Stefan Hallen
ist Sozialpädagoge bei der Fachberatungsstelle für Familien mit
Gewalterfahrung, Diakonie Düsseldorf; Systemischer Berater (DGSF),
Selbstbehauptungstrainer für Jungen, Trainer für Kampfesspiele ® und Fachkraft für Täterarbeit nach Häuslicher Gewalt (BAG).
Nach langjähriger freiberuflicher Erfahrung im Bereich individualpädagogischer Jugendhilfe-Settings arbeitet er seit 2005 bei der Diakonie Düsseldorf, wo er über 10 Jahre eine innovative, geschlechterbezogene Jungenarbeit aufgebaut hat. Jetzt ist er bei der Fachberatungsstelle für Familien mit Gewalterfahrung im Bereich Täter- und Väterarbeit beschäftigt.
Ergänze bitte den Satz ‚Vater werden ist …‘
wie eine Initiation. Plötzlich stehst du nicht mehr am Ende einer langen Reihe von Ahnen, sondern dazwischen.
Welche Eigenschaften fallen dir beim Wort ‚Vater‘ ein?
Was sollte Mann beim Vater werden unbedingt beachten?
Du bist nicht allein.
Nimm dir Zeit. Das erste Lebensjahr ist nicht das Leichteste.
Auch eine förderliche, möglichst liebevolle Grundhaltung und
Einstellung gegenuber der Mutter des Kindes. Alles andere wurde das Kind
spuren und sich negativ auf eure Beziehung auswirken.
Was würde deiner Meinung nach Vätern in Zukunft das Vater sein erleichtern?
Mehr Zeit zu haben für das und mit dem Kind, gerade in den ersten
Lebensjahren. Und dass die Mutter dieses Geschenk auch gut annehmen
können
An welches Erlebnis mit deinem Vater erinnern du sich am liebsten?
Wir waren mal 6 Wochen zu zweit in Australien, wohin sein Bruder, mein Onkel ausgewandert ist. Dort haben wir im Outback einmal im Freien übernachtet und er erzählte mir, dass es für ihn das erste Mal sei, dass er unter freiem Himmel schlafe. Auf dieser Reise hat er mir auch erzählt, dass er es bedaure, sich früher nicht mehr Zeit für uns genommen zu haben, als wir noch klein waren. Das hat gutgetan.
Vor einem Monat hat die Veröffentlichung von
Umfrageergebnissen der Organisation ‚Plan International‘ großen Wirbel
verursacht. Begriffe wie ‚Retraditionalisierung‘ und ‚Rollback in Sachen
Geschlechtergerechtigkeit‘ waren noch die harmlosesten, die mit den Antworten der
befragten Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren in Verbindung gebracht wurden.
Bei den Vorstellungen zur Aufgabenteilung in der Familie sehen
52 Prozent der jungen Männer ihre Rolle darin, im Beruf genug Geld zu
verdienen, die Zuständigkeit für die Carearbeit weisen sie ihrer Partnerin zu.
In seiner Stellungnahme hat der Vorstand der LAG Väterarbeit die Frage
gestellt, ob diese Rollenerwartung wirklich aus der Welt ist. Das Gerangel um
die Familienstartzeit, die als Vaterschaftsfreistellung im Koalitionsvertrag
verankert ist, Kürzungen im Bereich des Elterngeldes und ausbleibende Reformen
im Familienrecht wecken Zweifel am politischen Willen.
„Wir müssen wieder mehr arbeiten“ wird Michael Hüther,
Direktor des arbeitgeberfinanzierten Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), im
Spiegel zitiert. Er will dem Fachkräftemangel mit längeren Arbeitszeiten
entgegenwirken. Es brauche eine Ausweitung der individuellen Arbeitszeit im
Jahr, „nicht den unrealistischen Traum der Viertagewoche“. Bereits im Jahr 2023
würden 4,2 Milliarden Arbeitsstunden fehlen.
