Väter sind ein Gewinn für Unternehmen, wenn aktive Vaterschaft ermöglicht wird
Diese Ansicht wurde bei der Veranstaltung am 21. August bei der Victoria Versicherung von den Referenten in ihren Vorträgen und der sich anschließenden Podiumsdiskussion eindrucksvoll bestärkt. Zu Beginn der Veranstaltung stellte Gerhard Erbacher, Abteilungsleiter Personal bei der Victoria die Angebote seines Hauses zur Erleichterung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie vor. Grundsatz dabei ist, dass individuelle Lösungen für jeden Mitarbeiter gesucht werden. Dazu gehören unter anderem ein Beratungsangebot und verschiedene Teilzeitmodelle. Die seit einigen Jahren existierende Möglichkeit, Urlaub- und Weihnachtsgeld in Freizeit umwandeln, hat dazu geführt, dass die Teilzeitquote bei männlichen Mitarbeitern auf 9 % angestiegen ist und damit fast doppelt so hoch wie in vergleichbaren Unternehmen ist.
In ersten Beitrag zum Thema ‚Väter im Betrieb – Was kostet der Spagat stellte Dipl. Kfm. Marcus Schmitz von der IGS Unternehmensberatung GmbH in Köln zunächst an einem praktischen Beispiel die Faktoren vor, die den Spagat zu einer Belastung für Beschäftigte und ihre Unternehmen werden lassen: die eigenen Interessen, die Interessen der Partnerin und der Kinder, die beruflichen Aufgaben und Ambitionen, der Terminkalender und die Arbeitszeit … Schmitz untermauerte seine Aussagen durch die Ergebnisse von zahlreichen Untersuchungen, die er mit seinem Institut durchführte, unter anderem einer Umfrage unter Vätern zum Konflikt zwischen Karriere und Familie aus dem Frühjahr 2005 und einer gerade abgeschlossenen Studie unter Führungskräften zur gelebten Unternehmenskultur. Eine Nichtbeachtung dieser Punkte hat in vielen Bereichen (negative) Auswirkungen auf das Unternehmensergebnis. Mangelnde Motivation, mangelnde Identifikation, geringere Leistungsfähigkeit, Ersatzbeschaffungen, Krankheitskosten sowie die Kosten der inneren Kündigung. Diese Kostenfaktoren sind unbestritten, Schwierigkeiten bereitet allenfalls die exakte Zurechenbarkeit der einzelnen Kosten. An dem einfachen Beispiel einer um 10% verminderten Leistungsbereitschaft aufgrund einer nicht berücksichtigten Belastungssituation verdeutlichte Schmitz den monetären Aufwand, mit dem ein Unternehmen konfrontiert wird. Er errechnete 4.500 € pro Beschäftigten, bei 100 Beschäftigten kann also schnell eine Summe von 500.000 € auf das Unternehmen zukommen. Die Tatsache, dass damit auch ein Verlust kreativer Ideen und ein zurückgehender Fortschritt im Unternehmen verbunden ist, der zu suboptimalen Entscheidungen führt, ist dabei noch nicht eingerechnet. Sein Fazit, die Bedeutung familienfreundlicher Maßnahmen für Väter wird in den nächsten fünf Jahren stark zunehmen.
Im folgenden Beitrag beschäftigte sich Alexandra Schmidt-Wenzel aus Berlin mit der Frage, ‚Was Väter könn(t)en’. Sie nahm dabei Bezug auf die Ergebnisse eigener qualitativer Forschungsarbeiten zum Thema ‚Aktive Vaterschaft als Chance zur Kompetenzentwicklung’. Sie beantwortete die spannende Frage, wie Kompetenzentwicklung durch aktive Vaterschaft ermöglicht werden kann und wie ein Transfer von Familienkompetenzen in den betrieblichen Alltag gelingen kann. Denn „gefragt sind in Unternehmen vor allem personale und soziale Kompetenzen, die einen ganzheitlichen Einsatz fachlicher und methodischer Kenntnisse ermöglichen. Familienfreundliche Arbeitszeitmodelle und individuelle Vereinbarungen eröffnen auch Vätern die Möglichkeit zur aktiven Elternschaft und damit die Chance zum familialen Kompetenzerwerb.“ Ein zentrales Ergebnis ihrer Untersuchungen ist: Es existieren keine prägnanten Unterschiede zwischen dem mütterlichen und dem väterlichen Kompetenzerwerb! Väter kommen unter ähnlichen Bedingungen zu ähnlichen Ergebnissen wie Mütter, Voraussetzung ist in beiden Fällen das Praktizieren einer aktiven, einer engagierten Elternschaft.
