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Archiv für die 'Politik' Kategorie

Abgeordnete dürfen keine Elternzeit nehmen

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 30. August 2018

Weil sie ein schlafendes Baby auf dem Arm hatte, wurde die Grünen-Abgeordnete Madeleine Henfling des Thüringer Plenarsaals verwiesen – auf Anweisung des Landtagspräsidenten. „Er sagte, ich solle das Kind betreuen lassen“, sagt Henfling. „Aber es gibt gar keine Kinderbetreuung im Landtag.“ Und ein Recht auf Elternzeit, wie es andere berufstätige Mütter haben, hat sie als Abgeordnete nicht.

„Das Mandat ist eine verfassungsrechtliche Pflicht. Die kann man annehmen oder ablegen, dazwischen gibt es nichts.“ So formuliert es der Landtag in Baden-Württemberg. Und von der Pressestelle des Deutschen Bundestages heißt es: „Gemäß Artikel 38 Grundgesetz üben Abgeordnete ein freies Mandat aus, bei dem sie nicht an Aufträge und Weisungen gebunden sind. Deshalb sind die Regelungen des Elternzeitgesetzes nicht anwendbar.“

Das heißt mit anderen Worten: Ob Abgeordnete viel, wenig oder gar nicht arbeiten, darf ihnen niemand vorschreiben. Es bleibt einzig ihrem Gewissen überlassen. So gibt es aber auch keine Grundlage für eine Babypause – zum Leidwesen der Betroffenen.

Maren Jasper-Winter, 41, FDP-Abgeordnete im Berliner Abgeordnetenhaus und seit rund sechs Monaten Mutter, versucht seit der Geburt ihres Babys deshalb, irgendwie trotzdem weiterzuarbeiten – per Handy, am Laptop, über soziale Medien. „Das ist kein Job, den man einfach liegen lässt“, sagt sie. Trotzdem wollte sie nicht direkt nach dem achtwöchigen Mutterschutz wieder voll in den Job einsteigen. Vier Monate ließ sie die Arbeit in Ausschüssen und Plenarsitzungen ruhen.

Wenn eine Abgeordnete fehlt, kann das allerdings verschiedene Probleme mit sich bringen. „Sind Mehrheiten im Parlament knapp, müssen sich Eltern überlegen, ob sie bei einer Abstimmung fehlen und es dann an ihnen liegt, wenn ihre Fraktion mit einem Antrag scheitert“, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Susann Rüthrich, die selbst drei Kinder hat. „Das ist ein immenser Druck.“ Außerdem gebe es Sitzungstermine mit Präsenzpflicht.

Nur während des Mutterschutzes dürfen Bundestagsabgeordnete unentschuldigt fehlen, andernfalls wird ihr Sitzungsgeld gekürzt, pro Termin bis zu 200 Euro. „Das kann schon ins Geld gehen“, sagt Rüthrich. Für Väter sei es noch härter: „Die müssen nach der Geburt ihres Kindes im Zweifel direkt vom Kreißsaal zur Abstimmung im Bundestag hetzen.“

Dass auch Politiker Arbeit und Familie vereinbaren wollen, ist für viele noch immer ein ungewohnter Gedanke. Das ist zumindest die Erfahrung von Benjamin Raschke, Grünen-Politiker im Brandenburger Landtag. Er machte 2016 knapp zwei Monate Babypause. In der Fraktion habe er viel Verständnis und Hilfsbereitschaft erfahren, sagt er, aber er sei auch oft gefragt worden, „warum sich nicht einfach meine Frau ums Kind kümmert“.

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Expertenkommission empfiehlt 8 Wochen Väterzeit in der Schweiz

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 20. August 2018

Die Eidgenössische Koordinierungskommission für Familienfragen (EKFF) hat ein Forschungsbüro damit beauftragt, die zwischen 2010 und 2017 veröffentlichte Literatur zu den Auswirkungen einer Elternzeit und eines Mutter- oder Vaterschaftsurlaubs zu analysieren und einen Vergleich zwischen verschiedenen OECD-Ländern zu erstellen.

Den Ergebnissen der am Montag veröffentlichten Analyse zufolge bietet eine Elternzeit nicht nur Vorteile für Eltern und Kind, sondern auch für Gesellschaft und Wirtschaft. Alle Länder, die eine Elternzeit eingeführt haben, hätten diese auch beibehalten.

