Die Väterlüge
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Donnerstag 6. November 2008
‚Was ist am Jubel über die „neuen Väter“ eigentlich so unangenehm?’ fragt Ines Kappert in einem Kommentar in der taz. Ihre Antwort ‚Schlicht gesagt: die Faktenuntreue und der soziale Rassismus.’
Dass die taz provozierende Überschriften und markante Formulierungen wählt, um auf vermeintliche und tatsächliche Missstände hinzuweisen, schätze ich als Leser seit langem. Bei diesem Kommentar geht mir aber die ‚Hutschnur’ hoch, zumal Kappert die ‚Faktentreue’ für sich reklamiert.
Das 84 % der Väter, die bislang noch keine Elternzeit genommen haben allesamt in das Lager der ‚traditionell gesinnten Väter’ geschoben werden, die ihre Kinder weiterhin beim Frühstück, beim Abendessen und am Wochenende sähen, hat mit Fakten weniger uns umso mehr mit altem Lagerdenken zu tun, gegen das Kappert vorgeblich so entschieden eintritt.
Aber vielleicht ist dies der Preis für die folgende, größtenteils zutreffende Analyse. Kappert sieht den Kern des Diskurses in der Frage: ‚Stellt die Mutter nicht vielleicht doch die bessere Bezugsperson dar?’ und gibt gleich die Antwort: ‚Doch wenn Männer sich emanzipieren, müssen die Frauen, die mit ihnen leben, sich von der Anmaßung verabschieden, irgendwie seien sie immer schon die sozial Kompetenteren. …
In der öffentlichen Diskussion liegt der Fokus woanders. … Hier wird ein krasses Konkurrenzverhältnis zwischen Frauen und Männern aufgemacht.
Sobald Männer Frauen starr gegenübergestellt werden, ist Vorsicht angesagt. Denn wir haben es nie mit Männern und Frauen „an und für sich“ zu tun. Nie. Niemand ist nur Mann oder nur Frau. Stattdessen realisiert sich Männlichsein und Weiblichsein erst im Verbund mit Herkunft, Alter, finanziellem und kulturellem Kapital. …’
Und dann kommt der soziale Aspekt: ‚Die ganze Diskussion um väterliche Väter adressiert den Mann aus der Mittelschicht. Für Hartz-IV-Väter interessiert sich von der Leyen ebenso wenig wie ihre Fans. Umgekehrt ist bislang noch nicht aufgefallen, dass sich die Führungsriege der Republik um staatliche Vaterschaftsprogramme oder gar eine vaterfreundliche Firmenpolitik scherten.
Nichts ist dagegen einzuwenden, wenn Männer daran arbeiten, ihre Männlichkeitsperformanz um Fürsorglichkeit zu ergänzen. Gar nichts. Doch werden „neue Väter“ als neue Hoffnungsträger „den“ Frauen pauschal entgegensetzt, streitet man nicht für die Emanzipation unserer Gesellschaft. Man sichert vielmehr die Privilegien für „die Mitte“ ab.
Die Alternative … ist der kinderfreundliche Umbau der Arbeitswelt. Häufig kritisieren engagierte Väter, mit welcher Skepsis ihnen Chefs und Kolleginnen begegneten, wenn sie flexible Arbeitszeiten forderten oder wenn sie Termine verschieben, weil das kranke Kind von der Kita abgeholt werden muss. Klar, nichtkonformes Verhalten ruft Unmut hervor. Das müssen alle erleben, also auch Väter. Doch in ihre Beschwerde mischt sich zunehmend Euphorie. Einige beschwingt mittlerweile die öffentliche Unterstützung von aktiver Vaterschaft geradezu.
Theoretisch ist ihre Zuversicht berechtigt. Männer sind deutlich besser gewerkschaftlich organisiert als ihre Kolleginnen. Auch die Manager sind in der Regel männlich. Wenn sie wollen, dann können sie ihre Betriebe kinderfreundlich umrüsten. Lippenbekenntnisse gibt es schon in rauen Mengen.’
Apropos ‚Privilegien für die Mitte’. Beim Frankfurter Flughafen sind mehr als die Hälfte der väterlichen Väter in Elternzeit, und das waren mehr als 50 im letzten Jahr, beim Bodenpersonal auf dem Rollfeld beschäftigt.