An anderer Stelle haben sein und andere Wirtschaftsinstitute
vorgerechnet, dass eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von Müttern mit
Kindern unter 18 Jahren um eine Stunde einen jährlichen Zugewinn von mehr als
100 Millionen Stunden bewirken würde.
Eine aktuelle Veröffentlichung zeigt auf, wie es um die Nutzung dieser ‚Stellschraube‘ für die Volkswirtschaft und die Möglichkeiten für Väter zur Reduzierung ihrer Erwerbsarbeitszeit im Sinne einer geschlechtergerechten Aufteilung von Care- und Erwerbsarbeit bestellt ist.
Die Erwerbsbeteiligung von Müttern in Deutschland ist in den
vergangenen zwei Jahrzehnten zwar angestiegen. 2022 gingen 73 Prozent aller
Mütter mit minderjährigen Kindern in Westdeutschland und 75 Prozent aller
Mütter in Ostdeutschland einer bezahlten Tätigkeit nach, die meisten von ihnen jedoch
in Teilzeit. Bei der Einstellung zur Müttererwerbstätigkeit zeigen sich nach
wie vor erhebliche Unterschiede, wie die neue Studie des Bundesinstituts für
Bevölkerungsforschung (BiB) belegt. Demnach ist die Einstellung gegenüber einer
Erwerbstätigkeit von Müttern stark vom Alter des jüngsten Kindes und der
Herkunft der Eltern abhängig.
Darüber hinaus wurden auch die
Einstellungen zur Erwerbstätigkeit von Vätern erfasst. Die Mehrheit der
befragten Männer und Frauen spricht sich hier für eine Vollzeiterwerbstätigkeit
aus. Ist das jüngste Kind in der fiktiven Konstellation zwei Jahre alt, findet
eine Teilzeiterwerbstätigkeit von Vätern zwar durchaus noch Zustimmung – ab
einem Alter von vier Jahren aber nicht mehr. Frauen befürworten zudem eher als
die Männer selbst eine Teilzeitbeschäftigung von Vätern.
Diese Erwartungen erfüllen Väter vollumfänglich. Väter von kleinen Kindern mit einer Vollzeitstelle arbeiten durchschnittlich 44 Stunden pro Woche. Und die Ausgangsfrage lässt sich momentan leider nur mit ‚NEIN‘ beantworten.
Väter sind unglaublich flexibel sind, wenn es darum geht,
was sie für ihre Familien leisten können und den Anforderungen der jeweiligen
Situation gerecht werden zu können.
Dr. Mairi Macleod, Evolutionsbiologin, Wissenschaftsautorin
und Beraterin, hat bei einem DADx-Sitzung des Fathers Network Scotland erklärt,
warum Männer biologisch so angepasst sind, dass sie, wenn die Bedingungen
stimmen, zupackende Väter sind, und auch danach zu fragen:
Wie können wir die Praxis am Arbeitsplatz
ändern, damit Väter Väter sein können?
Was sind die Vorteile für Arbeitgeber, Väter und
die ganze Familie?
Und wie könnte die globale Pandemie dazu
beitragen, die Dinge in Zukunft zum Besseren zu wenden?
Dr. Macleod leistet Pionierarbeit, wenn es darum geht, gewachsene Motivationen zu verstehen und aufzuzeigen, wie wir unser Umfeld, unsere Gewohnheiten und unsere Einstellungen so verändern können, dass sie unseren Bedürfnissen in der modernen Welt besser entsprechen.
Der demografische Wandel, die Alterung von Gesellschaften und der Mangel an Fachkräften, gerade auch in der Pflege sind Themen, die in fast allen Ländern an Bedeutung gewinnen. Die aktuelle Studie und der Bericht „State of America’s Fathers“ hat die Einbeziehung von Männern ins Pflegesystem als Jahresthema.
