklung wirft die Frage auf, ob und wie Familien
diese Möglichkeit, der von den verschiedenen Generationen gemeinsam verbrachten
Zeit nutzen.
Großväter und Großmütter gestalten heute diese
generationenübergreifen- den Beziehungen gezielt und aktiv. Dabei sind die
Großeltern-Enkelkind-Beziehungen meist von Wärme und Nachsicht geprägt. Diese
intensiven gegenseitigen Kontakte entstehen, obwohl die verschiedenen
Generationen heute meist getrennt voneinander wohnen.
Während man im Bereich der internationalen Forschung viel
Literatur zur Großeltern-Enkelkind-Beziehung finden kann, ist dieses Thema in
Deutschland bisher wenig untersucht worden. Studien aus Deutschland beschränken
sich häufig auf den Aspekt der Enkelkinderbetreuung und haben nicht so sehr die
Beziehung an sich im Fokus.
Familiale Beziehungen haben sich von Zweckgemeinschaften hin
zu einer emotionalen Beziehung, welche von Liebe, Zuneigung und Kontakt auf
Augenhöhe geprägt ist, entwickelt. Dieser Prozess betrifft auch die
Generationenbeziehungen. Gleichwohl spielen wechselseitige Unterstützungsleistungen
zwischen den Generationen eine wichtige Rolle, auch wenn die Generationen nur
noch selten im gemeinsamen Haus(-halt) leben.
Dementsprechend hat sich in der Familienforschung immer mehr
der von Hans Bertram geprägte Begriff der „multilokalen
Mehrgenerationenfamilie“ durchgesetzt. Die internationale Forschung legt nahe,
dass sich die räumliche Distanz unweigerlich auf die intergenerationellen
Kontakte insbesondere im Alltag auswirkt. Trotz des getrennten Wohnens der
verschiedenen Generationen ist die emotionale Nähe zwischen den Generationen
sehr hoch, was auch als „Intimität auf Distanz“ bezeichnet wird.
Mit Hilfe von Sekundärdatenanalysen und Experteninterviews hat die DJI Studie „Generationenübergreifende Zeitverwendung: Großeltern, Eltern, Enkel“ die nachfolgenden Fragen beantwortet.
- Wie gestaltet sich die Kontaktstruktur zwischen
Großeltern und Enkeln? Gibt es Unterschiede zwischen Großmüttern und
Großvätern? Gibt es Unterschiede zwischen Enkeln und Enkelinnen? Unterscheiden
sich die Kontakte zu Kindern von Söhnen zu denen von Töchtern
- Wie ist die Qualität der
Großeltern-Enkel-Beziehung? Wie lässt sich die gemein- sam verbrachte Zeit
beschreiben? Welche Themen verbinden Großeltern und Enkel? Ergeben sich
Unterschiede aus der Perspektive der Großeltern und der der Enkel?
- Was sind Einflussfaktoren auf die
Kontakthäufigkeit zwischen Großeltern und Enkel und die Qualität der Beziehung?
Welche Rolle spielen Merkmale von Großeltern und Enkel, wie Alter, Geschlecht
und Wohnort, aber auch der Gesundheitszustand der Großeltern? Wie relevant sind
sozioökonomische Faktoren, wie Bildung, Einkommen und Erwerbstätigkeit von
Großeltern und Eltern? Welche Bedeutung haben die Eltern für die
Großeltern-Enkel-Beziehung? Welche Bedeutung hat beispielsweise die Einstellung
der Eltern zu Großeltern allgemein und die Beziehung zwischen Eltern und
Großeltern?
Die Großelternrolle wird von den meisten Betroffenen als
positiv erlebt. Die große Mehrheit der Großeltern bezeichnet ihre
Großelternrolle im Jahr 2014 subjektiv als sehr wichtig (55,8 %) oder wichtig
(36,2). Im Vergleich zur Einschätzung der Wichtigkeit der Großelternschaft im
Jahr 2008 bleibt dieser Wert stabil hoch. Verschiedene Studien haben gezeigt,
dass eine positive Großelternidentität sowie emotionale Nähe zwischen
Großeltern und Enkeln mit Wohlbefinden und psychischer Gesundheit, z. B. einem
höheren Selbstwert und geringer Depressivität einhergehen.
