Kinder, die
in ihrer Kindheit und Jugend aktive und engagierte Väter haben, profitieren in
ihrem weiteren Leben davon. Das Fatherhood Project, ein gemeinnütziges
Väterprogramm in den Vereinigten Staaten, das die Gesundheit und das
Wohlergehen von Kindern und Familien verbessern will, hat die Auswirkungen des
väterlichen Engagements in den verschiedenen Entwicklungsphasen der Kindheit
untersucht.
Das sind die10
wichtigsten Fakten, die im Rahmen der Forschungsarbeiten über väterliches
Engagement zusammengetragen wurden:
Väter
und Kleinkinder können eine ebenso enge Bindung eingehen wie Mütter und
Kleinkinder. Wenn beide Elternteile mit dem Kind zu tun haben, sind Säuglinge
von Anfang an an beide Elternteile gebunden.
Die
Einbindung des Vaters hat positive Auswirkungen auf die Gesundheit des Kindes,
wie z. B. einer besseren Gewichtszunahme bei Frühgeborenen und einer höheren
Stillrate.
Die
Einbeziehung des Vaters durch eine autoritative Erziehung (liebevoll und mit
klaren Grenzen und Erwartungen) führt zu besseren emotionalen, akademischen,
sozialen und verhaltensbezogenen Ergebnissen bei den Kindern.
Kinder,
die eine enge Beziehung zu ihrem Vater haben, gehen mit doppelt so hoher
Wahrscheinlichkeit aufs College oder finden nach der Highschool einen festen
Arbeitsplatz, haben eine um 75 % geringere Wahrscheinlichkeit einer
Teenagergeburt, eine um 80 % geringere Wahrscheinlichkeit, ins Gefängnis zu
kommen, und eine um die Hälfte geringere Wahrscheinlichkeit, an
Depressionssymptomen zu leiden, als Kinder, die dies nicht haben.
Väter
spielen eine entscheidende Rolle in der kindlichen Entwicklung. Die Abwesenheit
des Vaters wirkt sich negativ auf die Entwicklung vom frühen Säuglingsalter
über die Kindheit bis ins Erwachsenenalter aus. Der psychologische Schaden, der
durch die Abwesenheit des Vaters in der Kindheit entsteht, bleibt ein Leben
lang bestehen.
Die
Qualität der Vater-Kind-Beziehung ist wichtiger als die Anzahl der gemeinsam
verbrachten Stunden. Auch getrennt erziehende Väter können sich positiv auf das
soziale und emotionale Wohlbefinden der Kinder sowie auf die schulischen
Leistungen und die Verhaltensanpassung auswirken.
Ein
hohes Maß an väterlichem Engagement ist mit einem höheren Maß an
Kontaktfreudigkeit, Selbstvertrauen und Selbstbeherrschung der Kinder
verbunden. Bei Kindern mit engagierten Vätern ist die Wahrscheinlichkeit
geringer, dass sie sich in der Schule auffallen oder in der Pubertät riskante
Verhaltensweisen an den Tag legen.
Die
schulischen Leistungen von Kindern mit engagierten Vätern sind deutlich besser
und die Wahrscheinlichkeit, eine Klasse zu wiederholen, ist um 33 % geringer
als bei Kindern ohne engagierte Väter.
Väterliches
Engagement reduziert die Häufigkeit von Verhaltensproblemen bei Jungen und
verringert gleichzeitig die Kriminalität und die wirtschaftliche
Benachteiligung in einkommensschwachen Familien.
Das
Engagement von Vätern verringert psychologische Probleme und die
Depressionsrate bei jungen Frauen.
Elterngeld wird von weniger als der Hälfte der Väter
genutzt. Ein Großteil der Care-Arbeit wie die Kindererziehung bleibt bei den
Müttern. Reporter Daniel Tautz macht sich für diese Doku von exactly auf die
Suche nach der Rolle der Papas in der Familie von heute. Wer sind die „neuen
Väter”? Und warum klafft bei der Gleichberechtigung und der Verantwortung unter
Eltern noch immer so eine große Lücke? Wie sind Elterngeld und Elternzeit
verteilt?
Vater und Influencer Sebastian Tigges @tigges3866 macht
klar, was man aus seiner Sicht von den heutigen Vätern in Sachen Erziehung
erwarten kann: “Nicht zu sagen: Ich helfe meiner Frau bei der Kindererziehung
und ich helfe meiner Frau im Haushalt, sondern: Ich erziehe die Kinder, ich bin
50 Prozent.”
Auf Instagram erreicht er mit Videos als #thewalkingdad
dazu Hunderttausende – zum Großteil: Frauen und Mütter. exactly begleitet Steve
aus Magdeburg, der gerade Papa wird: Zu Beginn der Dreharbeiten sitzt der
werdende Vater noch kinderlos und spürbar aufgeregt vor einem Stapel
Babystrampler.
Am Ende der Recherche wird er seinen dreimonatigen Sohn Luca
wippen und seinen Elterngeld Antrag ausgefüllt haben. In Zorge im Westharz
taucht Daniel Tautz einen Tag bei einer Vater-Kind-Kur ein. Die Väter dort sind
ausgebrannt, vom Alltag überlastet oder trauern wegen einer Trennung oder dem
Tod der Partnerin.
Und: Sie haben Stigmatisierung erlebt. “Warum soll ein Vater
mit dem Kind zur Kur? Du bist doch kein gestandener Mann”, erzählt Kurpatient
Bodo von seinen Erfahrungen. Was hat es mit der Gender-Care-Gap auf sich? Was
Väter von heute umtreibt, was von ihnen erwartet wird und wo noch immer die
Mütter das meiste liefern, zeigt diese Reportage.