Das Schlusslicht in Bezug auf die Unterstützung junger Eltern bilde die Schweiz, die keine gesetzliche bezahlte Elternzeit kennt. Die EKFF äußert sich in einer Medienmitteilung überzeugt, dass die Einführung einer Elternzeit, die zwischen beiden Elternteilen aufgeteilt werden kann, sich positiv auf die Familien und die Gesellschaft auswirken würde.

Anhand der jüngst veröffentlichten Literatur hat die EKFF ihren Modellvorschlag aus dem Jahr 2010 überprüft und „mit Genugtuung“ festgestellt, dass das 38-Wochen-Modell seine Gültigkeit behalten habe. Sie empfiehlt, acht Wochen der Elternzeit den Vätern vorzubehalten, da diese Zeit die Vater-Kind-Beziehung langfristig positiv beeinflusse.

Mit der Elternzeit könnte die Erwerbsquote der Frauen erhöht werden, was dem Fachkräftemangel entgegenwirken würde, argumentiert die EKFF. Außerdem könnten Mütter, die dies wollen, ihren Beschäftigungsgrad erhöhen.

Eine Studie aus dem Jahr 2010 schätzt die Kosten des EKFF-Modells auf 1 bis 1,5 Milliarden Franken. Mit einer Erhöhung der Erwerbsquote der Frauen um 1 Prozent und den dadurch generierten Steuereinnahmen wären die Kosten einer vollständig bezahlten Elternzeit von 18 bis 20 Wochen bereits gedeckt, schreibt die Kommission.

Der EKFF gehören 15 Mitglieder aus familienpolitischen Organisationen, Instituten der Familienforschung und Fachleute aus dem Sozial-, Rechts- und Gesundheitsbereich an.

Im Juni 2017 war die Volksinitiative „Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie“ eingereicht worden. Urheber sind die Organisationen Travail.Suisse, männer.ch, Alliance F und Pro Familia Schweiz. Sie verlangt vier Wochen Vaterschaftsurlaub, was der Bundesrat als zu teuer erachtet.

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Väterpolitik muss beim gesellschaftlichen Bewusstsein ansetzen

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 14. August 2018

Katrin Harms, Referentin im niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung für die Väterarbeit und koordiniert die Arbeit des Landesarbeitsforums. Sie hat die Entwicklung des Handlungskonzepts Zukunftsorientierte Väterpolitik in Niedersachsen begleitet. Ziel der darin beschriebenen Maßnahmen ist es, die Aufmerksamkeit für die Rolle der Väter in der Erziehung zu stärken und für mehr Akzeptanz in der Arbeitswelt zu sorgen. Im Interview erläutert sie Möglichkeiten und Grenzen einer Politik für Väter.

Frage: Welche Herausforderungen im Hinblick auf ein modernes Väterbild werden durch die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure im Landesarbeitsforum „Aktive Vaterrolle“ sichtbar?

… Sicherlich gab es schon Momente, in denen erst mit Denkhemmungen aufgeräumt werden musste, bevor über das gemeinsame Ziel gesprochen werden konnte. Ich erinnere mich beispielsweise an die vereinzelt geäußerte Kritik, die Öffentlichkeitsarbeit zum Thema „Väterbilder“ könne nicht von einer Frau erfolgen. In einer anderen Situation wurde deutlich, dass Väterarbeit von einem ausschließlich positiv besetzten Väterbild ausgehen soll. Dieser Ansatz ist sicherlich auch richtig, was Projekte wie „Achtung, Väter, los“ belegen. …

Dessen ungeachtet ist die unterschiedliche Besetzung des Landesarbeitsforums für alle allein von Vorteil. Das unterschiedliche Wissen und vor allem die verschiedenen Netzwerke werden gut genutzt und stetig in die Arbeit eingebracht. Darüber hinaus schätze ich auch sehr den konstruktiven und kreativen Umgang aller, der immer von einem Miteinander und nicht von einem Gegeneinander geprägt ist.

Frage: Welche Zielgruppen sollten besonders in den Blick genommen werden?

Mit der Umsetzung des Handlungskonzepts nehmen wir zunächst zukünftige Väter, also Jungen, und Väter mit Migrationshintergrund in den Blick.

Frage: Wie können Väter im Hinblick auf berufliche Vereinbarkeit gestärkt werden?

