Geschlechterunterschiede bei der Enkelbetreuung haben sich durch Corona verringert
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Sonntag 26. März 2023
Viele Großeltern beteiligen sich regelmäßig an der Betreuung ihrer Enkelkinder. Sie haben so die Möglichkeit, eine enge Beziehung zu ihren Enkelkindern aufzubauen und entlasten gleichzeitig die Eltern, insbesondere, wenn diese erwerbstätig sind und die Arbeitszeiten nicht vollständig durch Kitas und Schulen abgedeckt werden können.
Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Enkelbetreuung ausgewirkt? Hier sind Entwicklungen in zwei verschiedene Richtungen denkbar. Einerseits stieg der Bedarf an privat erbrachter Kinderbetreuung schlagartig an. Kitas und Schulen wurden geschlossen oder hatten stark eingeschränkte Präsenzzeiten. Eltern sahen sich auf einmal damit konfrontiert, Kinderbetreuung und Distanzunterricht parallel zu ihrer eigenen Erwerbstätigkeit zu bewältigen. Eine Entlastung durch Großeltern wurde wichtiger denn je.
Empirische Untersuchungen zur Enkelbetreuung während der Corona- Pandemie sind rar. Eine europäische Studie, die Veränderungen in der Kontakthäufigkeit zwischen älteren Menschen und ihren erwachsenen Kindern untersucht, kommt zu dem Ergebnis, dass intergenerationale Kontakte insgesamt weitgehend stabil blieben und sich sogar tendenziell noch verstärkten, wobei nicht untersucht werden konnte, inwieweit physische Kontakte durch Kontakte per Telefon/Internet ersetzt wurden. Ältere Männer und Menschen mit niedriger Bildung berichteten jedoch von reduzierten Kontakten zu ihren erwachsenen Kindern.
Vor diesem Hintergrund untersuchten Mareike Bünning, Ulrike Ehrlich, Felix Behaghel und Oliver Huxhold in einer Studie für das „Deutsche Zentrum für Altersfragen“, wie sich der Anteil der Großeltern, die Enkelkinder betreuen, und der zeitliche Umfang der Enkelbetreuung während der Pandemie verändert haben. Konkret betrachtet wurde die Situation im Winter 2020/21 als die Schulen noch überwiegend geöffnet waren und die Impfkampagne noch nicht gestartet war. Auch Schnelltests waren zum Befragungszeitpunkt noch nicht verfügbar.
Unter anderem wurden folgende Forschungsfragen beantwortet:
1. Haben Großeltern in der Pandemie die Enkelbetreuung eher intensiviert oder eher reduziert?
Der Umfang der Enkelbetreuung bleibt weitgehend stabil. Im Jahr 2017 haben 39 Prozent der Großeltern ihre Enkelkinder regelmäßig betreut. Im Winter 2020/21 waren es 34 Prozent. Der augenscheinliche Rückgang in der Betreuungsquote ist allerdings nicht statistisch signifikant. Auch der zeitliche Betreuungsumfang, den Großeltern für ihre Enkelkinder leisten, ist während der Pandemie stabil geblieben.
2. Entscheiden sich vor allem ältere Großeltern in der Pandemie dagegen, ihre Enkelkinder zu betreuen?
Großeltern, die sich in der Übergangsphase zum Ruhestand befinden, betreuen ihre Enkelkinder in der Corona-Krise seltener als noch 2017.
Großeltern in der Altersgruppe 60 bis 69 Jahre kümmerten sich während der Pandemie (37 Prozent) deutlich seltener um ihre Enkelkinder als noch 2017 (47 Prozent). Bei älteren Großeltern im Alter von 70 bis 90 Jahren sowie jüngeren Großeltern im Alter von 45 bis 59 Jahren zeigten sich hingegen keine signifikanten Veränderungen.
3. Welche Rolle spielen Risikofaktoren für eine schwere COVID-Erkrankung dafür, ob Großeltern ihre Enkelkinder betreuen?
Gesundheitliche Risikofaktoren gehen kaum mit verringerter Enkelbetreuung einher. Bei fünf von sechs untersuchten Risikofaktoren für einen schweren COVID- 19-Verlauf (Bluthochdruck, Herzschwäche, Krebs, chronische Lungenerkrankungen und Diabetes) zeigte sich, dass betroffene Großeltern ihre Enkelkinder 2020/21 zu ähnlichen Anteilen betreuten wie 2017. Nur Großeltern mit starkem Übergewicht betreuten ihre Enkelkinder während der Pandemie mit 33 Prozent deutlich seltener als noch 2017 (42 Prozent).
4. Wie stark ist die Entscheidung, Enkelkinder zu betreuen, durch die Wohnentfernung vorgegeben?
Weiter entfernt lebende Großeltern kümmern sich in der Pandemie seltener um ihre Enkelkinder als vorher. Ob die Enkelkinder in der Nähe wohnen, ist insgesamt der wichtigste Faktor für Enkelbetreuung. Die Betreuungsquote von Großeltern, die im selben Ort wie ihre Enkelkinder leben, hat sich in der Pandemie kaum verändert (2017: 57 Prozent; 2020/21: 54 Prozent). Großeltern, die von ihren Enkelkindern weiter entfernt leben, engagieren sich während der Pandemie 2020/21 (21 Prozent) seltener in der Betreuung als noch 2017 (28 Prozent).
5. Wie ist der Beitrag der Enkelbetreuung zur wirtschaftlichen Wertschöpfung im Pandemiejahr einzuordnen?
Der wirtschaftliche Wert der Enkelbetreuung beläuft sich auf 16 bis 18 Mrd. Euro oder rund 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Rechnet man den Umfang der Enkelbetreuung 2020/21 in Stunden pro Jahr auf die Gesamtbevölkerung hoch, ergibt sich ein Volumen von etwa 1,75 bis 1,95 Mrd. Stunden.
Sowohl Großmütter als auch Großväter betreuten 2020/21 etwas seltener ihre Enkelkinder als noch 2017. Im Winter 2020/21 lag die Betreuungsquote von Großmüttern bei 36 Prozent, die von Großvätern bei 31 Prozent. Im Jahr 2017 hatten 43 Prozent der Großmütter und 35 Prozent der Großväter ihre Enkelkinder betreut. Der Rückgang in der Enkelbetreuung ist jedoch nicht statistisch signifikant. Zudem zeigt sich, dass die Geschlechterungleichheiten abgenommen haben. Für 2017 zeigte sich noch, dass Frauen ihre Enkelkinder signifikant öfter als Männer betreuten. Das Ergebnis von 2017 bestätigt also den aus der Literatur bekannten Befund, dass Großmütter stärker in die Enkelbetreuung involviert sind als Großväter. Im Winter 2020/21 ist der Geschlechterunterschied nicht mehr statistisch bedeutsam.
Die Betreuungsquoten haben sich also angeglichen, obwohl Männer ein höheres Risiko als Frauen haben, schwer an COVID-19 zu erkranken und es deshalb zu erwarten gewesen wäre, dass Männer in der Pandemie die Enkelbetreuung stärker verringern als Frauen.
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