‚Wir
sind der Zunder, der das digitale Lagerfeuer entfacht‘ Die Mission der drei
Gründer Heiner Fischer, Martin Noack und Gunter Beetz ist es, Väter auf ihrem
Weg zur aktiven Vaterschaft zu unterstützen und dabei zu beraten, ihre Balance
zwischen Beruf und Familie zu finden.
Sie engagieren sich leidenschaftlich dafür, Männer in ihrer Vaterrolle zu
stärken, damit ihre Partnerinnen ebenfalls ihre berufliche Entwicklung
verfolgen können. Vaterwelten ist ein Ort für Vernetzung, Austausch, Wachstum
und so viel mehr.
Welche
Angebote sie in den letzten beiden Jahren dazu entwickelt haben, welche Rolle
Familienbildung und -beratung dabei spielt und wie auch die Mitglieder und
Partner der LAG-Väterarbeit von dem Angebot profitieren können, haben Heiner
und Gunter am 6. Dezember im letzten Werkstattgespräch dieses Jahres
präsentiert.
Im
ersten Teil ihres Beitrags skizzierten die beiden die strukturellen
Herausforderungen vor denen Väter und Mütter stehen, die es anders machen
wollen:
Die
alte Vaterrolle aus den neunzehnhundertfünfziger Jahren steckt ja noch in den
Köpfen. Die Rolle der Mütter als primäre Bezugspersonen war gesetzt, obwohl
diese nach dem Krieg den Wiederaufbau mit vorangetrieben haben. Als die Männer
aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt sind die Frauen zurück an den Herd
gedrängt worden. Den Vätern wurden die Kompetenzen, eine Beziehung, eine
Bindung zu den Kindern aufzubauen abgesprochen und die Rolle des Ernährers, der
für die wirtschaftliche Absicherung der Familie zuständig ist, zugeschrieben.
Für
Gunter Beetz ist das ein wichtigen Punkt: „Ich erlebe das immer wieder. In
den Geburtsvorbereitungskursen sind alle Väter hochmotiviert, das Ganze
umzusetzen, dann kommt das stressige erste Jahr, ich nenne das immer ‚den
Autopiloten‘, in den Familien dann manchmal reinrutschen. Und dieser Autopilot
ist halt nicht so programmiert, wie man das gerne hätte, sondern der läuft noch
mit einem ganz alten Betriebssystem und das ist so mehr oder weniger immer noch
so wie vor 50 Jahren.“
Das
Zugriffsrecht bei der Erziehung liegt bei der Mutter. Das sind die
gesellschaftlichen Erwartungen, die wir haben und die von allen anerkannt
werden, sei es in der Familienbildung oder wenn Frauen Karriere machen und
Mutter werden, dann kehren sie in der Regel in Teilzeit zurück, weil dann ist
die Erwartungshaltung, die Mutter kümmert sich um das Kind. Das drückt sich
auch in der Sprache aus: es heißt bemuttern. Wir bemuttern unsere Kinder.
‚Bevatern‘
gibt es leider noch nicht das Wort, obwohl wir uns das ja vielleicht alle
wünschen. Das muss halt erst erarbeitet werden, kultiviert und errungen werden.
Und es hängt auch noch von dieser Kultur ab, wie und wann man als Mann
(sozialer) Vater sein darf.
Vor
diesem Hintergrund ist Vaterwelten entstanden. Vaterwelten ist in erster Linie
eine Community Plattform, auf der Väter, Unternehmen und die Angebote der
Familienbildung zusammenkommen. Wandel entsteht so nicht nur für die Väter,
Familien oder Unternehmen, sondern soll für die ganze Gesellschaft angestoßen
werden.
Der
Beitrag, den Vaterwelten für diesen gesellschaftlichen Wandel leisten möchte,
basiert auf drei Säulen. Der Haltung, einer gemeinsamen Sprache und einem
sicheren Raum. Dazu führte Heiner Fischer unter anderem aus: „Es reicht nicht
mehr aus, nur Workshops zu machen oder Vorträge zu halten. Wir müssen
strukturell etwas verändern für echte Gleichberechtigung, für Vereinbarkeit
müssen wir Väter in ihren Kompetenzen in den Familien stärken und da.
Vaterwelten an. Mit Vaterwelten haben wir eine Möglichkeit geschaffen, die
Bedürfnisse oder die Wünsche der Väter da abzuholen, wo sie auch entstehen,
also direkt bei den Vätern selbst.“ Und weiter: „Vaterwelten ist eine Community
Plattform und die Community schaffen wir, indem wir digitale Lagerfeuer
anbieten. Digitale Lagerfeuer sind Video-Meetings in geschützten Räumen, wo nur
Väter teilnehmen.“
Bei
dem Angebot, das Vaterwelten Familienbildungsstätten macht, gibt auf Wunsch
eine Landing Page, das ist eine Seite, wo Interessierte sich Informationen und
Kontaktdaten ansehen können. Dort können auch die Angebote für Väter sichtbar
und Termine buchbar gemacht werden.
Gerade
arbeiten die drei auch daran, die Plattform als App herauszubringen, so dass
ein Vater, der mit seinem Baby über der Wöchnerin Station geht, vielleicht an
einem Plakat mit einem QR Code vorbeikommt, sein Handy zücken kann und mit
Hilfe des QR Codes direkt in der Vaterwelten Community seiner Stadt landet.