Väter können vor allem durch die Mütter ihrer Kinder gestärkt werden, denn die Entscheidung über die Aufteilung von Familienaufgaben und Beruf fällt das Paar.

Das Leben von Familien mit Kindern hat sich in den vergangenen Jahren in vielerlei Hinsicht geändert. Das Selbstverständnis heutiger Väter hat sich dabei im Vergleich zu dem ihrer eigenen Väter sehr gewandelt. Viele Väter kümmern sich aktiver und intensiver um ihre Kinder als frühere Vätergenerationen dies taten. Dennoch verbringen Väter in Deutschland nach wie vor weniger Zeit mit ihren Kindern als Mütter. Mit der Reform des Elterngeldes im Jahr 2015 sind wichtige Weichen gestellt worden, um eine partnerschaftliche Aufteilung der Kinderbetreuung zwischen den Eltern zu stärken. Dennoch sehen wir am Antragsverhalten im Bereich des Elterngeldes, dass immer noch signifikant mehr Frauen Erziehungsaufgaben übernehmen.

Es bleibt also festzuhalten, dass bereits jetzt die gesetzlichen Möglichkeiten für Väter dieselben sind wie für Mütter und der Aushandlungsprozess in der Partnerschaft von Politik offenbar nur bis zu einem gewissen Punkt erfolgreich beeinflusst werden kann.

Frage: Wie können Familien bei der Realisierung einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung in der Erziehungsgemeinschaft unterstützt werden?

Zunächst müssen wir uns fragen, ob die gesetzlichen Rahmenbedingungen noch verbessert werden können. Das Elterngeld sichert die wirtschaftliche Existenz der jungen Familien und hilft Vätern und Müttern, Familie und Beruf besser zu vereinbaren. Allerdings zeigt der Bericht des Bundes über die Auswirkungen der Regelungen zum Elterngeld Plus und zum Partnerschaftsbonus sowie zur Elternzeit auch, wo Optimierungsbedarfe bestehen. So ist bekannt, dass Eltern sich u.a. gegen den Partnerschaftsbonus entscheiden, weil sie Unwägbarkeiten in der vollständigen Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen und in der Folge Rückzahlungen der Leistungen befürchten. …

Dessen ungeachtet sollten wir im Moment neben der Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen mehr daran arbeiten, dass die bereits vorhandenen Möglichkeiten von beiden Geschlechtern auch genutzt werden. Diese Veränderung beginnt beim Paar, das Einigkeit über die Aufteilung des Einkommens und der Sorge fürs Kind erzielen muss und diese Einigkeit dann nach außen, beispielsweise gegenüber Arbeitgebern, vertreten muss. Der zukünftige Weg, für mehr Partnerschaftlichkeit zu werben, muss also – wie im Handlungskonzept vorgesehen – derzeit vor allem beim gesellschaftlichen Bewusstsein ansetzen.

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Fehlende Anerkennung macht Väter unglücklich

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 8. Juli 2018

Männer sind lieber im Büro als zu Hause bei ihrer Familie – so das Ergebnis einer neuen Studie des deutschen Soziologen Martin Schröder. Je mehr ein Vater also sein Arbeitspensum runterschraubt, desto unglücklicher wird er. Die Mütter hingegen? Die seien mit allen Situationen etwa gleich zufrieden, egal ob Vollzeit-Mami, Karrierefrau oder Teilzeit-Jobberin.

Im Gespräch mit dem Friday Magazin äußert sich Markus Theunert, Leiter des Schweizerischen Instituts für Männer- und Geschlechterfragen SIMG, der Fachstelle des Dachverbands männer.ch zu den Ergebnissen der Studie.

Herr Theunert, die meisten Väter wollen laut der Studie Vollzeit arbeiten – haben Sie mit diesem Ergebnis gerechnet?

Natürlich ist es einfacher, so zu leben, wie der Mainstream das will und wie es den veralteten politischen Rahmenbedingungen entspricht. Insofern überrascht mich das Ergebnis nicht. Mich überrascht höchstens die einseitige Interpretation der Ergebnisse. Es ist doch nicht die Teilzeitarbeit als solche, die Väter unglücklich macht – es ist die fehlende Normalität und Anerkennung teilzeitarbeitender Männer.

Also hätten Männer eigentlich gar nichts gegen Teilzeitarbeit einzuwenden?