Männer, nicht nur in den in den USA, wollen sich kümmern und übernehmen mehr Pflegearbeit als je zuvor. Die Autor:innen der Studie gehen von der Überzeugung aus, dass die Befähigung und Unterstützung von Männern zur Pflege für alle notwendig ist – für Frauen, für Kinder und für Männer selbst.
Ihnen geht es vor allem darum, Männer als Verbündete in den
Diskurs über die Care Arbeit einzubeziehen und die Leistungen der Männer
anzuerkennen, die sich bereits heute für die Pflegepolitik, die Unterstützung
und die Gleichstellung einsetzen. Die Diskussion über die Pflegearbeit von
Männern ist für sie auch eine Gelegenheit, politische Polarisierungen zu
überwinden und alle Männer dazu aufzurufen, sich zu verbinden, mitfühlend zu
sein und nach Gleichberechtigung zu streben, und die Fortschritte in der
Pflegepolitik zu erreichen, die benötigt werden.
Um eine stärkere Beteiligung von Männern an der Pflege zu
erreichen, ist es unabdingbar Männer und Väter dabei zu unterstützen, sich in
die Pflege einzubringen zu können. Vor allem gilt es, die strukturellen
Faktoren zu verändern, die den Wert der Pflege in der Gesellschaft bestimmen
und beeinflussen, und die festlegen, wer diese Arbeit übernimmt. Zusätzlich
braucht es einen Kulturwandel, der uns davon abbringt, die Pflege durch eine
individuelle Brille zu betrachten, und der uns zu gemeinsamen Problemlösungen
und öffentlichen Lösungen führt.
Konkrete Maßnahmen – große und kleine – können uns zu einer
Welt führen, in der alle ein berufliches und persönliches Leben mit Würde gestalten
können. Dazu gehören Änderungen von Gesetzen und Politiken mit angemessener
Mittelausstattung und klaren Umsetzungsplänen, Änderungen in Schulen, am
Arbeitsplatz und in Gesundheitseinrichtungen, Änderungen kultureller Narrative,
Änderungen der Geschlechternormen im Zusammenhang mit der Pflegearbeit und
Änderungen in unserem öffentlichen und privaten Leben und Lebensunterhalt.
Konkret werden in dem Report unter anderem folgende
Forderungen aufgestellt:
Nationale Politiken für bezahlte Pflegezeit zu
unterstützen, zusammen mit Maßnahmen am Arbeitsplatz, die Männer (und alle
pflegenden Angehörigen) dabei unterstützen, Pflegezeit zu nehmen und Pflege zu
übernehmen.
Herausstellen, dass Pflege durch Männer wichtig
ist, und dies sowohl online als auch an allen Orten, an denen sich Männer
aufhalten
Männer als Aktivisten und Fürsprecher für die
Pflegepolitik zu ermutigen und zu engagieren
Medien dabei unterstützen, über die Pflegearbeit
von Männern zu berichten.
die Art und Weise, wie Jungen sich mit Pflege
auseinandersetzen können, radikal verändern und ihnen von klein auf Möglichkeiten
geben zu erfahren, Pflegeaufgaben ist.
Die Studie „State of America’s Fathers“ bestätigt, was
wir auch in Deutschland schon lange wissen: Eltern und alle Menschen, die sich
um ein Kind oder einen geliebten Menschen kümmern, brauchen Unterstützung dabei,
Fürsorgeaufgaben wahrzunehmen, ohne ihren Job, ihre finanzielle Stabilität oder
ihr Wohlergehen zu riskieren.
… was Väter können, was sie fürs Vatersein noch benötigen
und was sie gemeinsam lernen können
Diese Fragen werden beim ersten VäterSummit in NRW am 26.