Wenn
Sie mehr über Vaterwelten erfahren und den Link zur Aufzeichnung der
Präsentation erhalten möchten, klicken Sie bitte hier.
Der MännerWege
Fragebogen – beantwortet von Hans-Georg Nelles
Fotos: Ahmed Akacha, pexels.com
Was war oder
ist dein persönlich-biografischer Zugang zur Väterthematik? Was dein
politisch-thematischer Zugang?
Ich habe drei Zugänge zur »Väterthematik«. Der erste sind meine persönlichen
Erfahrungen und Auseinandersetzung mit meinem Vater und meinem Großvater
mütterlicherseits und der Entschluss, zumindest zu versuchen, es »besser« zu
machen. Der zweite Zugang war dann meine eigene Vaterschaft. Ich wollte auf
jeden Fall Vater werden; da es unerwartet schnell »geklappt« hat, bin ich dann
mit 27 Jahren, mitten im Studium, zum ersten Mal Vater geworden. Der dritte
Zugang war dann eine interne Stellenausschreibung meines damaligen
Arbeitgebers, es wurde ein Mann für das Projekt »situationsgerechte und
passgenaue Qualifizierung für Mütter und Väter im Erziehungsurlaub« gesucht.
Ich habe die Stelle bekommen und konnte die »Mütterzentrierung« dieses Themas
Stück für Stück irritieren und bin heute einer der »Dienstältesten« in diesem
Feld.
Was waren
damals und sind heute deine zentralen Themen in der Beschäftigung mit Vätern?
1997 und in den Jahren unmittelbar danach ging es zunächst darum, in
Unternehmen und Gesellschaft Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Väter mehr
wollen als Ernährer zu sein. Während die erste Männer-Studie
von Helge Pross aus dem Jahr 1978 noch
belegte, dass alles in traditioneller Butter ist, machte die sieben Jahre
später durchgeführte Brigitte-Studie
»Der Mann« schon deutlich, dass sich
zumindest ein Teil der Männer und Väter auf den Weg gemacht hatte. Davon zeugt
auch »Das Väterbuch« aus dem Jahr 1982. Aber trotz dieses, auch durch die
Einführung des Erziehungsurlaubs im Jahr 1979 beflügelten ersten Aufbruchs der
Väter hat es noch weitere 20 Jahre gedauert, bis die Diskussion im Mainstream
angekommen ist. Ich habe aber den Eindruck, dass – ähnlich wie in einer KiTa,
in der jedes Jahr die gleichen Themen neu diskutiert werden – auch das
Bewusstsein und vor allem die Haltungen zur Bedeutung von Vätern und
Vaterschaft nur langsam durchsickert und immer wieder neu begründet werden muss.
Wie hat sich
dein Engagement für Väter entwickelt, ggf. verändert?
Mein Engagement in diesem Themenfeld hat sich im Laufe der Zeit von der
unmittelbaren Arbeit mit Vätern in den verschiedensten Zusammenhängen hin zu
einer »Lobby- und Beratungsarbeit« für Väterthemen entwickelt. Als Referent in
der Geschäftsstelle der LAG
Väterarbeit NRW und in der Koordination des
Verbundprojekts »Jugendliche Väter im Blick« stehen außerdem Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung
im Vordergrund.
Das für dich
nachhaltigste gesellschaftliche/historische Ereignis – auch im Kontext deiner
Arbeit?
Das nachhaltigste Ereignis war die Ankündigung von Renate Schmidt im Herbst 2004, in der nächsten Legislatur einen
»Vätermonat« nach schwedischem Vorbild einführen zu wollen. Nach der NRW-Wahl
2005 kam alles anders, und nach einer vorgezogenen Bundestagswahl brachte Ursula von der Leyen als neue Familienministerin zwei Partnermonate ins
Spiel und die gesellschaftliche Diskussion in Sachen Väter entwickelts eine bis
dahin ungeahnte Dynamik, die uns »Väterarbeitern« einen kräftigen Rückenwind
und nach der Einführung des Elterngeldes zum 1. Januar 2007 auch eine große mediale
Aufmerksamkeit bescherte.
Eine wichtige
persönliche Erfahrung im Zusammenhang mit deinen privaten und/oder beruflichen
Beziehungen?
Männer können ja angeblich nicht reden, erst recht nicht über ihre Gefühle, so
die landläufige Zuschreibung. Im Rahmen meines ersten Väterprojektes habe ich
in verschiedenen NRW-Unternehmen Väterrunden organisiert. Väter aus diversen
Branchen kamen in einer verlängerten Mittagspause zusammen und haben über
Herausforderungen ihrer Vaterschaft gesprochen. Am Ende der 90 Minuten, die wie
im Fluge vergingen, waren alle jedes Mal erstaunt, dass Mann – obwohl sich alle
vorher nicht kannten und es nichts (Alkoholisches) zu trinken gab – so intensiv
ins Gespräch gekommen ist und auch über Sorgen, Nöte und Schwächen geredet hat.
Drei
Eigenschaften, die dich in deiner Arbeit oder Beziehungen zu anderen ausmachen?
Ausdauer, Optimismus und Kooperationsbereitschaft.
Was ist für
dich »Erfolg« in deiner Auseinandersetzung mit Väterthemen? Hast du Beispiele?
Wenn ein Vater – auch gegen eigene Zweifel und/oder Widerstände aus dem
familiären oder betrieblichen Umfeld – sich die (Eltern)Zeit nimmt, die er
haben möchte, und gestärkt durch die eigenen Erfahrungen auch andere (werdende)
Väter in seinem Umfeld dazu inspiriert und ermutigt.