Eine Studie von Pro Familia zeigt, dass 9 von 10 Männern in der Schweiz weniger und flexibler arbeiten möchten. Die meisten äussern auch den Wunsch, aktiv am Alltag ihres Kindes teilzuhaben. Die Umsetzung aber ist schwieriger: Wer im Job nicht dauernd verfügbar ist, gilt schnell als Underperformer. Die ganzen Rahmenbedingungen und unsere Arbeitskultur sind schlicht nicht auf eine faire Arbeitsteilung zwischen Müttern und Vätern angelegt. Die Sache ist also wesentlich komplexer und widersprüchlicher, als es diese Studie darstellt.

Verschiedene ältere Studien zeigen, dass Männer zwar vorhaben, ihr Pensum zu reduzieren – nach der Geburt ihres Kindes aber noch mehr Zeit im Büro verbringen. Ist das als Flucht vor dem anstrengenden Familienalltag zu deuten?

Väter scheuen nicht die Anstrengung. Sie scheuen das unangenehme Gefühl, etwas nicht oder noch nicht zu können. Ein Baby zu betreuen, das braucht Kompetenzen, ist fremdes Terrain. Gleich nach der Geburt sind Mutter und Vater zwar vergleichbar unbeholfen, dann aber schlägt die Traditionsfalle zu: Mütter entwickeln sich schnell, Väter lassen sich – gerade auch wegen des fehlenden Vaterschaftsurlaubs – abhängen. Und dann finden sie aus der undankbaren Assistenten-Rolle nicht mehr heraus. Genau in diesem Moment wird die Arbeit umso attraktiver, weil ich mich dort als Mann souverän bewegen kann.

Finden Sie es problematisch, dass sich Männer – so der Soziologe und Initiator der Studie – sehr stark über ihren Job definieren?

Das wird dann zum Problem, wenn sie sich nur über ihren Job definieren. Es ist gefährlich und gesundheitsgefährdend, Identität und Selbstwert nur auf eine Säule zu bauen. Wichtig ist, der Familie, den Freunden, Hobbys und der persönlichen Entwicklung mehr Aufmerksamkeit und Wert zu geben. Das gesellschaftliche Männerbild muss sich wandeln. Es muss normal werden, dass auch der Mann seine Hälfte der unbezahlten Arbeit, die nun mal anfällt, leistet.

Haben Sie einen Rat für Mütter, die merken, dass sich ihre Männer vor dem Familienalltag drücken?

Männer drücken sich nicht. Sie leisten ja auch in der traditionellen Ernährerrolle viel für die Familie – aber halt wenig innerhalb der Familie. Müttern rate ich generell: Gebt euren Männern Raum und Zeit allein mit dem Baby, damit sie ihre Kompetenzen entwickeln können. Dann hilft auch die Biologie: Mütter schütten das Fürsorgehormon Prolaktin automatisch aus, Väter nur, wenn sie sich intensiv mit dem Baby beschäftigen.

Macht die Studie der Vaterschaftsurlaubs-Initiative einen Strich durch die Rechnung?

Ach was. Erstens ist Gleichstellung ein Verfassungsauftrag, bei dem es schlicht keine Rolle spielt, ob die Betroffenen Interesse daran haben. Es fragt ja auch niemand, ob jemand aus Interesse Steuern zahlt – oder aus Pflicht. Zweitens haben Väter natürlich ein Interesse daran, rund um die Geburt nahe bei Frau und Kind zu sein. Sie spüren aber auch, dass diese Erfahrung etwas in ihnen verändern wird, ihre einseitige Erwerbsorientierung in Frage stellen könnte. Das kann Angst machen – Pioniere haben es immer schwerer.

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EU stärkt Vätern den Rücken

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 25. Juni 2018

Eine gute Nachricht für die Gleichbefähigung von Männern: Europaweit sollen Väter bei der Geburt eines Kindes Anspruch auf 10 Tage bezahlten Urlaub haben. Das hat der EU-Ministerrat beschlossen. Bisher hatten Väter hierzulande keinen gesetzlichen Anspruch auf bezahlten Urlaub bei der Geburt eines Kindes. Wer seine Partnerin dennoch unterstützen wollte, musste unbezahlt zu Hause bleiben. Bis zur Umsetzung der Neuregelung kann es aber lange dauern.