August in Essen thematisiert. Am Vormittag wird Teresa Bücker, Journalistin und
Autorin des Buchs ‚Alle Zeit‘ unter der Überschrift ‚Ist es radikal, wenn Väter
sich mehr Zeit für die Familie nehmen?‘ ihre Gedanken und Vorschläge zu dem
Thema formulieren. Eingerahmt wird ihr Beitrag durch Impulse ‚aus dem
Väter-Leben‘ mit Comedian Florian Hacke. Moderiert wird der Väter von Sascha
Verlan, Mitinitiator des ‚Equal Care Days‘
Inhaltlich geht es dann nach der Mittagspause mit einem
BarCamp weiter. Die Väter können ihre Anliegen vorbringen und in zwei Runden
gemeinsam mit anderen Vätern bearbeiten. Unterstützt werden sie dabei unter
anderem Heiner Fischer (www.vaterwelten.de),
Hans-Georg Nelles (www.lag-vaeterarbeit.nrw)
und Sascha Verlan.
Für die Kinder gibt es den ganzen Tag spannende Spiel und
Bastelangebote.
Der #VaeterSummitNRW wird von der LAG Väterarbeit NRW gemeinsam mit den Gleichstellungsstellen in Bonn, Dortmund, Essen und Münster veranstaltet und richtet sich an Väter mit ihren Kindern sowie an Väterarbeit interessierte Fachkräfte. Weitere Informationen und eine Anmeldemöglichkeit zur Veranstaltung am 26. August finden Sie hier.
Väter wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und
Frauen finden Karriere besser als Kinder
„Wenn wir über Frauen nachdenken, kommen wir immer mehr von
einem ‚Und‘ zu einem ‚Oder‘. Die Wahl: Familie oder Erwerbstätigkeit.“ So Jutta
Allmendinger
Frauen in Deutschland ist es nicht mehr so wichtig, Kinder
zu bekommen. Das ist nachvollziehbar und legitim – zeichnet sich bei näherer
Betrachtung jedoch als unfreiwillige und dramatische Entwicklung ab. Beim ZEIT
für Arbeit-Event am 23. Mai in Berlin haben Jutta Allmendinger, Präsidentin des
Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), und Lena Hipp,
Leiterin der Forschungsgruppe „Arbeit und Fürsorge“ am WZB, die Ergebnisse der
vierten Vermächtnisstudie vorgestellt.
Fragen zur Einschätzung von Vätern in Deutschland wurde 2023
erstmals erhoben. Bei den Antworten fällt auf, dass Väter Kritik an sich selbst
äußern: Väter sollten in Zukunft mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, als sie
es heute tun. Wer mehr arbeitet (Vollzeit im Vergleich zu Teilzeit oder nicht
arbeitstätig), stimmt der Aussage, dass er genügend Zeit mit der Familie
verbringt, weniger zu. Die befragten Väter reflektieren also, dass mehr Arbeit
weniger Zeit für die Familie bedeutet.
Sie wünschen
sich für die Zukunft mehr Zeit in der Familie und gehen auch davon aus, dass
Väter in Deutschland mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen werden, als sie es
heute tun.