Was gibt dir
persönlich Sinn und Erfüllung in deinen beruflichen und privaten Beziehungen?
Dass ich eigene Erfahrungen und Erkenntnisse weitergeben kann und durch die
Arbeit mit den Vätern permanent dazulerne und auch selber in Frage gestellt
werde. Das gilt insbesondere auch in der Beziehung zu meinen Kindern und den
Enkel*innen.
Was ist dir
(mit) gelungen, worauf bist du (zusammen mit anderen) vielleicht auch stolz?
Da fallen mir zuerst die drei thematischen Netzwerke ein, die ich mit
engagierten Kollegen gegründet habe: 2005 das Väter-Experten-Netz VEND-eV. Gemeinsam mit Eberhard Schäfer und Martin Rosowski haben wir dann 2007 angefangen, Partner und
potenzielle Mitglieder für ein Bundesforum
Männer zusammenzubringen; im November
2010 gab es dann die offizielle Gründung. Das dritte Netzwerk ist die schon
genannte LAG Väterarbeit NRW, die wir gemeinsam mit 22 Organisationen nach zwei
Jahren Vorarbeit im Januar 2016 gründeten.
Mit welchen
Institutionen und Personen warst du gerne beruflich oder privat verbunden oder
bist es noch?
Außer den bereits genannten Netzwerken und Personen ist für meine Arbeit mit
Vätern Harald
Seehausen aus Frankfurt besonders
wichtig, er beschäftigt sich seit den 1980er Jahren mit Väterarbeit und mit dem
Aktionsforum
Männer und Leben haben wir im Zeitraum 2005 bis
2016 sechs Impulstagungen in Frankfurt organisiert. Ein weiterer Kollege, den
ich über die Arbeit in der Fachgruppe
Väter des Bundesforum Männer kennen
und schätzen gelernt habe, ist Holger Strenz aus Dresden. Er hat mir Zugänge zu den Anliegen und
Sichtweisen von Vätern in den »neuen« Bundesländern eröffnet.
Was hat die
Männer/* ausgemacht, mit denen du gerne zusammengearbeitet oder Zeit verbracht
hast?
Diese Kollegen hatten ebenfalls Interesse daran, Anliegen von Vätern
voranzubringen, Väter zu ermutigen und sie bei ihrem Vatersein zu unterstützen
– und weniger daran, sich damit selbst zu profilieren und in den Vordergrund zu
stellen.
Hast du eine
Lebensphilosophie, ggf. ein Lebensmotto?
Es ist immer besser, mehr als zwei Möglichkeiten zu haben.
Wo liegen für
dich die hartnäckigsten Widerstände gegen dein Verständnis vom Umgang mit
Väterthemen?
Die größten Widerstände sehe ich für mich in einer nach wie vor
»mütterzentrierten« Familienpolitik, die die Bedeutung von Vätern für die
Entwicklung von Kindern nicht sieht oder sogar leugnet. Dies fängt bei der
Anerkennung der Vaterschaft an und hört bei der Erwerbsobliegenheit beim
Unterhalt noch lange nicht auf.
Dieser «Mindset« erschwert es Vätern (und Müttern), gleichberechtigte und
geschlechtergerechte Vaterschaft nicht nur zu wollen, sondern auch zu leben.
Was treibt
dich – trotz manchmal widriger Umstände – weiter in deiner Arbeit an?
Mein (fast) unerschütterlicher Optimismus und die Erfolge, die ich im Rückblick
auf über 25 Jahre doch beschreiben kann.
Welches
Projekt würdest du gerne noch umsetzen, wenn du die Möglichkeiten dazu hättest?
Und was möchtest du gegen Ende deines Lebens erreicht haben?
Mit meinen gut 66 Jahren bin ich ja schon in der »Verlängerung«, um die
laufenden Projekte gemeinsam mit den Kollegen gut abzuschließen. Ich kann mir
gut vorstellen, im Anschluss daran gemeinsam mit Vätern in und aus prekären
Lebenslagen in einem Projekt Wege und Möglichkeiten zu erkunden, wie
Vaterschaft auch unter widrigen Umständen gelingen kann. Und ja, zufrieden bin
ich, wenn paritätische Elternzeiten als Katalysator für eine gleichmäßige
Aufteilung von Mental Load und Financial Load wirken, Care und Erwerbsarbeit also
geschlechtergerecht aufgeteilt sind bzw. aufgeteilt werden können.
Vater werden – was heißt das eigentlich, wie geht das, und
wer bringt mir das bei? Was muss ich wissen? Wie kann ich meine Partnerin
unterstützen? Und was für ein Vater möchte ich sein?
Geht es um Schwangerschaft und Geburtsvorbereitung, steht in
der Regel die Frau im Fokus. Dabei tun sich auch für Männer viele Fragen auf.
„37°Leben“ begleitet zwei junge Männer ins Abenteuer Vater werden,
erlebt mit ihnen die Zeit der Schwangerschaft bis zur Geburt.
Vor der Geburt nochmal ‚die Sau rauslassen‘
Daniel (28) wohnt zusammen mit seiner Frau Amelie (28) in
Würzburg. Die beiden sind frisch verheiratet und erwarten ihr erstes Kind.
Daniel arbeitet als Verkäufer in einem Motorradladen und fährt auch in seiner
Freizeit Motorrad. Ob er das Risiko noch eingehen wird, wenn ihr Baby da ist?