Der Beschluss sieht auch vor, dass es zwei Monate bezahlte Elternzeit für Väter geben soll. In Deutschland ist dies bereits so geregelt, andere Länder wollten den Zeitraum auf einen Monat begrenzen, die Kommission hatte vier Monate vorgeschlagen. Das Ergebnis ist ein Kompromiss.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) verbucht das Ergebnis dennoch als „Erfolgsmeldung“. Ein Sprecher ihres Ministeriums sagte der taz: „Die Beschlüsse werden dazu führen, dass mehr Männer für ihre Kinder da sein werden. Damit fördern wir in ganz Europa auch die Erwerbstätigkeit von Frauen.“ Nun müssen sich die europäischen Institutionen noch mit dem EU-Parlament abstimmen.

Dag Schölper vom Bundesforum Männer findet den Urlaubsanspruch „großartig“ und lobt die EU: „In Deutschland wäre man darauf nicht alleine gekommen. Das zeigt, wie wenig die Idee, dass der Vater eine Rolle spielt im Leben der kleinen Kinder, angekommen ist.“ Ein gesetzlicher Anspruch könnte einen „Kulturwandel“ einläuten. Schölper ist zuversichtlich, dass sehr viele Väter den Urlaub nutzen werden, um Partnerin und Kind zu unterstützen.

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Woozles und fehlende familienpolitische Diskurslinien in Deutschland

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 17. Mai 2018

Die Debatte um gemeinsame Elternschaft bzw. die Doppelresidenz hat der Psychologe Stefan Rücker, Leiter der von dem Bundesfamilienministerium in Auftrag gegebenen PETRA Studie von Nachtrennungsfamilien, jüngst als eine zentrale gesellschaftspolitische Auseinandersetzung bezeichnet. Tatsächlich rührt die Debatte nicht nur an unserem Verständnis von Eltern- und Kindeswohl, sondern auch an tradierten Rollenbildern in der Familie.

Es ist nicht die erste gesellschaftliche Debatte, in der eine emotionalisierte Stimmungslage dazu führt, dass Sachinformation mit Werturteilen bzw. Ängsten und Hoffnungen vermischt werden. Dies ist nicht nur in Deutschland, sondern in zahlreichen westlichen Demokratien so. Im angelsächsischen Raum hat sich im Rahmen der Debatte um gemeinsame Elternschaft mittlerweile sogar ein eigener Begriff – „Woozle“ – etabliert.

Ein Woozle ist gemäß des Kinderbuches Winnie the Pooh ein Popanz, ein Schreckgespenst, das im gesellschaftlichen Diskurs der Sachinformation das Fürchten lehrt. In dem vorliegenden Beitrag zur Debatte über die gemeinsame Elternschaft in Deutschland geht es vor allem darum, den Sachinformationen gegen den gemeinen Woozle den Rücken zu stärken.

Aber wissen wir denn überhaupt, was in Nachtrennungssituationen das Beste für das Kind ist? Mit dem Kindeswohl wird schließlich seit Jahrzehnten alles Mögliche begründet. Wie kann man unter diesen Umständen Fakten und Meinung auseinanderhalten?

Wir wissen, seitdem in breitangelegten empirischen Studien das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen nach wissenschaftlichen Maßstäben gemessen wurde, tatsächlich bereits sehr viel über Kinder und Jugendliche in Nachtrennungsfamilien. Noch viel breiter und theoretischer erforscht sind die Voraussetzungen dafür, dass in einer offenen Gesellschaft die Entscheidungsträger Zugang zu den „besten verfügbaren Informationen“ haben.

Einer der prominentesten deutschen Philosophen und Politikwissenschaftlern der Nachkriegszeit – Jürgen Habermas – hat die Bedingungen für einen fairen und offenen Diskurs herausgearbeitet. An diesen Vorbedingungen dafür, dass Politikern, Juristen und Experten für die Familienbetreuung Zugang zu den „besten verfügbaren Informationen“ haben, mangelt es jedoch in Deutschland. Statt einer offenen, zwanglosen und wahrhaftigen Debatte um die besten Möglichkeiten, Eltern und Kinder nach einer Trennung zu unterstützen, hat sich in Deutschland ein von der internationalen Wissenschaft abgekoppelter Sonderdiskurs etabliert, der von wenigen prominenten Stichwortgebern und Experten dominiert wird.