Hürden für Väter
Woran liegt es, dass Männer in Deutschland nicht genügend
Zeit mit ihren Kindern verbringen? Auch dazu wurden die Studienteilnehmerinnen
und -teilnehmer befragt. Auf einer Skala von 1 bis 7 sollten sie angeben,
welche Gründe ihrer Meinung nach Väter davon abhalten, mehr Zeit mit ihren
Kindern zu verbringen. Nachstehend werden die gewichteten Antworten von rund
2.160 Frauen und 2.040 Männern auf diese Frage abgebildet.
Das Haupthindernis sind finanzielle Gründe. Das sehen sowohl
Männer als auch Frauen so. An zweiter Stelle werden Hürden in der Arbeitswelt
genannt: Rund zwei Drittel der Männer in Deutschland und ein knappes Viertel
der Frauen stimmen der Aussage, dass der „Druck vom Arbeitgeber“ Männer davon
abhielte „mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen“ zu bzw. sehr zu. Interessant
ist, dass weniger als die Hälfte der Männer und Frauen den Druck seitens der
Kollegen als Hindernis ausmachen. 45 Prozent der Männer und 31 Prozent der
Frauen sagen, dass das nicht bzw. überhaupt nicht zutrifft. Fehlender Mut der
Väter scheint jedoch ein gewichtigeres Hindernis zu sein. Mehr als die Hälfte
der Bevölkerung im Alter von 23 bis 65 Jahren sieht den mangelnden Mut als
Ursache, warum Väter in Deutschland nicht genügend Zeit mit ihren Kindern
verbringen.
Von den etwas mehr als 1.500 Befragten, die auf die Frage, ob es „aus Ihrer Sicht noch andere Gründe … [gibt], warum nicht alle Väter in Deutschland so viel Zeit mit ihren Kindern verbringen, wie sie gerne möchten“ geantwortet haben, wissen wir außerdem: Vorherrschende Rollenbilder, Egoismus und Desinteresse der Väter werden noch als weitere wichtige Hindernisse wahrgenommen. Auch Karriere und die Wünsche und das Verhalten von Müttern wurden von mehr als 10 Prozent der Befragten als Hindernis angegeben
Väter spielen Fußball, klettern ohne Seil. Väter zeigen, wo
es langgeht. Väter sind mit ihren Kindern Kind. Väter sind anders, sind
besonders, sind selten da, kein sicherer Hafen, aber für jedes Abenteuer zu
haben. Ist das wirklich so? Claudia Friedrich hakt nach.
Geschlechter-Identitäten brechen auf. Transgender und Queer
sägen an überkommenen Rollen. Auch heterosexuell gelesene Familien schneiden
alte Zöpfe ab. Doch immer noch verdienen Männer im Durchschnitt mehr Geld und
sind in Spitzenämtern unabkömmlich. Wie können sie dann Vater sein?
Seit den 1970er Jahren sind Väter Forschungsgegenstand.
Tendenz steigend. Es gibt Vater-Kind-Freizeiten, Vater-Workshops,
Vater-Beratungen. Forschende sezieren das Konstrukt Vaterschaft und die
Stereotype, die über Generationen hinweg transportiert werden.
Und was zeigt der Alltag? Wie engagieren sich Väter? Welche
Beziehungen pflegen sie zu ihren Kindern? Wie lebt es sich in einer Familie mit
zwei Vätern? WDR 5 setzt sich an Familientische.
WDR 5 Neugier genügt – das Feature. 17.05.2023. 23:31 Min.. Verfügbar bis 15.05.2024. WDR 5. Von Claudia Friedrich
Der Titel des Buchs von Fabian Soethof ist eine klare
Ansage. Es ist wirklich Zeit, Familie gleichberechtigt zu leben. Die Fragen und
Zweifel, die in dem Zusammenhang auftauchen drehen sich eher um das Wollen und
Dürfen.
Klar wollen Väter und Mütter raus aus den traditionellen
Mustern, Erwartungen und Klischeefallen, das Vater- und Elternsein anders
gestalten als die eigenen Eltern. Das ist eine große Chance, aber auch eine
Herausforderung, die nicht nur aus unpassenden strukturellen Rahmenbedingungen
besteht.
Fabian Soethof begleitet seine Leser*innen bei den
anstrengenden und verunsichernden Prozessen, Gewohntes in Frage zu stellen und
eigene Vorstellungen von Mann- und Vatersein auf den Prüfstand zu stellen.
Gleichzeitig inspiriert und ermutigt er Väter und Mütter, miteinander neue Wege
zu gehen.
Fabian Soethof, 1981 am Niederrhein geboren, schloss ein
Studium als Kulturwirt und Kulturjournalist in Duisburg und Berlin ab und
schreibt u.a. für den Tagesspiegel, Mens Health Dad und Süddeutsche Zeitung. Seit
2016 leitet die Online-Redaktion des Musikexpress. Mit www.newkidandtheblog.de
war er einer der ersten bloggenden Väter. Soethof lebt mit Frau und zwei Söhnen
in Berlin.