Vor der Geburt will er noch einmal auf der Rennstrecke
„die Sau rauslassen“ – so der Deal mit seiner Frau, die ihren Onkel
durch einen Motorradunfall verloren hat. Was Daniels neue Rolle als Vater
betrifft, ist er in Amelies Augen manchmal zu gelassen: Die Bücher zum Vater
werden, die sie ihm gekauft hat, hat er bisher nicht angerührt. Noch scheint
viel Zeit bis zur Geburt. Doch als bei Amelie Komplikationen auftreten, geht
plötzlich alles ganz schnell.
Geänderte Prioritäten
Julian (32) ist noch mitten im Studium, seine Freundin Gitta
(32) hat ihren Job gekündigt. Die beiden haben sich gerade einen Van gekauft
und wollen damit auf große Reise gehen, als sie plötzlich einen positiven
Schwangerschaftstest in den Händen halten. Ein Kind – das wollten sie
unbedingt, aber gerade jetzt? Für Julian bekommen mit einem Mal ganz andere
Dinge Priorität: Gelegenheitsjobs suchen, die Wohnung umgestalten, ein
Geburtshaus finden. Unterstützung bekommen sie von Freunden und Familie.
Wie ändert sich die Partnerschaft?
Julian setzt sich aktiv mit der Vaterrolle auseinander und möchte einen Väterkurs besuchen: Was für ein Vorbild will er sein? Was ändert sich für ihre Partnerschaft? Aus der großen gemeinsamen Reise mit dem Van sollen jetzt viele kleine Touren werden – gemeinsam wollen Julian und Gitta noch einmal den letzten Sommer ohne Kind genießen.
Felix hat einen 13 Monate alten Sohn Emil und war 5 Monate in Elternzeit. In dieser Zeit hat er ManyDads, ein Väternetzwerk in Düsseldorf, gegründet.
Was war der Anlass für dich, ManyDads zu gründen?
Der Anlass war, dass ich gemerkt habe, dass Väter meistens
alleine unterwegs sind. Als ich im Zoopark unterwegs war, habe ich gemerkt,
dass viele Väter, die mit dem Kind unterwegs sind, die Zeit maximal nutzen
wollen und sich viele Podcasts anhören. Viele Väter haben Ohrstöpsel drin und
laufen mit dem Kinderwagen durch die Gegend. Manchmal kommt ein müdes Lächeln,
wenn ein anderer Vater entgegenkommt. Aber im Prinzip bleiben Väter irgendwie
immer alleine. Und Mütter, die sich schon aus den Vorbereitungskursen kennen,
sind wesentlich kommunikativer. Deshalb wollte ich einfach eine Plattform
anbieten, auf der sich Väter vernetzen können. Nur diese Angebote, die es
derzeit gibt, sind gut, aber es gibt viel mehr für Frauen. Und die sprechen die
Männer nicht an. Insofern wollte ich einfach eine Möglichkeit anbieten, wo sich
Väter vernetzen können.
Wie bist du dabei vorgegangen?
Ich habe es zunächst zwei, drei befreundeten Vätern
vorgeschlagen, um Feedback zu bekommen, ob das Sinn macht oder nicht. Dann habe
ich ganz einfach eine Website gebaut und eine WhatsApp-Gruppe dahinter
geschaltet und habe dann Minikärtchen verteilt und verschiedenen Leuten
Bescheid gesagt: „Könnt ihr das bitte den Männern, die jetzt gerade Väter
geworden sind, geben?“ Und das hat Anklang gefunden. Auf einmal kamen dann 10
und dann 20 Leute dazu. Mit der Rheinischen Post ist das Ganze auf über 100
hochkatapultiert. Mittlerweile macht das Jugendamt Werbung für uns mit ihrem
Besuchsdienst. Die nehmen das in ihre Listen auf und bieten es den neuen Vätern
an. Aber viel mehr zählt eigentlich diese Mund-zu-Mund-Empfehlung. Wenn
irgendwer da schon drin ist oder wenn irgendwer irgendwen kennt, dann schicken
sie Leute vorbei, und wir haben wöchentlich neue Väter in der Runde.
Das klingt wie ein toller Schneeballeffekt. Was sind
jetzt die praktischen Erfahrungen? Springen die Väter darauf an? Rennen die dir
die Bude ein? Beziehungsweise, das Ganze läuft ja online, sind die Zahlen auch
entsprechend explodiert?
Es läuft gut an, wir haben mehrere Aktionen daraus gebaut.
Zum Beispiel gibt es auch eine Kooperation mit dem DRK, dort gibt es ein
Väterfrühstück. Dann gibt es einige Väter, die zum Beispiel zu Sportaktivitäten
aufrufen. Es gibt jemanden, der bei Regentagen in die Stadtbibliothek einlädt,
dass er dann dort vor Ort ist. Und dann treffen sich die Leute. Es wird sich
auch viel ausgetauscht, was der beste Kinderwagen ist, oder wo man bei Regen
mit den Kindern hingehen kann. Daraus ist zum Beispiel eine Ausflugsliste
entstanden.
Ich muss aber auch sagen, die Beteiligung war sehr hoch, als
die Kinder noch nicht in der Kita waren, also so ungefähr vor August. Da war
viel los. Da waren viele Männer, die wahrscheinlich auch die Eingewöhnung
übernehmen, auch in Elternzeit. Das sind typischerweise diese zwei Monate. Und
danach ist die Aktivität ein bisschen zurückgegangen. Aber ich glaube, dass die
bald wieder hochgeht. Und es gibt natürlich auch viele Väter, die immer sehr
gerne mitlesen, was man denn so alles machen kann, aber jetzt nicht den aktiven
Part in der Community haben.