In Folge dessen wird renommierte internationale Forschung in Deutschland gar nicht wahrgenommen oder im Zweifelsfall falsch dargestellt. Ein Grund dafür ist, dass die Qualitätskriterien für wissenschaftliche Forschung, die in anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen Standard sind, in den deutschen Publikationen zur gemeinsamen Elternschaft gar nicht zur Anwendung kommen.

Johannes Carl Busse zeigt in seinem Beitrag ‚The debate on shared parenting in Germany‘ die Qualitätsdefizite und die mangelnde Wahrhaftigkeit der wichtigsten Expertenbeiträge in Deutschland auf und macht Vorschläge, wie Entscheidungsträger dennoch zwischen Wissenschaft und Meinung unterscheiden können.

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Väter und Mütter wollen mehr Familienzeit

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 8. Mai 2018

Sabine Walper und Shih-cheng Lien vom Deutschen Jugendinstitut in München werteten Tagebuchprotokolle von 665 Paarhaushalten mit mindestens einem Kind unter 10 Jahren aus. Als Grundlage dienten die Daten der Zeitverwendungserhebung des Statistischen Bundesamts aus den Jahren 2012/2013. „Die empirischen Analysen zeigen, dass in Familien mit aktiven Vätern die Partnerinnen nicht weniger, sondern ebenfalls mehr Zeit für die Kinderbetreuung aufbringen“, sagt DJI-Forschungsdirektorin Walper. Die Betreuungszeiten der Männer werden vor allem als gemeinsame Zeit genutzt. Die Studienergebnisse entsprechen dem Trend einer Intensivierung von Elternschaft: Väter wie Mütter verwenden heute durchschnittlich mehr Zeit für die Kinderbetreuung, obwohl die Kinderzahl in den Familien im vergangenen Jahrzehnt gesunken ist und die Dauer zugenommen hat, die Kinder in Kita oder Schule verbringen.

Die DJI-Studie bestätigt Ergebnisse internationaler Zeitbudgetstudien. Demnach verändern sich in den meisten hoch entwickelten Industrieländern, auch den nordeuropäischen mit guter Infrastruktur für Kinder, Zeitbedarf und Zeitaufwand für Mütter weder durch zusätzliche Kinderbetreuungsangebote noch durch ein verstärktes Engagement der Väter. Vielmehr offenbart sich ein veränderter Anspruch an Familienleben und Partnerschaft: Während im traditionellen Familienmodell die Aufgaben von Mutter und Vater funktional aufgeteilt waren, wollen Frauen und Männer heute den Familienalltag gemeinsam gestalten. Partnerschaft bedeutet für sie auch, sich gemeinschaftlich um die Kinder zu kümmern.

Nötig sind bessere Möglichkeiten für Eltern, die Arbeitszeit zu reduzieren

Die Ergebnisse der DJI-Studie machen deutlich, dass familienpolitische Maßnahmen, die sich alleine auf die Entlastung der Eltern von Betreuungsaufgaben konzentrieren, nicht ausreichen, um sie bei der Verwirklichung ihrer Vorstellung von Familie zu unterstützen. Denn mehr Betreuungsangebote ermöglichen ihnen nicht mehr Familienzeit. Wichtig sind auch bessere Möglichkeiten für Eltern, ihre Arbeitszeit zu reduzieren – ohne dass sie ökonomische Einschnitte und Karrierenachteile in Kauf nehmen müssen.

Die Studienergebnisse sind unter dem Titel „Routinebetreuung und interaktive „Quality Time“: Was beeinflusst, wie viel Zeit Väter wie mit ihren Kindern verbringen?“ in der Zeitschrift für Familienforschung (ZFF 1-2018) erschienen.

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Dresden bietet die besten Bedingungen für Väter

