»Wege und Möglichkeiten erkunden, wie Vaterschaft auch unter widrigen Umständen gelingen kann.«
Erstellt von Hans-Georg Nelles am 11. Dezember 2023
Der MännerWege Fragebogen – beantwortet von Hans-Georg Nelles
Fotos: Ahmed Akacha, pexels.com
Was war oder
ist dein persönlich-biografischer Zugang zur Väterthematik? Was dein
politisch-thematischer Zugang?
Ich habe drei Zugänge zur »Väterthematik«. Der erste sind meine persönlichen
Erfahrungen und Auseinandersetzung mit meinem Vater und meinem Großvater
mütterlicherseits und der Entschluss, zumindest zu versuchen, es »besser« zu
machen. Der zweite Zugang war dann meine eigene Vaterschaft. Ich wollte auf
jeden Fall Vater werden; da es unerwartet schnell »geklappt« hat, bin ich dann
mit 27 Jahren, mitten im Studium, zum ersten Mal Vater geworden. Der dritte
Zugang war dann eine interne Stellenausschreibung meines damaligen
Arbeitgebers, es wurde ein Mann für das Projekt »situationsgerechte und
passgenaue Qualifizierung für Mütter und Väter im Erziehungsurlaub« gesucht.
Ich habe die Stelle bekommen und konnte die »Mütterzentrierung« dieses Themas
Stück für Stück irritieren und bin heute einer der »Dienstältesten« in diesem
Feld.
Was waren
damals und sind heute deine zentralen Themen in der Beschäftigung mit Vätern?
1997 und in den Jahren unmittelbar danach ging es zunächst darum, in
Unternehmen und Gesellschaft Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Väter mehr
wollen als Ernährer zu sein. Während die erste Männer-Studie
von Helge Pross aus dem Jahr 1978 noch
belegte, dass alles in traditioneller Butter ist, machte die sieben Jahre
später durchgeführte Brigitte-Studie
»Der Mann« schon deutlich, dass sich
zumindest ein Teil der Männer und Väter auf den Weg gemacht hatte. Davon zeugt
auch »Das Väterbuch« aus dem Jahr 1982. Aber trotz dieses, auch durch die
Einführung des Erziehungsurlaubs im Jahr 1979 beflügelten ersten Aufbruchs der
Väter hat es noch weitere 20 Jahre gedauert, bis die Diskussion im Mainstream
angekommen ist. Ich habe aber den Eindruck, dass – ähnlich wie in einer KiTa,
in der jedes Jahr die gleichen Themen neu diskutiert werden – auch das
Bewusstsein und vor allem die Haltungen zur Bedeutung von Vätern und
Vaterschaft nur langsam durchsickert und immer wieder neu begründet werden muss.
Wie hat sich
dein Engagement für Väter entwickelt, ggf. verändert?
Mein Engagement in diesem Themenfeld hat sich im Laufe der Zeit von der
unmittelbaren Arbeit mit Vätern in den verschiedensten Zusammenhängen hin zu
einer »Lobby- und Beratungsarbeit« für Väterthemen entwickelt. Als Referent in
der Geschäftsstelle der LAG
Väterarbeit NRW und in der Koordination des
Verbundprojekts »Jugendliche Väter im Blick« stehen außerdem Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung
im Vordergrund.
Das für dich
nachhaltigste gesellschaftliche/historische Ereignis – auch im Kontext deiner
Arbeit?
Das nachhaltigste Ereignis war die Ankündigung von Renate Schmidt im Herbst 2004, in der nächsten Legislatur einen
»Vätermonat« nach schwedischem Vorbild einführen zu wollen. Nach der NRW-Wahl
2005 kam alles anders, und nach einer vorgezogenen Bundestagswahl brachte Ursula von der Leyen als neue Familienministerin zwei Partnermonate ins
Spiel und die gesellschaftliche Diskussion in Sachen Väter entwickelts eine bis
dahin ungeahnte Dynamik, die uns »Väterarbeitern« einen kräftigen Rückenwind
und nach der Einführung des Elterngeldes zum 1. Januar 2007 auch eine große mediale
Aufmerksamkeit bescherte.
Eine wichtige
persönliche Erfahrung im Zusammenhang mit deinen privaten und/oder beruflichen
Beziehungen?
Männer können ja angeblich nicht reden, erst recht nicht über ihre Gefühle, so
die landläufige Zuschreibung. Im Rahmen meines ersten Väterprojektes habe ich
in verschiedenen NRW-Unternehmen Väterrunden organisiert. Väter aus diversen
Branchen kamen in einer verlängerten Mittagspause zusammen und haben über
Herausforderungen ihrer Vaterschaft gesprochen. Am Ende der 90 Minuten, die wie
im Fluge vergingen, waren alle jedes Mal erstaunt, dass Mann – obwohl sich alle
vorher nicht kannten und es nichts (Alkoholisches) zu trinken gab – so intensiv
ins Gespräch gekommen ist und auch über Sorgen, Nöte und Schwächen geredet hat.