1. Ergänzen Sie bitte den Satz ‚Vater werden ist …‘
…nicht schwer. Vater sein dagegen sehr. Entschuldigt bitte
die (wahre) Floskel zu Beginn. Versuche mich mit solchen Allgemeinplätzen auf
der Lesung zurückzuhalten!
2. Welche Eigenschaften fallen ihnen beim Wort ‚Vater‘ ein?
Kümmernd. Verantwortungsvoll. Zerrissen.
3. Was sollte Mann beim Vater werden unbedingt beachten?
Mann sollte diese neue Lebensaufgabe – denn nicht anderes
ist Vatersein, ganz unpathetisch – und dadurch die eigenen Kinder und deren
Mutter ernstnehmen und die eigenen Bedürfnisse zwar nicht vergessen, aber nicht
an erste Stelle setzen.
4. Was würde Ihrer Meinung nach Vätern in Zukunft das Vater
sein erleichtern?
Väter brauchen mehr gesellschaftliche und wirtschaftliche
Akzeptanz, so selbstverständlich und mit allem was dazugehört Vater sein zu
dürfen (und zu sollen), wie Mütter Mütter sein dürfen (und sollen). Gut, mehr
Elterngeld oder gleich ein bedingungsloses Grundeinkommen würden auch nicht
schaden!
5. An welches Erlebnis mit Ihrem Vater erinnern Sie sich am
liebsten?
Als ich als 16-Jähriger mit ihm und seiner Partnerin an der holländischen Nordsee Urlaub machte, durfte ich für ihn seine Zigaretten drehen (nicht rauchen!). Und in der lokalen Rock-Taverne, in der ich andere Teenager kennenlernte, kam er mit zwei Freunden dazu und ich habe mich für den Alten geschämt – da war er 33 ;-). Zugegeben: Klingt jetzt nicht nach Lieblingserinnerung oder Bilderbuchmoment. Aber allzu viele Erinnerungen an Erlebnisse mit ihm allein habe ich nicht. Vermutlich, weil immer auch Verwandtschaft mit dabei war, und ich ihn nur an Wochenenden und in den Ferien sah.
Interview mit Michaela Kreyenfeld erlätert Frau Prof*in Kreyenfeld unter anderem, welche Rahmenbedingungen ‚gemeinsam getrennt erziehen‘ ermöglicht.
Frau Kreyenfeld, Sie haben an dem Gutachten des Beirats
für Familienfragen der Bundesregierung zum Thema ‚gemeinsam getrennt erziehen
mitgearbeitet. Welche Bedeutung hat das Thema heute schon und wie schätzen sie
die zukünftige Entwicklung ein?
In vielen anderen europäischen Ländern, vor allem in den
Niederlanden, Belgien oder Schweden, ist die geteilte Betreuung nach Trennung
und Scheidung viel verbreiteter als in Deutschland. Wir können aber auch
für Deutschland davon ausgehen, dass geteilte Betreuung in Zukunft an Bedeutung
gewinnen wird. Auch nach Trennung und Scheidung wollen Väter zunehmend im
Leben ihrer Kinder präsent bleiben. Diese sich ändernden Lebensrealitäten
müssen auch im Recht besser abgebildet warden.
Was ist aus der Sicht der Kinder nach dem Scheitern einer
Paarbeziehung am wichtigsten?
Für Kinder ist es vor allem belastend, wenn sie in die
Streitigkeiten ihrer Eltern hineingezogen werden und das Gefühl vermittelt
bekommen, dass sie Partei einnehmen müssen. Eltern müssen in die Lage
versetzt werden — bei allen Streitigkeiten untereinander — das Wohl ihrer
Kinder im Blick zu behalten. Dazu gehört auch, dass Eltern verstehen,
dass zum Wohl des Kindes in der Regel auch gehört, dass beide Eltern im Leben
ihrer Kinder präsent bleiben.