Was erleichtert Vätern in der Community mitzumachen oder
eben andersrum, was meinst du, was hindert sie daran, aktiv zu werden?
Ich glaube, das sind die ganz einfachen, unkonventionellen
Angebote, bei denen man sich nicht drei Wochen vorher anmelden muss. Oder bei
denen es den Vätern auch leicht gemacht wird. In eine ganz neue Gruppe
reinzukommen und sich vorzustellen, ist für viele bestimmt ein Schritt aus der
Komfortzone heraus. Also es muss, glaube ich, viele Events geben, bei denen man
unkonventionell vorbeischauen kann und dann einfach Teil der Gruppe ist.
Gibt es auch Faktoren, wo du meinst, okay, wenn man die
wegräumen würde, dann wird es den Vätern auch leichter fallen?
Ich experimentiere gerade ein bisschen mit der Sprache. Weil
ich glaube, dass die Art und Weise, wie Dinge heutzutage angeboten werden,
Väter nicht anspricht. Ganz oft wird von ‚Hilfe‘ gesprochen. Und das ist etwas,
wo viele Väter sagen „Nein, ich brauche keine Hilfe, ich würde aber total gerne
Teil der Community sein.“ Oder ganz oft wird auch eine sehr starke Sprache, die
für Mütter sehr passend ist, genutzt. Das ist für Väter aber nicht so passend.
Ich habe noch nicht wirklich die Sprache gefunden, die funktioniert. Aber ich
glaube, man muss da ein bisschen rumexperimentieren und kann dann die Angebote
besser beschreiben.
Was meinst du, brauchen ‚frischgebackene‘ Väter, um ins
Vatersein gut reinzukommen?
Ganz viele haben gerade am Anfang sehr viele Fragen, sei es
so pragmatische Sachen, wie, wie komme ich eigentlich in die Elternzeit rein?
Welche Formulare muss ich ausfüllen? Aber viele sind natürlich auch dann gerade
in diesen zwei Monaten vor der Kita-Eingewöhnung dabei und fragen sich, wie
läuft das eigentlich? Wie viel Zeit muss ich da einplanen? Also, es sind sehr
pragmatische Fragen rund um die Planung.
Dazu kommt sowas wie, man will nicht allein mit dem Kind
draußen sein und trifft sich gerne mal mit ein, zwei Vätern.
Wir haben in unserer Community sehr unterschiedliche
Charaktere. Und vielleicht muss man auch so seine zwei, drei Leute finden, mit
denen man sehr gut klarkommt und die in der Nähe wohnen.
Die Nähe ist übrigens sehr, sehr wichtig. Wir haben diese
Community zunächst für ganz Düsseldorf aufgemacht. Aber jemand, der in Bilk
wohnt, fährt nicht mal eben zum Nordpark, um dort für ein, zwei Stunden zu
sein. Das ist ja meistens so dieses Zeitfenster mit ganz jungen Kindern. Das
bedeutet, es muss eigentlich sehr lokal sein. Es hat sich so eine Gruppe rund
um den Zoopark aufgebaut. Dann Leute eher im Stadtzentrum. Und es entstehen
gerade weitere Gruppen in Oberkassel, in Unterrath auch. Und mittlerweile gibt
es auch jemanden, der das für Köln vorgeschlagen hat.
Wenn du jetzt drei Wünsche offen hättest, was wären deine
Wünsche?
Ich würde mir wünschen, dass Arbeitgeber Väter noch stärker
in die Elternzeit pushen. Väter scheuen oftmals zu fragen, ob man auch mehr als
zwei Monate in Elternzeit gehen kann. Dabei müsste man ja eigentlich gar nicht
fragen.
Weitere Angebote für Väter wären ebenfalls super. Sowas wie
das Frühstück. Ein Väter-Grillen oder so ein Treff. Also weitere Angebote sind,
glaube ich, sehr, sehr gut. Das würde sehr gut angenommen werden.
Und ein dritter Wunsch wäre, dass es Unterstützung von
weiteren Organisationen gibt. Also sei es monetär, dass man vielleicht auch mal
hier und da ein bisschen mehr Werbung machen kann. Oder auch mal eine noch
bessere Community-Seite in die Hand nimmt, vielleicht mal eine App baut, etc.
Es wäre gut, wenn man Subventionen bekäme. Aber auch generell, zum Beispiel mit
euch, mit Väterarbeit in NRW, dass wir uns da gegenseitig bekannt machen. Das
Interview wird dann ja auch wieder bei ManyDads gepostet. Und das Angebot in
Kooperation mit dem DRK, das funktioniert super. Es gibt aber noch
weitere Organisationen. Ich glaube, wir müssen uns alle so vernetzen, dass es
ein Ökosystem wird. Dass es egal ist, ob der Vater bei ManyDads ist oder an
einem anderen Event teilnimmt. Es muss ein Ökosystem von guten Angeboten für
Väter sein. Sodass man nicht immer zwei Monate bis zum nächsten Event warten
muss.
Das ist eine schöne Vision, vielen Dank für das Gespräch.
‚Father Unknown‘
erzählt die Geschichte von Alfie, der während eines Englischkurses
herausfindet, dass er Vater werden wird. Alfies Leben bestand bisher
hauptsächlich aus Monsterdosen, U-Bahn-Sprüngen, Xbox-Spielen und dem knappen
Entgehen eines Rauswurfs aus der Klasse, aber die Dinge werden sich ändern…
und zwar schnell.