Drei
Eigenschaften, die dich in deiner Arbeit oder Beziehungen zu anderen ausmachen?
Ausdauer, Optimismus und Kooperationsbereitschaft.
Was ist für
dich »Erfolg« in deiner Auseinandersetzung mit Väterthemen? Hast du Beispiele?
Wenn ein Vater – auch gegen eigene Zweifel und/oder Widerstände aus dem
familiären oder betrieblichen Umfeld – sich die (Eltern)Zeit nimmt, die er
haben möchte, und gestärkt durch die eigenen Erfahrungen auch andere (werdende)
Väter in seinem Umfeld dazu inspiriert und ermutigt.
Was gibt dir
persönlich Sinn und Erfüllung in deinen beruflichen und privaten Beziehungen?
Dass ich eigene Erfahrungen und Erkenntnisse weitergeben kann und durch die
Arbeit mit den Vätern permanent dazulerne und auch selber in Frage gestellt
werde. Das gilt insbesondere auch in der Beziehung zu meinen Kindern und den
Enkel*innen.
Was ist dir
(mit) gelungen, worauf bist du (zusammen mit anderen) vielleicht auch stolz?
Da fallen mir zuerst die drei thematischen Netzwerke ein, die ich mit
engagierten Kollegen gegründet habe: 2005 das Väter-Experten-Netz VEND-eV. Gemeinsam mit Eberhard Schäfer und Martin Rosowski haben wir dann 2007 angefangen, Partner und
potenzielle Mitglieder für ein Bundesforum
Männer zusammenzubringen; im November
2010 gab es dann die offizielle Gründung. Das dritte Netzwerk ist die schon
genannte LAG Väterarbeit NRW, die wir gemeinsam mit 22 Organisationen nach zwei
Jahren Vorarbeit im Januar 2016 gründeten.
Mit welchen
Institutionen und Personen warst du gerne beruflich oder privat verbunden oder
bist es noch?
Außer den bereits genannten Netzwerken und Personen ist für meine Arbeit mit
Vätern Harald
Seehausen aus Frankfurt besonders
wichtig, er beschäftigt sich seit den 1980er Jahren mit Väterarbeit und mit dem
Aktionsforum
Männer und Leben haben wir im Zeitraum 2005 bis
2016 sechs Impulstagungen in Frankfurt organisiert. Ein weiterer Kollege, den
ich über die Arbeit in der Fachgruppe
Väter des Bundesforum Männer kennen
und schätzen gelernt habe, ist Holger Strenz aus Dresden. Er hat mir Zugänge zu den Anliegen und
Sichtweisen von Vätern in den »neuen« Bundesländern eröffnet.
Was hat die
Männer/* ausgemacht, mit denen du gerne zusammengearbeitet oder Zeit verbracht
hast?
Diese Kollegen hatten ebenfalls Interesse daran, Anliegen von Vätern
voranzubringen, Väter zu ermutigen und sie bei ihrem Vatersein zu unterstützen
– und weniger daran, sich damit selbst zu profilieren und in den Vordergrund zu
stellen.
Hast du eine
Lebensphilosophie, ggf. ein Lebensmotto?
Es ist immer besser, mehr als zwei Möglichkeiten zu haben.
Wo liegen für
dich die hartnäckigsten Widerstände gegen dein Verständnis vom Umgang mit
Väterthemen?
Die größten Widerstände sehe ich für mich in einer nach wie vor
»mütterzentrierten« Familienpolitik, die die Bedeutung von Vätern für die
Entwicklung von Kindern nicht sieht oder sogar leugnet. Dies fängt bei der
Anerkennung der Vaterschaft an und hört bei der Erwerbsobliegenheit beim
Unterhalt noch lange nicht auf.
Dieser «Mindset« erschwert es Vätern (und Müttern), gleichberechtigte und
geschlechtergerechte Vaterschaft nicht nur zu wollen, sondern auch zu leben.
Was treibt
dich – trotz manchmal widriger Umstände – weiter in deiner Arbeit an?
Mein (fast) unerschütterlicher Optimismus und die Erfolge, die ich im Rückblick
auf über 25 Jahre doch beschreiben kann.
Welches
Projekt würdest du gerne noch umsetzen, wenn du die Möglichkeiten dazu hättest?
Und was möchtest du gegen Ende deines Lebens erreicht haben?
Mit meinen gut 66 Jahren bin ich ja schon in der »Verlängerung«, um die
laufenden Projekte gemeinsam mit den Kollegen gut abzuschließen. Ich kann mir
gut vorstellen, im Anschluss daran gemeinsam mit Vätern in und aus prekären
Lebenslagen in einem Projekt Wege und Möglichkeiten zu erkunden, wie
Vaterschaft auch unter widrigen Umständen gelingen kann. Und ja, zufrieden bin
ich, wenn paritätische Elternzeiten als Katalysator für eine gleichmäßige
Aufteilung von Mental Load und Financial Load wirken, Care und Erwerbsarbeit also
geschlechtergerecht aufgeteilt sind bzw. aufgeteilt werden können.
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