An welchen Stellschrauben muss Familienpolitik
kurzfristig drehen, um die Situationen von getrennt lebenden und erziehenden
Eltern zu verbessern?
Im Gutachten „Gemeinsam Getrennt Erziehen“ haben wir
konkrete Handlungsempfehlungen herausgearbeitet. Die
Familienberatung zu reformieren und Mediationsangebote zu etablieren, das sind
sicherlich naheliegende Stellschrauben. Was die rechtlichen
Rahmenbedingungen betrifft, ist noch sehr viel zu tun. Letztendlich zieht sich
die Idee des Residenzmodells durch alle Rechtsbereiche. Es fängt beim
Melderecht an. Eine Person kann nur einen Hauptwohnsitz in Deutschland haben;
demnach kann das Kind entweder nur beim Vater oder der Mutter gemeldet sein.
Kindergeld kann ebenfalls nicht gesplittet werden. Es geht nur auf das Konto
des Vaters oder der Mutter. Wir haben im Gutachten konkrete Vorschläge zur
Reform des Kindesunterhalts erarbeitet und haben uns hier für ein
„Stufenmodell“ ausgesprochen, das neben dem Residenzmodell die paritätische und
asymmetrische Betreuung im Recht etablieren würde.
Familienministerin Paus hat Sie und sechs weitere
Kolleg*innen Anfang Januar in die Sachverständigenkommission zum 10.
Familienbericht berufen. Die Kommission soll unter anderem Empfehlungen
formulieren, um im Interesse von Trennungsfamilien bestehende politische
Instrumente weiterzuentwickeln sowie neue zu entwickeln. Wo sehen sie dabei
aufgrund Ihrer bisherigen Arbeit Ansatzpunkte im Interesse von Trennungsvätern?
Thema des Familienberichts sind Alleinerziehende und
getrennt erziehende Eltern. Damit sind Trennungsväter automatisch auch im
Blick. Ein stärkeres väterliches Engagement kommt nicht nur Vätern und Kindern
zugute. Es muss in der Debatte auch klarer werden, dass Mütter auch davon
profitieren können, wenn sie Betreuung und Erziehung mit dem Ex-Partner teilen
können. Allerdings können wir die Augen auch nicht vor den gegebenen Realitäten
verschließen. Die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen sind
enorm in Deutschland. Nach wie vor sind es eher Mütter als Väter, die
nach der Geburt des Kindes aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden und zugunsten der
Familienarbeit im Beruf zurückstecken. In einigen Partnerschaften führt
erst die Scheidung und Trennung von der Partnerin dazu, dass Väter sich ihrer
Väterrolle bewusst werden und Betreuungs- und Erziehungsverantwortung
wahrnehmen und auch einfordern. Das ist auch gut so. Aber eine Politik, die
erst bei Scheidung und Trennung ansetzt, kommt zu spät. Väterliches Engagement
in der bestehenden Partnerschaft sollte genauso selbstverständlich sein, wie
die mütterliche Erwerbsintegration. Unser Ziel ist es aktuelle Strukturen
zu hinterfragen, die es Eltern zum Teil schwierig machen, nach Trennung und
Scheidung geteilte Betreuung für ihre Kinder zu realisieren.
Michaela Kreyenfeld ist Professor of Sociology an der Hertie School. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Familiendemographie und Familiensoziologie. Bis 2016 leitete sie die Forschungsgruppe „Lebenslauf, Sozialpolitik und Familie” am Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock. Sie ist Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, des Kuratoriums des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), des wissenschaftlichen Beirats des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie des Beirats für Familienfragen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Sie leitet derzeit die Sachverständigenkommission des 10. Familienberichts.