Diese Show
hat eine faszinierende Reise hinter sich. Geboren aus der Leidenschaft, ihre
Geschichte zu erzählen, haben die jungen Väter von The North East Young Dads
and Lads den Humangeographen Dr. Michael Richardson und den Kreativpraktiker
Jonah York für die Produktion ihrer Geschichte gewonnen. Beide Künstler haben
eine unglaublich enge Verbindung zu diesen jungen Männern, da sie in den
letzten drei Jahren in verschiedenen Funktionen für die
Wohltätigkeitsorganisation gearbeitet haben und von dem kreativen Potenzial
dieser jungen Männer und ihrer Geschichten inspiriert wurden.
Father
Unknown ist eine Zusammenstellung einer Auswahl von jungen Vätern, die an einem
langfristigen künstlerischen Projekt teilgenommen haben. Diese jungen Väter
durchdringen den gesamten kreativen Prozess von Father Unknown und treten als
Autoren, Interviewer, Schöpfer und Vermittler auf. Dies ist mehr als eine Show,
es ist Fürsprache, Jugendarbeit und eine Feier der Elternschaft, der Familie
und des Heranwachsens, der Höhen, der Tiefen und der unsterblichen Liebe, die
jeder junge Vater für sein Kind empfindet.
Father
Unknown ist ein witziger, herausfordernder und ehrlicher Blick auf die junge
Vaterschaft, der in Zusammenarbeit mit jungen Vätern der North East Young Dads
and Lads und der Newcastle University entstanden ist.
Das Stück
wurde am 15. Juni im Gala Durham und anschließend am 16. und 17. Juni 2023 im
Northern Stage aufgeführt. Diese digitale Theaterfassung der Show wurde am
Freitag, den 16. Juni, von Stephen Smith vom Threedom Theatre auf der Northern
Stage (Stage 3) gefilmt.
Jürgen Haas ist seit vielen Jahren als Koordinator der Väterkindagentur im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen in der Familienbildung tätig. Ihm ist Vernetzungsarbeit und die Kooperation mit andern für die Belange von Vätern und Kindern sehr wichtig. Als Supervisor, Gestalttherapeut und wissenschaftlicher Referent hat er zahlreiche Zugänge zur Männer- und Väterarbeit und ist selbst leidenschaftlich gerne Vater und Großvater von zwei Töchtern und einem Enkelkind.
Ergänzen Sie bitte den Satz ‚Vater werden ist …‘
… eine wunderbare Herausforderung und ein nachhaltiges Erlebnis.
Welche Eigenschaften fallen ihnen beim Wort ‚Vater‘ ein?
Was sollte Mann beim Vater werden unbedingt beachten?
Nach meiner nun fast 30 jährigen Erfahrung ist es wichtig immer mit dem eigenen Kind empathisch und nachhaltig in Kontakt zu bleiben und dies auch in sogenannten schwierigen Zeiten. Für mich beginnt diese Nähe und die von Verantwortung und Liebe getragene Verbundenheit vor der Geburt und gilt ein Leben lang, durch alle Lebensabschnitte und -phasen meines Kindes, bzw. meiner Kinder. Dieser Kontakt setzt gemeinsame Zeit voraus, für die es wichtig ist zu kämpfen, um konsequent Zeiträume und Zeitfenster zu sichern. Ich finde es wichtig elterliche Verantwortung gemeinsam zu tragen und trotz der Diversität mit Blick auf Einstellungen und Ansichten gemeinsame Wege zu suchen. Diese Grundhaltung sollte ggf. auch über die Partnerschaft hinaus (Stichwort: Trennung) Gültigkeit haben.
Was würde Ihrer Meinung nach Vätern in Zukunft das Vater sein erleichtern?
Die Anerkennung von Care-Aufgaben als wichtigen gesellschaftlichen und nachhaltigen Beitrag und als elementare Voraussetzung für eine partnerschaftliche Aufteilung von Erziehungsverantwortung. In Konsequenz bedeutet dies für mich die Festschreibung und Umsetzung von politischen Maßnahmen und Rahmenbedingungen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zur finanziellen Absicherung von Familien.
An welches Erlebnis mit Ihrem Vater erinnern Sie sich am liebsten?
Mein Vater war Küchenmeister und hat leidenschaftlich gerne gekocht. An jedem Sonntag hatte ich die Gelegenheit ihm beim Kochen zuzuschauen und ihn dabei zu unterstützen. Es hat mich sehr beeindruckt, wie er mit Gewürzen „jonglieren“ und Geschmacksnuancen komponieren konnte. Das er mich daran teilhaben ließ und mir die Dinge liebevoll und mit viel Geduld erklärte, hat bei mir Spuren und wunderschöne Erinnerungsbilder hinterlassen, an denen ich gerne meine Kindern in Geschichten und Erzählungen teilhaben lasse.
Familienpolitik liegt zum größeren Teil in der Verantwortung des Bundes, neben dem Familienministerium ist es vor allem das Ministerium für Justiz, die strukturelle Rahmenbedingungen für Väter und Mütter wie Elternzeit und Elterngeld, Familienstartzeit und Unterhaltsrecht regeln und notwendige Veränderungen in die Wege leiten oder auch nicht.