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 3. Mai 2018

Männer, die aus Überzeugung Windeln wechseln und stolz den Kinderwagen schieben, sind schon lange kein Randphänomen mehr. Und wenn es nach den Vorstellungen moderner Väter ginge, würden sie am liebsten noch viel mehr für ihre Familie tun. Nach den Ergebnissen der Global Family Survey von Betreut.de streben 82 Prozent der deutschen Väter unter 50 Jahren eine gleichberechtigte Partnerschaft an. Die meisten verstehen darunter, Kindererziehung, Hausarbeit und Erwerbstätigkeit gerecht unter den beiden Elternteilen aufzuteilen und vor allem: genügend Zeit mit den Kindern zu verbringen. Doch die Realität sieht anders aus. Entgegen ihren eigenen Wünschen sind Väter nach der Familiengründung weiterhin mehrheitlich die Hauptverdiener und verbringen viele Stunden mit Erwerbsarbeit. Zwar ist das Elterngeld eine große Errungenschaft, um die Arbeit zugunsten der Familie zu reduzieren oder zu unterbrechen, doch belassen es die meisten Väter (79 Prozent) nur bei einem Bezug von bis zu zwei Monaten. Diverse Studien bestätigen, dass viele Väter eine längere Elternzeit beanspruchen würden, sich jedoch nicht trauen, zum Beispiel aus Angst vor beruflichen Nachteilen, oder es sich aufgrund ihrer Einkommenssituation schlichtweg nicht leisten können. Unflexible Arbeitgeber erschweren die Umsetzung dieses Vorhabens zusätzlich. Nur 14 Prozent der Eltern können das Modell einer partnerschaftlichen Aufteilung auch tatsächlich verwirklichen.

Wo können Väter ihren Wunsch nach einer aktiven Vaterrolle am besten umsetzen?

Um diese Frage zu beantworten, hat das Team von Betreut.de alle kreisfreien Städte in einer Datenanalyse unter die Lupe genommen und hinsichtlich der wichtigsten Bedingungen für die Väterbeteiligung miteinander verglichen. Die erste Komponente bilden dabei familienfreundliche Arbeitgeber. Studien zufolge ist eine partnerschaftliche Vereinbarkeit am ehesten möglich, wenn Arbeitgeber Familienfreundlichkeit mit Gleichstellungszielen verbinden und sowohl Frauen als auch Männern anbieten, Voll- und Teilzeitmodelle ohne Karrierenachteile nach ihren Bedürfnissen nutzen zu können. Flexible Arbeitszeiten und Home-Office-Lösungen werden ebenfalls von vielen Vätern als Erleichterung erlebt. Des Weiteren stellen Vorbilder am Arbeitsplatz eine wichtige Komponente dar. Wo Väter als Führungskräfte selbst Elternzeit in Anspruch nehmen, ist der Anteil der männlichen Beschäftigten in Elternzeit fünfmal so hoch wie in Unternehmen ohne Vorbilder. Daher wurden die Elterngeldbezugsquote und -dauer durch Väter sowie die Quote teilzeitarbeitender Männer in die Analyse einbezogen. Weitere Analysefaktoren, die eine ausgeglichene partnerschaftliche Aufteilung positiv begünstigen, sind die Erwerbstätigkeit der Frauen sowie das lokale Kinderbetreuungsangebot.

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… in Deutschland wird es Vätern schwergemacht

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 26. März 2018

Im Interview mit Carolin Würfel spricht die Schwedin Malin Elmlid in der ZEIT über ihre Erfahrungen während ihrer Schwangerschaft in Berlin, die sie auch in dem Buch „Mein persönlicher Mutterpass“ verarbeitet hat:

„ … In Deutschland muss man sich entscheiden. Entweder Karriere oder Mutterschaft. Beides geht nicht. Das ist zumindest mein Eindruck. Deshalb wollte ich lange keine Kinder und deshalb ist die Geburtenrate in Deutschland lange Zeit dramatisch gesunken. Frauen wollten keine Kinder mehr, weil sie wussten, dass ihre hart erkämpften Karrieren darunter leiden würden. Die Politik hat diese Signale zwar verstanden und versucht, die Situation zu verbessern, aber in der Realität ist es trotzdem so, dass man als Schwangere von seinem Umfeld vor allem darauf vorbereitet wird, was nach der Geburt alles nicht mehr geht. Was sich verändern wird, was man aufgeben und zurückstellen muss. Und das Erste, was zurückgestellt werden muss, ist der Beruf. Die wenigsten Frauen mit Kindern arbeiten Vollzeit, während die Väter weiter Fünfzigstundenwochen absolvieren. In keinem anderen OECD-Land tragen Frauen mit Kindern so wenig Geld zum Familienhaushalt bei wie in Deutschland. Das schafft Abhängigkeiten und führt dazu, dass Frauen im Alter möglicherweise unzureichend abgesichert sind. Das kann doch niemand wollen.

ZEIT ONLINE: … Werden Väter in Deutschland nicht in ihre Pflicht genommen?