Dieser positive Effekt gilt sowohl für die Großeltern selbst als auch für die Enkelkinder. Engagierte Großeltern können dazu beitragen, familialen Stress, elterliche Doppelbelastung oder Vernachlässigung der Kinder zu reduzieren, insbesondere bei zwei vollerwerbstätigen Elternteilen oder bei alleinerziehenden Vätern oder Müttern.
Während das Geschlecht von Großeltern und Enkelkindern bei
der Ausgestaltung des Kontaktes keine Rolle spielt, ist das Geschlecht der
Eltern von Bedeutung: Großeltern haben häufiger Kontakt zu Enkelkindern von
Töchtern. Neben dem Geschlecht der Eltern ist auch der Familienstand der Eltern
entscheidend. Zu Enkelkindern von alleinstehenden Söhnen haben Großeltern am
wenigsten Kontakt. Die Eltern spielen eine wichtige Mittlerrolle für den
generationenübergreifenden Kontakt. Wie häufig Großeltern Kontakt mit den
Eltern der Enkelkinder haben, wirkt sich selbst bei jugendlichen und jungen
erwachsenen Enkelkindern auf die Kontakthäufigkeit aus. Und auch die Qualität
der Beziehung zu den Eltern beeinflusst, wie häufig der Kontakt mit den Enkelkindern
zustande kommt.
Das Vorhandensein eines Partners wirkt sich sowohl in der
Großeltern- als auch in der Elterngeneration positiv auf die
Großeltern-Enkelkind-Beziehung aus, was darauf hindeutet, dass Beziehungen
innerhalb von Familiensystemen eine gewisse Tendenz zur Kongruenz aufweisen.
Geschlechtsunterschiede gemäß der „Kin- Keeper“ Theorie wurden zum Teil auf
Großeltern- und insbesondere auf Elternebene gefunden
Auch wenn Großmütter die Beziehung zu ihren Enkelkindern
etwas positiver einschätzen und mehr Freude in ihrer Rolle als Großeltern
empfinden, zeigen auch die Großväter ein großes Engagement im Kontakt zu den
Enkelkindern. Enkelkinder haben somit die Chance, sowohl zum Großvater als auch
zur Großmutter eine enge Beziehung aufzubauen.
Mit Blick auf das Geschlecht der Eltern lassen sich
Unterschiede feststellen. Großeltern geben häufiger an, mindestens
wöchentlichen Kontakt zu Enkelkindern von Töchtern (46 %), als zu Enkelkindern
von Söhnen (33 %) zu haben. Dies zeigt, dass insbesondere die Töchter darum
bemüht sind, den Kontakt zu ihrer eigenen Herkunftsfamilie aufrecht zu erhalten
und auch ihre Kinder in dieser Richtung prägen. Hinzu kommt, dass im Falle einer
Scheidung der Eltern die Kinder oftmals bei der Mutter aufwachsen. In ihrer
Rolle als Alleinerziehende ist die familiäre Unterstützung durch die Großeltern
besonders hilfreich.
Auch in einer anderen Studie berichten die Enkelkinder, mehr
Kontakt zu Großeltern mütterlicherseits zu haben. 52 Prozent der Enkelkinder
geben an, ihre Großmutter mütterlicherseits mindestens wöchentlich zu sehen
(siehe Abb. 14). Beim Großvater mütterlicherseits ist der Prozentsatz mit
mindestens wöchentlichem Kontakt mit 44 Prozent bereits deutlich geringer,
liegt jedoch trotzdem noch höher als die Angaben zu den Großeltern
väterlicherseits (Großmutter: 39 %; Großvater: 34 %).
Download der Studie
Quelle