Als Landesarbeitsgemeinschaft blicken wir daher bei diesen
wichtigen Eckpunkten auch mal nach Berlin. Nach der letzten Bundestagswahl
haben wir dazu sehr optimistisch festgehalten: „Nachdem die
neue Familienministerin angekündigt hat, eine Vaterschaftsfreistellung in den
ersten zwei Wochen nach der Geburt einzuführen und auch Elternzeit und
Elterngeld weiterzuentwickeln, lohnt es sich näher hinzuschauen.“
Dies haben wir beim Werkstattgespräch am 24. Februar 2022 dann auch gemacht. Im Vorfeld hatten wir den Zukunftsvertrag der Ampelkoalition analysiert und viele Ankündigungen zum Punkt ‚Zeit für Familien‘
Wir werden Familien dabei unterstützen, wenn sie
Zeit für Erziehung und Pflege brauchen und dabei Erwerbs- und Sorgearbeit
partnerschaftlich aufteilen wollen.
Wir werden das Elterngeld vereinfachen,
digitalisieren und die gemeinschaftliche elterliche Verantwortung stärken.
Wir werden eine zweiwöchige vergütete
Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes
einführen.
Die Partnermonate beim Basis-Elterngeld werden
wir um einen Monat erweitern. …
und ‚Wir werden das Familienrecht modernisieren‘
Wir werden die partnerschaftliche Betreuung der
Kinder nach der Trennung fördern, indem wir die umgangs- und
betreuungsbedingten Mehrbelastungen im Sozial- und Steuerrecht besser
berücksichtigen.
Wir wollen allen Familien eine am Kindeswohl
orientierte partnerschaftliche Betreuung minderjähriger Kinder auch nach
Trennung und Scheidung der Eltern ermöglichen und die dafür erforderlichen
Bedingungen schaffen.
Wir wollen im Unterhaltsrecht die
Betreuungsanteile vor und nach der Scheidung besser berücksichtigen, ohne das
Existenzminimum des Kindes zu gefährden. …
gefunden.
Beim MemberMeeting der LAGV am 19. September haben wir die
Frage, ‚was Familienpolitik (noch) bewirken will‘ in den Mittelpunkt gestellt.
ZU der mehrfach aufgeschobene ‚Vaterschaftsfreistellung‘ die
jetzt als ‚Familienstartzeit‘ gelabelt ist, kursiert seit März ein
Referent*innenentwurf, der aber bis heute nicht offiziell veröffentlicht ist.
Die Ankündigung der Familienministerin vom 12. September, das Gesetz komme
zeitnah ist für 2023 nicht mehr zu verwirklichen.
Bei der Elternzeit wird inzwischen über Kürzungen diskutiert.
Paus selber schlug vor die Einkommensgrenzen auf 150.000 € abzusenken, um die
Sparvorgaben zu erreichen. Die FDP hat inzwischen eine Verkürzung der
Elternzeit von 14 auf 12 Monate ins Gespräch gebracht.
Die Einschätzung des Bundesforums Männer, dass dies ein
rückwärtsgewandter Vorschlag ist, der vor allem für Väter ein
gleichstellungspolitischer Rückschritt wäre, teilen wir uneingeschränkt.
Über die im 9. Familienbericht angemahnte Anpassung der Elterngeldbeitrage, die
seit 15 Jahren unverändert sind, wird gar nicht gesprochen.
Zur ‚Modernisierung des Familienrechts‘ hat Justizminister
Buschmann am 24. August das Eckpunktepapier ‚Ein faires Unterhaltsrecht für
Trennungsfamilien‘ vorgelegt, das sich an den Vorschlägen des vom ‚Wissenschaftlichen
Beirats für Familienfragen des BMFSFJ‘ vorgelegten Gutachtens ‚Gemeinsam
getrennt erziehen‘ orientiert.
Die Diskussion um diesen Vorschlag zielt aber nicht darauf
ab, wie wir von der traditionellen Vorstellung ‚einer betreut, einer zahlt‘
wegkommen, Kindern nach einer Trennung eine gute Beziehung zu beiden Eltern
ermöglichen und Vätern von Anfang an und auch nach einer gescheiterten
Paarbeziehung ermöglichen, die Bedeutung, die sie für ihre Kinder haben auch
wahrzunehmen.
Vielmehr ging und geht es darum wer Gewinner*in oder
Verlierer*in der Vorschläge sein wird. Dies gipfelte in der abstrusen
Behauptung, Väterrechtler hätten ihre Interessen durchgesetzt. Das
Familienministerium, das unter anderem die Professorinnen Walper und Kreyenfeld
mit der Entwicklung des Stufenmodells beauftragt hat, schweigt zu dem
Spektakel.
Die Bilanz des Treffens, die Perspektiven für eine geschlechtergerechte Familienpolitik, die die strukturellen Rahmenbedingungen dafür schafft, dass Väter und Mütter in allen Lebenslagen, auch in Krisen, Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich aufteilen können, sehen momentan nicht gut aus. Und das liegt nicht alleine an der durch Corona und Energiekrise angespannten Finanzlage.
Finnland ist weltweit führend, was die frühkindliche Bildung
angeht. Die Kinderbetreuung ist erschwinglich und Krippenplätze sind überall
verfügbar, und das in einem System, das die Rechte der Kinder in den
Mittelpunkt der Entscheidungsfindung stellt.
Jetzt wendet das Land die gleiche kinderfreundliche Denkweise auch auf die Politik der Elternzeit für Väter an, um die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern bei der Elternschaft zu bekämpfen.
Alexandra Topping vom britischen Guardian ist nach Helsinki gereist, um die Hintergründe dieser Politik für Kinder, Mütter und Väter zu erkunden.