Elmlid: Sagen wir es so: Es wird ihnen schwer gemacht, sich gleichberechtigt um ihre Kinder zu kümmern. In Deutschland wird immer noch vom Mutterinstinkt gesprochen, als hätten Frauen von vornherein mehr Ahnung als Männer. Das ist natürlich totaler Quatsch. Instinkt, … ist ein Zeichen von Liebe für dein Kind. Ich liebe mein Kind und fühle, was ihm guttut, aber diesen Instinkt hat der Vater auch. Er liebt sein Kind ja nicht weniger. Mütter und Väter müssen nach der Geburt erst mal eine Bindung zu ihrem Kind aufbauen, das passiert nicht automatisch. Deshalb ist die Elternzeit auch so wichtig und eine gute Zeit, um das Kind kennenzulernen. Mein deutscher Mann ist nach der Geburt unseres Sohnes beispielsweise die ersten vier Monate mit mir zu Hause geblieben, damit wir gemeinsam von null starten konnten. Und danach sind wir für einige Zeit nach Finnland gezogen, weil es ihm nicht möglich war, in Berlin eine familienfreundliche Anstellung zu finden. …“

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Reservierte Elternzeit für Väter – die Konsequenzen von ‚Väter – Quoten‘

Erstellt von Hans-Georg Nelles am 23. März 2018

Um Väter zu motivieren, Elternzeit zu nehmen, haben zahlreiche Länder ihre Elternzeitprogramme reformiert, die Lohnersatzleistungen erhöht und Elternzeittage für Väter reserviert. Obwohl die Akzeptanz zugenommen hat, ist bislang unklar, wie Väter auf finanzielle Anreize oder die „Nur – Vater“-Etiketten reagieren. Auch wenn der Vaterschaftsurlaub vorübergehende Veränderungen in der Arbeitsteilung im Haushalt erleichtern kann, ist wenig darüber bekannt, ob diese Effekte auch in späteren Jahren anhalten.

Ankita Patnaik untersucht in der Studie „Reserving Time for Daddy: The Consequences of Fathers‘ Quotas“ diese Fragen anhand des „Quebec Parental Insurance Program“ (QPIP), einer wegweisenden Reform des Elternurlaubs in Kanada, die die Leistungen für alle Eltern erhöht und einige Wochen für Väter reserviert hat.

Alle Analysen deuten darauf hin, dass QPIP die Teilnahmequoten der Väter um 250% und die Nutzungsdauer um 3 Wochen erhöht hat. Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass Väter nicht nur auf die höheren Leistungen im Rahmen von QPIP reagierten, sondern auch auf das Etikett „nur für Väter“, das mit der Quote verbunden ist. Eine Kombination dieser beiden Faktoren führte zu einem dramatischen Anstieg der Beteiligung von Männern am Elternurlaub. Diese Studie liefert somit auch den Beleg dafür, dass Papa-Quoten eine starke Kennzeichnungswirkung haben können, wenn sie mit einem erhöhten Nutzen einhergehen.

Auch die Untersuchung der langfristigen Auswirkungen auf die Haushaltsdynamik liefert den Beweis dar, dass die Inanspruchnahme des Vaterschaftsurlaubs einen großen und anhaltenden Effekt auf die Arbeitsteilung im Haushalt haben kann: Haushalte, die das QPIP nutzen konnten, sind deutlich weniger auf eine traditionelle Arbeitsteilung ausgerichtet.

Die Forschungsergebnisse geben auch Aufschluss darüber, wie Elternzeitregelungen gestaltet werden können, um Väter zur Teilnahme zu bewegen, und sie deuten darauf hin, dass kleine Veränderungen in der anfänglichen Erziehungserfahrung nachhaltige Auswirkungen auf das Verhalten der Eltern haben können. Sie machen auch deutlich, dass die Menschen auf eine Kombination von Labels und finanziellen Anreizen reagieren – und dass das Verhalten, das zu Beginn der Elternzeit gelernt wurde, in späteren Jahren tendenziell anhält. Die Ergebnisse legen nah, dass es keinen Kompromiss zwischen Geschlechtergleichstellung und Elternzeit mit Kindern geben muss: Vaterschaftsurlaub kann die Verantwortung für die Haushaltsarbeit gleichmäßiger verteilen und die Zeit, die Väter mit ihren Kindern verbringen, erhöhen.

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