In dem letzten Vortrag stellte Hans-Georg Nelles den Handlungsansatz des von ihm geleiteten Projekts Väter & Karriere vor und zeigte Möglichkeiten auf, wie Unternehmen durch Wertschätzung die Potenziale aktiver Vaterschaft nutzen können. Er stellte insbesondere heraus, dass durch eine väterbewusste Unternehmenskultur, die entscheidenden Stellschrauben bewegt werden können: Unabdingbar ist, das Thema ‚Väter’ auf die ‚Tagesordnung setzen‘ um den beschäftigten Vätern ein klares Signal zu geben, wir sehen euch nicht nur als beschäftigte Arbeitnehmer sondern als ganze Personen ernst und schätzen eure Vaterschaft auch als Potenzial für das Unternehmen. Väter werden dadurch im Unternehmen sichtbar und können sich mit anderen Vätern im Unternehmen austauschen. Das Projekt Väter & Karriere bietet dazu interessierten Unternehmen und Ihren Beschäftigten Informationsveranstaltungen, Beratungs- und Qualifizierungsangebote. Seine Erfahrung ist, Unternehmen, die die Einstellungen ihrer Mitarbeiter kennen und ihren Wunsch nach aktiver Vaterschaft nicht nur respektieren sondern auch aktiv wertschätzen, von deren Potenzialen profitieren. Aktive Väter sind motiviertere Mitarbeiter und erwerben durch ihre Arbeit in der Familie Kompetenzen, die durch Schulungen kaum vermittelbar sind: Verantwortungsbewusstsein, Einfühlungsvermögen und ein lösungsorientierter Umgang mit Konflikten sind Ressourcen, die vor allem im Umgang mit Kunden unabdingbar sind.
In der sich anschließenden Podiumsdiskussion, die von Martin Seiwert von der Wirtschaftswoche moderiert wurde, stand die zunächst die Frage, wer oder was die Väter daran hindert, ihre Vorstellungen von aktiver Vaterschaft umzusetzen im Vordergrund Katrin Peplinski, die Gleichstellungsbeauftragte der Victoria erklärte: „Unsere Väter dürfen bei uns alles“ – Die Karriere wird trotzdem in Frage gestellt, und dies bei Müttern wie Vätern gleichermaßen, insbesondere durch die direkten Vorgesetzen. In ihrer alltäglichen Arbeit stellt sie fest, „Die Beratung von Vätern ist drastisch gestiegen.“ Hans-Georg Nelles betonte, dass die neue Generation von Führungskräften und Qualifizierten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen eine andere Vorstellung von Familie und Karriere an die Unternehmen herantragen werden als es bislang in der Vorstellungswelt der Verantwortlichen in den Betrieben existiert und Unternehmen im Hinblick auf die demografischen Herausforderungen gut daran tun, sich für diese Vorstellungen zu öffnen. Männer brauchen mehr Mut, Ihre Wünsche zu äußern und umzusetzen, wie es Frauen bereits tun Schmitz sah die Väterproblematik in erster Linie nicht als Unternehmens- sondern als gesellschaftliches Problem. Das traditionelle Rollenbild hat sich nicht geändert, solange es einer Zeitung die Schlagzeile wert ist, dass ein Minister seiner Frau eine Spülmaschine kauft. Erzitierte auch aus seine Untersuchung von Frauen: Auf die Frage, ‚Wie wichtig ist Ihnen der Erfolg Ihres Mannes?’ antworteten 94% aller Frauen mit wichtig bzw. sehr wichtig. Schmidt-Wenzel vertiefte die Frage der Rollenzuschreibungen noch einmal: „Frauen wird ein ausgeprägtes intuitives ganzheitliches Verhalten zugeschrieben, welches männliche Führungskräfte erst über kostspielige Seminare lernen müssen.“. Im anschließenden ‚Get together’ nutzen die Teilnehmer die Gelegenheit, die Diskussion in kleineren Kreisen fortzusetzen und ihre persönlichen Erfahrungen auszutauschen. Die Beiträge der Veranstaltung finden Sie hier.
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